- Kurz
Kurz, 1) Heinrich, Literarhistoriker, geb. 28. April 1805 in Paris von deutschen Eltern, gest. 24. Febr. 1873 in Aarau, studierte in Leipzig und Paris Theologie und Philologie, lebte seit 1830 in München und Augsburg, wo er ein konstitutionelles Oppositionsblatt, »Die Zeit«, herausgab, das ihm schon nach wenigen Wochen zweijährige Festungshaft in Würzburg zuzog. Nach seiner Freilassung wandte er sich nach der Schweiz, fand hier bald eine Anstellung. als Lehrer der deutschen Sprache und Literatur in St. Gallen und wurde 1839 Professor an der Kantonschule in Aarau sowie 1846 Kantonbibliothekar. Durch die reichen Schätze der Aarauer Bibliothek veranlaßt, hatte er sich dem Studium der deutschen Literatur zugewandt. Er fand eine unbekannte Schrift Fischarts auf und gab Murners höchst selten gewordenes Gedicht »Vom großen lutherischen Narren« (Zürich 1848) und mit P. Weißenbach »Beiträge zur Geschichte und Literatur, besonders aus den Archiven und Bibliotheken des Kantons Aargau« (Aarau 1846) heraus. Schätzbare Sammelwerke lieferte er in dem »Handbuch der poetischen Nationalliteratur der Deutschen seit Haller« (Zürich 1840–43, 3 Bde.; 3. Aufl. 1859) und »Handbuch der deutschen Prosa von Gottsched bis auf die neueste Zeit« (das. 1845–52, 11 Bde.). Sein Hauptwerk aber bildet die »Geschichte der deutschen Literatur« (Bd. 1–3, Leipz. 1851 ff., 7. Aufl. 1876; Bd. 4, 1868–72, 4. Aufl. 1882), die durch gut ausgewählte Proben beliebt geworden ist. Ein kurzer »Leitfaden zur Geschichte der Literatur« (Leipz. 1860; 5. Aufl., bearbeitet von G. Emil Barthel, 1878) schließt sich dem größern Werk an. Von seiner »Deutschen Bibliothek«, einer Sammlung seltener Schriften der ältern deutschen Nationalliteratur, erschienen Bd. 1 und 2: »Esopus von Burkard Waldis«, Bd. 3–6: »Christoffels von Grimmelshausen Simplizianische Schriften«, Bd. 7: »Jörg Wickrams Rollwagenbüchlein«, Bd. 8–10: »Johann Fischarts sämtliche Dichtungen« (Leipz. 1862–68). Außerdem veröffentlichte K.: »Die Schweiz. Land, Volk und Geschichte in ausgewählten Dichtungen« (Bern 1852), führte das von Paldamus begonnene biographisch-kritische Werk »Deutsche Dichter und Prosaisten« (Bd. 1 u. 4, Leipz. 1863 u. 1865) zu Ende und besorgte kritische Ausgaben, mit biographischen Einleitungen und Lesarten, von »Schillers sämtlichen Werken« in 9 Bänden (Hildburgh. 1867–68) und von »Goethes Werken« in 12 Bänden (das. 1867–68), denen sich ausgewählte Werke von Lessing, Herder, Wieland, Chamisso, H. v. Kleist und E. T. A. Hoffmann anschlossen. Auch eine »Ausgewählte Korrespondenz Napoleons I.« (Hildburgh. 1870, 3 Bde.) ward von K. übersetzt und herausgegeben. Außerdem veröffentlichte er noch die kleinern Schriften: »Über Walthers von der Vogelweide Herkunft und Heimat« (Aarau 1863) und »Die deutsche Literatur im Elsaß« (Berl. 1874).
2) Hermann, Dichter und Novellist, geb. 30. Nov. 1813 in Reutlingen, gest. 10. Okt. 1873 in Tübingen, besuchte die Klosterschule in Maulbronn, studierte dann in Tübingen Theologie und Philosophie, aber mit noch größerm Eifer die Werke der alten deutschen Literatur. Später lebte er privatisierend an verschiedenen Orten Württembergs, meist jedoch in Stuttgart, wo er eine Reihe von Jahren den »Beobachter« redigierte, bis er 1864 Universitätsbibliothekar in Tübingen wurde. K. trat zuerst mit »Gedichten« (Stuttg. 1836) und »Dichtungen« (das. 1839) auf, die sich durch Gemütsinnigkeit und Formgewandtheit auszeichnen. Später wendete er sich vorzugsweise dem Roman und der Erzählung zu. Hierher gehören: »Schillers Heimatjahre« (oder, wie ursprünglich der Titel lautete: »Hermann Roller«, Stuttg. 1843, 3 Bde.; 3. Aufl. 1899; illustriert von Cloß, das. 1905; auch in Hendels »Bibliothek der Gesamtliteratur«, Halle 1905); »Der Weihnachtfund« (Berl. 1855, 2. Aufl. 1862); »Erzählungen« (Stuttg. 1858–61, 3 Bde.) und »Der Sonnenwirt« (Frankf. 1855; 2. Aufl., Berl. 1862, 3 Bde.), die bedeutendste seiner erzählenden Schriften. Von seinen mannigfachen historischen und literarhistorischen Arbeiten nennen wir: »Zu Shakespeares Leben und Schaffen« (Münch. 1868); »Aus den Tagen der Schmach. Geschichtsbilder aus der Mélacszeit« (Stuttg. 1871). Außerdem lieferte er treffliche Übersetzungen, z. B. von Ariosts »Rasendem Roland« (Stuttg. 1840; neue Ausg. mit Doréschen Illustrationen, besorgt von Heyse, Bresl. 1881), von Gottfrieds von Straßburg »Tristan und Isolde« (mit selbständigem Schluß, Bresl. 1844; 3. Aufl. 1877), von Cervantes' »Zwischenspielen« (Hildburgh. 1868), von einzelnen Stücken Shakespeares, Byrons, Moores u. a. Mit Paul Heyse gab er den »Deutschen Novellenschatz« (Münch. 1870 ff.) und »Novellenschatz des Auslandes« (das. 1872 ff.) heraus. Eine Ausgabe seiner »Gesammelten Werke« mit Biographie besorgte Heyse (Stuttg. 1874–75, 10 Bde.), eine neuere (»Sämtliche Werke«) mit Einleitungen Herm. Fischer (Leipz. 1904, 12 Bde.). Den »Briefwechsel zwischen Herm. K. u. Eduard Mörike« gab Bächtold (Stuttg. 1885) heraus. Vgl. Sulger-Gebing, H. K., ein deutscher Volksdichter (Berl. 1904).
3) Isolde, Schriftstellerin, Tochter des vorigen, geb. 21. Dez. 1853 in Stuttgart, lebt in Florenz. Sie trat mit formvollendeten »Gedichten« (Stuttg. 1888, 3. Aufl. 1898) und »Neuen Gedichten« (das. 1905) hervor und erwarb sich namentlich durch geistvolle Erzählungen einen geachteten Namen. Wir nennen hiervon: »Florentiner Novellen« (Stuttg. 1890, 2. Aufl. 1893), »Phantasien und Märchen« (das. 1890), »Italienische Erzählungen« (das. 1895), »Von dazumal« (Berl. 1900), »Unsere Carlotta« (Leipz. 1901), »Frutti di Mare« (das. 1902), »Genesung. Sein Todfeind und Gedankenschuld« (das. 1902), »Die Stadt des Lebens. Schilderungen aus der florentinischen Renaissance« (das. 1902), »Im Zeichen des Steinbocks. Aphorismen« (Münch. 1905).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.