Kuckuck [1]

Kuckuck [1]

Kuckuck (Cuculus L.), Gattung der Klettervögel aus der Familie der Kuckucke (Cuculidae), schlank gebaute Vögel mit kleinem, sanft gebogenem, an der Basis breitem Schnabel, langen, spitzen Flügeln, langem, abgerundetem Schwanz und kurzen, paarzehigen, teilweise befiederten Füßen. Die 22 Arten der Gattung leben in der Alten Welt und in Australien; alle sind Wald- oder doch Baumvögel, die nordischen wandern, die südlichern streifen umher; sie sind unruhig, flüchtig, scheu, leben einsam, nähren sich fast ausschließlich von Kerbtieren, besonders von deren Larven, vor allem von haarigen Raupen, verschmähen aber auch kleine Wirbeltiere nicht und rauben Eier aus den Nestern. Sie brüten nicht selbst, sondern legen ihre Eier meist einzeln in die Nester andrer Vögel, aus denen sie dabei ein Ei entfernen, das öfters verschlungen wird. Die Erziehung eines Kuckucks derjenigen Arten, die ihre Eier in die Nester kleinerer Vögel legen, hat regelmäßig die Vernichtung der Brut der Pflegeeltern zur Folge. Von den zwei europäischen Arten ist unser K. (Gauch, C. canorus L., s. Tafel »Klettervögel I«, Fig. 6) 36 cm lang, 63 cm breit, oben aschgrau, auf der Unterseite grauweiß, Brust und Bauch mit schwärzlichen Querstreifen, auf dem Schwanz weiß gefleckt. Er bewohnt den Norden der Alten Welt, besonders höhere Breiten (bis 70°), geht östlich bis Japan, steigt im Gebirge bis zur Schneegrenze und wandert südlich bis zu den Sundainseln und Südwestafrika. Bei uns weilt er von Ende April bis Anfang September. Obwohl Baumvogel, findet er sich doch auch auf kahlen Strecken, die reich an kleinen Vögeln sind, am häufigsten in Mischwaldungen und wasserreichen Niederungen. Er behauptet ein großes Revier, ist stets in Bewegung, fliegt zierlich, schnell, falkenähnlich, bewegt sich aber auf dem Boden ungeschickt, schreit viel und ist ungemein gefräßig. Es gibt sehr viel mehr Männchen als Weibchen (5:1, nach andern 15:1). Das Weibchen durchfliegt die Reviere mehrerer Männchen, gibt sich jedem hin und lebt nie mit einem einzelnen in längerer Gemeinschaft; doch wird ihm das Revier, in dem es sein erstes Ei untergebracht hat, zur engern Heimat, in die es jährlich wie das Männchen zurückkehrt. Gegen andre Vögel verträglich, verfolgt der K. seinesgleichen mit blinder Wut, weil er in jedem einen Nebenbuhler sieht. Er selbst wird von den kleinen Vögeln, denen er seine Eier aufbürdet, beständig angefeindet. Man kennt ca. 70 Vogelarten, die gelegentlich Kuckuckseier ausbrüten; mit seltenen Ausnahmen werden aber nur die Nester von Insektenfressern, am häufigsten die der Schilfsänger, Stelzen, Grasmücken und Pieper, vom K. heimgesucht. Die Kuckuckseier wechseln in Größe zwischen Lerchen- und Taubeneiern und ebenso stark in der Färbung, dasselbe Weibchen legt aber immer gleiche Eier, die es vorwiegend bei Vögeln mit ähnlichem Gelege unterbringt (s. Tafel »Eier I«, Fig. 328 u. b). Wie es scheint, legt jedes Weibchen nur in die Nester ein und derselben Art, wahrscheinlich derjenigen, in deren Nest es aufgewachsen war, und nur im Notfall in die Nester andrer Vögel (wo dann das Kuckucksei durch abweichende Färbung auffällt), in jedes Nest nur ein Ei, und wenn sich bereits Eier des Pflegers in dem Neste befinden. In der Regel legt das Weibchen das Ei auf die Erde und trägt es mit dem Schnabel in das Nest. Die Bebrütung dauert 11 Tage, und das Kuckucksei kommt wegen seiner Größe in Nestern kleinerer Vögel fast immer zuerst aus, worauf das in der Nähe sich aufhaltende Kuckucksweibchen die noch nicht ausgekommenen Eier des Pflegevogels aus dem Nest hinauswirft. Nur wenn das Weibchen vorher seinen Tod gefunden hat, findet man ausgekommene eigne Junge mit dem K. in demselben Nest zusammen. Man nimmt an, daß das Weibchen nach je 6–8 Tagen ein Ei lege. Der junge K. wächst schnell, bedarf vieler Nahrung. Die Nestpflege beträgt in der Regel 19 Tage. Zur Erklärung der Gewohnheit des Kuckucks, seine Eier in fremde Nester zu legen, hat man auf die Kuhvögel (s. d.) verwiesen, die sich von Schmarotzern auf der Haut und im Pelz wandernder großer Säugetiere ernähren und deshalb nicht imstande sind, eigne Nester zu bauen, vielmehr ihre Eier ebenfalls andern Vögeln unterschieben müssen. Der K. dürfte ebenfalls mit den großen Säugern in Kommensalismus gelebt haben, die einst ausgedehnte Steppen Europas bewohnten, nach deren Verschwinden eine andre Ernährungsweise angenommen, die Gewohnheit aber, in fremde Nester zu legen, beibehalten haben. In Gefangenschaft wird der K. leicht zahm. In Italien und Griechenland erlegt man ihn auch für die Küche. In der Mythologie ist der K. der Vogel des Frühlings, der Verkünder der heißen Jahreszeit, der ersten Gewitter, oft auch ein phallisches Symbol; er sitzt auf dem Zepter der Hera, und sein Ruf galt als gutes Vorzeichen für Heiratslustige. Er ist auch der treulose Ehemann (cuculus der Römer), der Spötter, anderseits der Ehemann einer treulosen Frau (cuckold im Englischen, cocu im Französischen). Da niemand sieht, wie der K. verschwindet, so ist er unsterblich, er hat alles gesehen und weiß alles, daher prophezeit er die Lebensdauer. In sprichwörtlichen Redensarten (»zum K.«, »des Kuckucks werden« etc.) lebt er als altheidnischer Zaubervogel (für Teufel) fort. Vgl. Baldamus, Das Leben der europäischen Kuckucke (Berl. 1892); Rey, Altes und Neues aus dem Haushalte des Kuckucks (Leipz. 1892). – Der Häherkuckuck (Coccystes glandarius L.), 40 cm lang, mit großen weißen Flecken auf den Flügeldeckfedern und Armschwingen, bewohnt Südeuropa, Südwestasien und Afrika und ist auch in Deutschland erlegt worden. Er legt seine Eier in die Nester der Krähen und Elstern.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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