- Aristokratie
Aristokratie (griech., »Herrschaft der Vornehmsten«), im staatsphilosophischen System des Aristoteles diejenige Staatsform, nach der eine bevorzugte Klasse der Staatsangehörigen im Besitz der Staatsgewalt ist. Aristoteles teilt die Beherrschungsformen ein in das Königtum (Monarchie), die A. und die Demokratie, je nachdem die Staatsgewalt in der Hand eines Einzelnen sich befindet oder einer gewissen bevorzugten Klasse oder der Gesamtheit des Volkes zusteht. Mit Rücksicht auf die Staatsverhältnisse der Neuzeit pflegt man jedoch meist nur zwei Grundformen der Staatsverfassung zu unterscheiden, die monarchische und die republikanische, je nachdem die Staatsgewalt von einem Einzelnen oder von der Gesamtheit der Staatsangehörigen durch deren Organe ausgeübt wird. Bei der Republik wied dann allerdings wieder zwischen A. und Demokratie unterschieden, insofern entweder eine gewisse Klasse von Staatsbürgern die Zügel des Staates in Händen hat oder die Gesamtheit des Volkes ohne Standesunterschied als Souverän gedacht wird. Die Neuzeit ist dem aristokratischen System nicht günstig. Keine der bestehenden Republiken hat eine aristokratische Staatsform, während diese im Altertum vielfach vertreten war. Wie in Griechenland Athen als Muster der Demokratie erschien, so wurde die A. besonders durch Sparta dargestellt. Auch die altrömische Republik mit ihrer Patrizierherrschaft war eine A. Ebenso hat man das frühere Deutsche Reich in der Zeit des Verfalls der kaiserlichen Macht nicht mit Unrecht als eine A. bezeichnet. Auch in Venedig hat sich lange Zeit hindurch die aristokratische Staatsform erhalten. Wenn aber auch der Begriff der A. heutzutage als Staatsform nicht meh-von praktische. Bedeutung ist, so speicht man doch noch von A. in dem Sinne, daß man darunter eine bevorzugte Klasse der Staatsangehörigen versteht, so vom Adel als einer Geburts- oder Geschlechts- (Standes-, Erb-) A.; ferner von einer Beamten- und von einer Geldaristokratie (Plutokratie) sowie auch nicht selten von einer A. des Geistes, der ein besonderer Grad von Bildung eine bevorzugte Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft verschafft. Aristokrat wird der Zugehörige oder der Anhänger der A., namentlich der Geburtsaristokratie, genannt; Aristokratismus ist die ausgesprochene Vorliebe für aristokratische Vorrechte und Gebräuche. Aristokratisierend nennt man eine Staatsverfassung, die, wie die englische, zwar nicht die A. als Staatsform aufweist, aber gleichwohl einen gewissen aristokratischen Zug und Charakter erkennen läßt. Als aristokratische Politik bezeichnet man bisweilen eine solche, die besonders das Wohl gewisser, namentlich der wohlhabendern Klassen der Bevölkerung im Auge hat.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.