- Havana, La
Havana, La (San Cristoval de la H., spr awāna, auch Habana), Hauptstadt der Insel Cuba und wichtigster Handelsplatz Westindiens, unter 23°9´ nördl. Br. und 82°22´ westl. L., an einer weiten und bis 11 m tiefen Bucht mit engem Eingange (360 m), die sich im Innern in drei Arme spaltet: die Eusenadas von Marimelena, Guasabacoa u. Atares (s. Plan, S. 6). An die eigentliche Stadt, die 1746–1863 mit Mauern umgeben war, schließen sich im W. und SW. die Vorstädte Carmelo und Cerro, die Wohnsitze der Konsuln u. reichen Kaufleute, und Jesus del Monte am Ostufer der Bai Casa Blanca mit Schwimmdock und der Fähr- und Zuckerverladevorort Regla.
Das Klima ist angenehm (mittlere Jahrestemperatur 25°), doch forderten Gelbes Fieber, Dysenterie, Schwindsucht seinerzeit viele Opfer, und erst durch die amerikanische Militärverwaltung (1898 bis 1902) haben sich die sanitären Verhältnisse günstiger gestaltet. 1901 betrug die Sterblichkeit nur noch 17,6 vom Tausend. Die Straßen der Altstadt sind eng und schlecht gepflastert, die der neuen Stadt, die durch schöne Boulevards von jener getrennt wird, dagegen breit und regelmäßig, doch nur z. T. gepflastert. Die meist einstöckigen Häuser, zwischen die sich größere Prachtbauten drängen, gewähren in ihren weißen und bunten Farben einen freundlichen Anblick. An der mit schönen Anlagen und der Marmorstatue Ferdinands VII. geschmückten Plaza de Armas liegt die 1724 in altspanischem Stil erbaute Kathedrale, in der 1794–1899 die Gebeine des Kolumbus ruhten, die kleine Kapelle (El Templete), zum Andenken an die erste Messe, die hier nach Entdeckung der Insel unter dem Schatten einer ungeheuern Ceiba (Baumwollbaum) gehalten wurde, der unansehnliche Regierungspalast; an der Plaza de San Francisco das Zollhaus. Erwähnung verdienen noch der Palast des Bischofs, die Börse, das Tacon-Theater. Anmutige Anlagen mit Denkmälern, Blumenbeeten und Springbrunnen führen von dem an der Nordspitze gelegenen Castillo de la Punta zum Campo de Marte, mit Springbrunnen und Zentralbahnhof, und der breite, mit Bäumen bepflanzte Paseo de Tacon, die schönste Straße der Stadt, zieht von dort nach dem botanischen Garten und zu dem auf hohem Hügel thronenden Castillo del Principe, das mit dem 1589 auf steilem Felsen am Hafeneingang erbauten Castillo del Morro, dem Castillo de la Cabaña an der Ostseite der Hafeneinfahrt und dem Castillo de Atares im S. die Stadt verteidigt. Ein Arsenal mit Schiffswerften liegt am innern Hafen.
Den Verkehr in der Stadt vermitteln elektrische Bahnen. Eine großartige, 1832–37 angelegte Wasserleitung versieht sie täglich mit 120 Mill. Lit. Wasser. H. mit den Vorstädten hatte 1899: 235,981,1902: 275,000 Einw., von denen 28,8 Proz. Schwarze sind. H. ist Sitz der Regierung von Cuba, eines Bischofs, eines deutschen Berufskonsuls, eines Appellations- und eines Handelsgerichts. Für den Unterricht sorgen die 1728 durch Dominikaner gegründete und noch jetzt von ihnen geleitete Universität mit fünf Fakultäten (49 Dozenten), ein Priesterseminar, eine Kunstschule, Kriegsschule, eine technische und landwirtschaftliche Schule, ein botanischer Garten, eine von der Ökonomischen Gesellschaft unterhaltene Bibliothek, für Unterhaltung vier Theater, darunter das nahezu 4000 Zuschauer fassende Teatro Tacon, ein Stierkampfplatz etc. Die Wohltätigkeitsanstalten stehen meistens unter Obhut Barmherziger Schwestern. Unter den sieben Hospitälern verdient die sogen. Beneficencia Erwähnung, die gleichzeitig Krankenhaus, Armenhaus, Irren- und Waisenhaus in sich faßt. Die Industrie ist bedeutend in der Fabrikation von Zigarren, mit über 100 Betrieben, die seit 1902 gutenteils dem amerikanischen »Tabakstrust« unterstehen; erwähnenswert sind noch Schokoladefabrikation, Brennerei, Brauerei und Schiffbau. Von größter Wichtigkeit ist aber der Handel, da H. Mittelpunkt des spanisch-amerikanischen Verkehrs ist; derselbe richtet sich zum allergrößten Teil nach New York. Die Einfuhr (1901: 42,858,710 Doll.) erstreckt sich namentlich auf Dörrfleisch, Stockfische, Mehl, Reis, Schmalz, Wein, Öl, Steinkohlen und Fabrikwaren. Die Ausfuhr (1901: 32,869,439 Doll.) besteht vornehmlich in Zucker, Melasse, Blättertabak, Zigarren und Zigaretten, Kaffee, Honig, Wachs, Rum. In den Hafen liefen 1901: 1361 Schiffe von 2,002,689 Ton. im überseeischen Verkehr und 2278 Schiffe von 301,590 Ton. im Küstenverkehr ein. Regelmäßige Dampferverbindung besteht mit Deutschland (Hamburg-Amerikanische Paketfahrtgesellschaft), England, Spanien, Frankreich, den Vereinigten Staaten (vier Linien nach New York, Tampa etc.). Eisenbahnen führen nach Carmelo, Villanuova, Marianao, Batabano, Cienfuegos, Matanzas und Guanabacoa, die Stadt durchschneiden elektrische Bahnen und Dampfbahnen. – H. wurde 1519 auf die jetzige Stelle verlegt, nachdem es 1515 von Diego Velazquez an der Südküste, in ungesunder Gegend, nahe dem jetzigen Hafen Baracoa, gegründet worden war. Einen bedeutenden Aufschwung nahm es aber erst im 17. Jahrh., als es die Spanier zum Stapelplatz aller ihrer Besitzungen in Amerika und zum Vereinigung spunkt der Flotten machten, die das Edelmetall Perus und Mexikos nach Europa brachten. 1563 von einem französischen Seeräuber erobert, wurde die Stadt noch mehrmals von den Engländern und Franzosen, auch ein zweites Mal von Seeräubern und zuletzt (14. August 1762) wiederum von den Engländern genommen, worauf sie von 1763 bis 1895 den Spaniern gehörte.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.