- Laharpe
Laharpe (spr. lă-árp'), 1) Jean François, eigentlich Delharpe, franz. Kritiker und Dichter, geb. 20. Nov. 1739 in Paris, gest. daselbst 11. Febr. 1803, war der Sohn eines Lausanners. Anfangs veröffentlichte er mehrere Bände »Héroïdes«, fand aber erst Beachtung durch seine Tragödie »Warwick« (1763). Obwohl seine übrigen Tragödien, in denen er Voltaire nachahmte, durchfielen, so wuchs doch sein Ruhm, besonders durch seine eleganten und feinsinnigen »Éloges« (von Heinrich IV. Fénelon, Racine u.a.). Infolge seiner maßlosen Eitelkeit und Anmaßung nahm aber auch die Zahl seiner Feinde und die Heftigkeit ihrer Angriffe derart zu, daß seine Aufnahme in die Akademie (20. Juni 1776) eher eine Niederlage zu nennen war, und eine Menge der giftigsten Epigramme über ihn ging von Mund zu Mund. Als Professor der Literatur am neugegründeten Lycée (1786–98) hielt er Vorlesungen vor einem großen, eleganten Publikum, das dem geistvollen Vortrag und geschmackvollen Urteil Laharpes Beifall spendete und sich durch dessen engherzige Bewunderung des 17. Jahrh. nicht stören ließ. Sie erschienen zuerst in dem von ihm redigierten »Mercure de France«, dann unter dem Titel »Lycée, ou Cours de littérature« (Par. 1799 bist 805; neue Ausg. 1825–26, 18 Bde.; 1840, 3 Bde.). Laharpes anfängliche Begeisterung für die Revolution verkehrte sich in das Gegenteil, als er 1794 auf fünf Monate ins Gefängnis geworfen wurde; er, der vorher im Lycée mit der Jakobinermütze erschienen war, erklärte sich jetzt für den erbittertsten Feind revolutionärer und philosophischer Ideen und zeigte sich in Worten und Werken als eifriger Anhänger der Religion und der Monarchie. Vor allem macht sich bei L. die Lust zu scharfer, rücksichtsloser Kritik bemerkbar; die Veröffentlichung der »Correspondance littéraire, adressée an grand-duc de Russie« (nachmaligem Paul I., 1801), die voll scharfer persönlicher Urteile war, erregte Skandal. Von zahlreichen andern Werken nennen wir nur noch sein nachgelassenes: »La prophétie de Cazotte«, das Sainte-Beuve, was Erfindung und Stil anbelangt, für sein bestes Werk erklärt. Eine Auswahl seiner Werke veranstaltete L. selbst (Par. 1778, 6 Bde.); seine »Œuvres choisies et posthumes« erschienen 1806 in 4 Bänden. Vgl. Peignot, Recherches sur La Harpe (Dijon 1820).
2) Frédéric César, Direktor der Helvetischen Republik und Erzieher des Kaisers Alexander I. von Rußland, geb. 6. April 1754 zu Rolle im Waadtland, gest. 30. März 1838 in Lausanne, empfing seine erste Bildung in dem berühmten Institut zu Haldenstein in Graubünden, studierte in Genf und Tübingen die Rechte, ward hierauf Sachwalter bei der welschen Appellationskammer in Bern, begleitete dann, durch den Hochmut der Berner Patrizier zurückgestoßen, einen russischen Grafen nach Italien und begab sich von Rom aus 1782 nach Petersburg, wo ihm Katharina II. die Erziehung der Großfürsten Alexander und Konstantin anvertraute. Von Petersburg aus suchte er die Befreiung der Waadt von der bernischen Herrschaft anzubahnen, indem er 1790 seinen Freunden die Vorlage einer Petition übersandte, die von Bern die Einberufung der alten Landstände der Waadt verlangen sollte. Ein vorzeitiger Ausbruch der Gärung (14./15. Juli 1791) zog seinem Vetter und Gesinnungsgenossen Amédée de L. ein Todesurteil in contumaciam und die Konfiskation seines Vermögens zu. Durch direkte und indirekte Denunziationen erwirkten die Berner 1795 in Petersburg Laharpes Entlassung. Da ihm die Heimat durch einen Verhaftbefehl verschlossen war, nahm er seinen Aufenthalt in Genf und suchte, als sein Vetter Amédée nach glänzender Karriere in französischen Diensten als Divisionsgeneral in Bonapartes italienischem Feldzug fiel, als Vormund der Familie von Bern die Rehabilitation des Toten und eine Entschädigung für das konfiszierte Vermögen auszuwirken. Da seine Bemühungen vergeblich blieben, begab er sich im Oktober 1796 nach Paris und eröffnete dort einen grimmigen Federkrieg gegen Bern. Er gab dem französischen Direktorium den Kriegsvorwand an die Hand, indem er 9. Dez. 1797 in einer von ihm und 19 andern Flüchtlingen, meist Freiburgern, unterzeichneten Bittschrift die Intervention Frankreichs zugunsten der angeblich von Bern unterdrückten Freiheiten der Waadt anrief, gestützt auf den von Frankreich ratifizierten Lausanner Vertrag von 1564, in dem die Waadt von Savoyen an Bern abgetreten worden war. Als die Eidgenossenschaft 1798 von den Franzosen in die Helvetische Republik umgewandelt worden war, wurde er 29. Juni Mitglied des helvetischen Direktoriums und benutzte sein diktatorisches Übergewicht zu Gewaltmaßregeln, durch die er die von allen Seiten bedrohte Einheitsrepublik zu retten hoffte. Darüber erbittert, lösten die gesetzgebenden Räte 7. Jan. 1800 das Direktorium auf, um L. zu stürzen, der sich hierauf nach Paris flüchtete. Nachdem er 1801–02 auf Einladung Kaiser Alexanders eine Reise nach Rußland gemacht hatte, lebte er in einem Landhaus bei Paris, empfing 1814 nach dem Einrücken der Verbündeten von Alexander die Würde eines Generals mit dem Andreasorden und bewog den Zaren, die Herstellung des alten Untertanenverhältnisses der Waadt und des Aargaues, wonach Bern trachtete, nicht zu gestatten. Nachdem er in demselben Sinn als Gesandter der Waadt und des Tessin am Wiener Kongreß tätig gewesen und dort als Vertrauter Alexanders eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hatte, so daß Metternich seinen Einfluß noch 1818 fürchtete, siedelte er 1816 nach Lausanne über und erwarb sich als unermüdlicher Wohltäter seines Landes hohe Achtung. 1844 wurde ihm in Rolle ein Denkmal errichtet. Er schrieb außer zahlreichen Broschüren und Flugschriften: »Mémoires de Fr. C. L.« (veröffentlicht in Vogels »Schweizergeschichtlichen Studien«, Bern 1864). Seine Korrespondenz mit Alexander I. wurde in den »Mémoires de la Société historique russe« (Petersb. 1870, Bd. 5) veröffentlicht. Zahlreiche Briefe Laharpes finden sich in Ph. A. Stapfers Briefwechsel, herausgegeben von Luginbühl (Basel 1891, 2 Bde.). Vgl. ferner »Le gouverneur d'un prince. Fréd. Cés. de L. et Alexandre I de Russie« (Freiburg i. Br. 1902).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.