- Forstverwaltung
Forstverwaltung. Die Verwaltungsaufgabe des Staates hinsichtlich der Waldungen erstreckt sich sachlich auf die Gebiete des Rechts, der Bildung und der Wirtschaft, in betreff des Waldbesitzstandes auf Staats-, Körperschafts- und Privatwaldungen. Soweit diese Verwaltungstätigkeit den Forstbehörden des Staates übertragen ist, bildet sie den Geschäftskreis der F. Bei der Rechtsverwaltung ist dies nur ausnahmsweise der Fall, indem mitunter den verwaltenden Forstbeamten Funktionen der Staatsanwaltschaft übertragen sind, während früher die Rechtsprechung in Forststrafsachen z. T. den Forstbehörden oblag. Die Verwaltung des forstlichen Bildungswesens erstreckt sich auf Unterricht und Wissenschaft, einschließlich der Pflege des forstlichen Vereinswesens, des forstlichen Versuchswesens und der forstlichen Statistik. Sie ist bald der F., bald der Unterrichtsverwaltung unterstellt. Den Hauptgegenstand der forstlichen Verwaltungstätigkeit des Staates bildet das forstwirtschaftliche Gebiet. Sie umfaßt die Forstpolizei zur Abwendung der dem Walde drohenden Gefahren, z. B. bei den Schutzwaldungen (s.d.), die Wirtschaftspflege zur Beseitigung der Hindernisse der Waldwirtschaft und zu ihrer Unterstützung und Förderung (Ablösung und Regulierung der Waldservituten, Bildung von Waldgenossenschaften, Unterstützung der Waldkultur), endlich die Einwirkung auf den Wirtschaftsbetrieb durch dessen Leitung oder Beaufsichtigung. Forstpolizei und Forstwirtschaftspflege sind teils den Forstbehörden, teils den Behörden der innern Verwaltung übertragen. Dasselbe gilt hinsichtlich der staatlichen Wirtschaftsleitung und Aussicht bei Körperschaftswaldungen (Waldungen der Gemeinden, öffentlichen Anstalten, Stiftungen) und Privatwaldungen (Einzelprivatwaldungen, Genossenschaftswaldungen).
Die Organe der F. gliedern sich nach der Verschiedenheit der forstamtlichen Verrichtungen. Sie lassen sich in vier Gruppen sondern, nämlich in die schützende, die verwaltende, kontrollierende und die dirigierende Funktion. Erstere hat die Aufgabe, die Substanz der Waldungen gegen Beschädigungen und Verringerungen zu schützen, die polizeiliche Ordnung in den Forsten aufrecht zu erhalten und gegen Zuwiderhandlungen aller Art einzuschreiten. Die mit dieser Aufgabe betrauten Beamten heißen Waldschützen, Waldaufseher, Waldwärter, Forstschützen, Forstaufseher, Forstwarte etc. Sie bedürfen einer praktisch-technischen Vorbildung, wenn sie, wie dies in den meisten deutschen Staaten der Fall ist, zugleich Betriebsaufsichtsbeamte, d. h. mit der Aussicht über die Arbeiten bei den Hauungen, Kulturen, Holztransport, Waldwegebau etc. betraut sind, in welchem Fall sie gewöhnlich die Amtsbenennung Hilfsförster, Förster oder Unterförster, Hegemeister erhalten. Die verwaltenden oder betriebsführenden Organe der Forstverwaltungen sind in bestimmten Bezirken (Forstämter, Oberförstereien, Reviere) mit der Führung der Wirtschaft nach Maßgabe der von der nächsthöhern Instanz zu genehmigenden Jahreswirtschaftspläne (Hauungsplan, Kultur- oder Forstverbesserungsplan, Wegebauplan etc.), mit dem Verkauf der Waldprodukte, der Anweisung zur Vereinnahmung und Verausgabung des Geldes sowie mit der Verrechnung der Materialerträge und der Betriebsausgaben betraut, kontrollieren die Beamten des Forstschutzes und erteilen ihnen alle dienstlichen Befehle. Sie führen den Amtstitel Oberförster, Forstmeister, Revierförster, Forstverwalter. Zwei bestimmt abgrenzbare Systeme lassen sich innerhalb dieses Kreises forstbeamtlicher Tätigkeit unterscheiden: das System der selbständigen, mit der Betriebsführung, Verwertung, Buchführung und Rechnungslegung in größern Revieren betrauten Revierverwalter (Oberförstersystem), das jetzt in fast allen deutschen Staaten besteht, und das System der hauptsächlich mit dem Wirtschaftsvollzug in kleinen Revieren betrauten Verwalter, denen nur ein Teil der Produktenverwertung und Buchführung zufällt, während die Verwertung des Hauptprodukts (Holz) und die Buchführung und Rechnungslegung Sache einer höhern Instanz sind (Revierförstersystem). Das Oberförstersystem bedarf praktisch-technisch gebildeter Forstschutzbeamten, das Revierförstersystem nicht. Letzteres besteht in Deutschland zurzeit nur noch in einigen kleinern Staaten. In Preußen herrscht das Oberförstersystem. Es werden jedoch in einigen Oberförstereien, die sehr umfangreich sind oder vom Sitze des Oberförsters weit entfernte Revierteile haben, besonders befähigte Förster dazu bestimmt, Geschäfte des Oberförsters in dessen Auftragund Vertretung zu besorgen. Solche Förster erhalten den Titel Revierförster. Die höhern Instanzen der F. haben im allgemeinen die Aufgabe, den örtlichen Betrieb zu kontrollieren und innerhalb der Grundlagen, die durch die Forsteinrichtungswerke gegeben sind, zu leiten, den Vollzug der Instruktionen und reglementären Bestimmungen zu überwachen, die rechnungsmäßige Darstellung der Betriebsergebnisse einer vorläufigen Revision zu unterwerfen (die definitive Rechnungsrevision erfolgt durch besondere Staatsrechnungshöfe), die Personalverhältnisse zu regeln, die Interessen des Staates als Waldbesitzers in allen Rechtsfragen wahrzunehmen, die Forsteinrichtungswerke herzustellen und zu erhalten, die Material- und Geldetats aufzustellen und ihre Erfüllung zu überwachen. Alle diese einzelnen Tätigkeiten fallen in kleinern Staaten der Zentralforstbehörde des Landes zu; in größern Staaten bestehen Mittel- (Provinzial- oder Bezirks-) Behörden, Forstdirektionen (in Preußen, Bayern und Elsaß-Lothringen die betreffenden Abteilungen der Bezirksregierungen) für die Kontrolle und Wirtschaftsleitung, die Personalsachen der untern Beamtengrade, die Vorrevision der Rechnungen etc., während die generelle Betriebsleitung, die Revision der Forsteinrichtungswerke, die Feststellung der Etats, die Personalangelegenheiten der höhern Beamten u. a. den Zentralforstbehörden obliegen. Zwischen diesen Forstdirektionsbehörden und den Revierverwaltungen stehen in manchen Staaten noch inspizierende Stellen (Forstämter, Forstinspektionen, in Sachsen Oberforstmeistereien oder Forstbezirke). Die Verbindung der Forstdirektionsbehörden mit den allgemeinen Regiminalbehörden (Provinzial- und Bezirksregierungen) ist in neuerer Zeit von manchen Seiten für unzutreffend erklärt worden, weil der Geschäftsgang erschwert und verlangsamt werde. Bei neuern Organisationen (z. B. bei der F. in Elsaß-Lothringen) hatte man daher rein technische Direktionsbehörden eingerichtet (drei Forstdirektionen zu Straßburg, Metz, Kolmar). Sie sind indessen 1881 wieder beseitigt. Anderseits kommt in Betracht, daß die Verbindung der F. mit den Regiminalbehörden die staatliche Einwirkung auf die F. der Gemeinden und Privaten erleichtert. Die Organisation der Forstdirektionsbehörden ist meist eine kollegialische. Der Chef oder Vorsitzende derselben heißt Oberforstmeister oder Forstdirektor, auch Oberforstrat (in Bayern), die Mitglieder (Räte) Forsträte. Als Zentralforstbehörden sind entweder Generaldirektionen (in Frankreich etc.) oder Ministerialabteilungen (in Preußen, Bayern, Hessen, Österreich) eingerichtet. Sie ressortieren teils vom Finanzministerium, teils vom landwirtschaftlichen (Ackerbau-) Ministerium. In den mittlern und kleinern Staaten sind die Forstdirektionsbehörden Zentralbehörden (Domänendirektion in Baden, Forstdirektion in Württemberg, Forstkollegium in Mecklenburg-Schwerin etc.). Die Direktoren (bez. Vorsitzende) der Zentralforstbehörden heißen Oberlandforstmeister (Preußen, Sachsen, Mecklenburg), Ministerialräte (Österreich, Bayern, Hessen). Forstdirektoren (bis 1866 in Hannover), die Mitglieder Landforstmeister (Preußen), Oberforsträte (Bayern, Württemberg, Hessen-Darmstadt, Baden). Mitunter sind die Vorsitzenden der Zentralforst stellen kameralistisch oder juristisch gebildete Beamte, nicht Forsttechniker (Baden, Braunschweig).
Die Forstkassenverwaltung, die gegenwärtig meist von den untern Stellen der technischen Betriebsverwaltung getrennt ist, wird von Rentmeistern, Rendanten, Kassenführern etc. geführt, die nach den Etats oder auf spezielle Anweisung der Revierverwalter, der Inspektionsbeamten oder Direktionsbehörden zahlen oder vereinnahmen. Auch die Forstgerichtsbarkeit wird heute fast in allen Staaten von den ordentlichen Gerichten, nicht mehr, wie dies früher vielfach der Fall war, von den Forstämtern, besonders Forstrüge- oder Forstbußgerichten, die früher von Forstbeamten allein oder von ihnen und rechtsverständigen Beisitzern zusammen gehalten wurden, geübt. Die Forstbeamten haben bei dem forstgerichtlichen Verfahren keine andre Funktion mehr als die der Sachverständigen und Zeugen sowie mitunter der Staatsanwaltschaft.
Mit der Staatsforstverwaltung ist in manchen Staaten und Landesteilen (Frankreich, Rheinbayern, Baden, Großherzogtum Hessen, preußische Provinz Hessen-Nassau, Teile von Hannover etc.) die Verwaltung der Körperschaftswaldungen organisch in der Art verbunden, daß sie von Staatsforstbeamten verwaltet werden (Besförsterungssystem). In andern Staaten bestellen die Körperschaften sich eigne Forstverwalter, die jedoch in bezug auf die Bewirtschaftung der ihnen anvertrauten Waldungen unter der Leitung und Kontrolle der Staatsregierung, bez. der inspizierenden und obern Staatsforstbeamten stehen (System der staatlichen Betriebsaufsicht in den preußischen Ostprovinzen, der preußischen Rheinprovinz, Westfalen, Württemberg, Bayern mit Ausnahme der Pfalz und von Unterfranken-Aschaffenburg). In noch andern Fällen (Sachsen, Anhalt etc.) besteht eine Einwirkung der Staatsorgane auf die Gemeindewaldwirtschaft nur insoweit, als sie überhaupt befugt sind, den Gemeindehaushalt und die Erhaltung des Gemeindevermögens zu überwachen (System der staatlichen Vermögensaufsicht). Auch mit der staatlichen Oberaufsicht über die Privatwaldungen, soweit eine solche gesetzlich begründet ist, sind die Staatsforstbeamten der fiskalischen Verwaltung vielfach betraut (Bayern, Baden, Hessen). Die Übertragung dieser polizeilichen Funktion, die lediglich aus der Staatshoheit entspringt, an Beamte der fiskalischen Vermögensverwaltung ist in neuester Zeit mehrfach getadelt worden. Die (staatsrechtliche) Befugnis, die Privatforstwirtschaft zu überwachen, ist deshalb in Österreich (beim Mangel an Staatsforstbeamten) besondern Organen übertragen, die mit der auf wesentlich privatrechtlichen Grundlagen beruhenden Staatsvermögensverwaltung nichts gemein haben. Solche Organe, die den Vollzug des Forstgesetzes (Forstpolizeigesetzes) zu überwachen haben, sind in Österreich die Landesforstinspektoren und die diesen unterstellten Bezirksforsttechniker. Vgl. Micklitz, Forstliche Haushaltungskunde (2. Aufl., Wien 1880); »Die staatliche Forstaufsicht in Österreich«, herausgegeben vom k. k. Ackerbauministerium (das. 1900); Albert, Lehrbuch der F. (Münch. 1883); Schwappach, Handbuch der Forstverwaltungskunde (Berl. 1884); Schlieckmann, Handbuch der Staatsforstverwaltung in Preußen (3. Aufl., das. 1900); Graner, Forstgesetzgebung und F. (Tübing. 1892).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.