- Gehirnwunden
Gehirnwunden entstehen durch Schuß, Hieb oder Sturz auf den Kopf oder durch andre äußere Gewalt, welche das Schädeldach durchbricht. Über Quetschungen des Gehirns ohne Schädelbruch s. Gehirnerschütterung und Gehirnerweichung. Die Folgen, die Wunden der Gehirnrinde hervorbringen, hängen ganz und gar von der Funktion der betroffenen Stelle und von der Ausdehnung der begleitenden Blutung ab. Das Blut ergießt sich (auch bei Stoß, Schlag, Fall auf den Schädel ohne Schädelbruch kann durch Zerreißung von Gefäßen, meist der Blutleiter, der harten Hirnhaut oder der mittlern Hirnhautarterie Blutung entstehen) zwischen harte Hirnhaut und Knochen oder zwischen erstere und die weiche Hirnhaut, und es entstehen die Zeichen des sich entwickelnden Hirndruckes. In seltenen Fällen steht die Blutung von selbst, in andern muß die Wunde mit Meißel und Hammer erweitert oder die Trepanation (s.d.) gemacht, das blutende Gefäß aufgesucht und (durch Umstechung) geschlossen werden. Sind Knochensplitter in das Gehirn eingedrungen oder Fremdkörper (Kugeln, abgebrochene Messerklingen, Teile der Kopfbedeckung), so wird man dieselben, wenn nötig, ebenfalls nach Trepanation und Erweiterung der Wunde entfernen. Denn wenn auch Fremdkörper im Gehirn einheilen können, so führen doch die meisten nach Monaten oder auch erst nach Jahren, dann meist ganz plötzlich, den Tod herbei. Verletzungen des Stirnlappens machen häufig gar keine Symptome, solche in der Gegend der Zentralwindungen, in denen die meisten Bewegungszentren liegen, sind mit gekreuzter (kontralateraler) Lähmung verbunden; die seltenen Verletzungen des Hinterhauptlappens erzeugen oft Sehstörungen, ohne daß am Sehorgan eine Veränderung nachzuweisen wäre, da hier die Seelentätigkeit des Sehens lokalisiert ist (»Seelenblindheit«). Verletzung der dritten linken Stirnwindung bedingt Aphasie (s.d.). Fast immer sind G. lebensgefährliche Verletzungen, da sie sehr häufig (bei Verletzung wichtiger Gehirnteile, so des Bodens des vierten Ventrikels) sofort oder durch nachfolgende Entzündung der Gehirnhäute den Tod bedingen oder dauernde Lähmungen und Geisteskrankheiten hinterlassen. Dennoch sind, namentlich seit Einführung der antiseptischen Wundbehandlung, viele Fälle von Heilung beobachtet worden. Erstaunliche Verletzungen des Stirnhirnes sind spurlos oder mit geringer Charakterveränderung geheilt, auch sind manchmal Geschosse spurlos eingeheilt.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.