Feuerwerkerei

Feuerwerkerei

Feuerwerkerei (Pyrotechnik), Anfertigung und Gebrauch von Gegenständen, die aus mehr oder minder heftig brennenden Materialien in verschiedenen Formen hergestellt werden und vermöge ihrer Feuerwirkung entweder zu Kriegszwecken Verwendung finden sollen (Kriegsfeuer), oder zur Belustigung dienen (Lust- oder Kunstfeuerwerk).

1) Die Kriegsfeuerwerkerei umfaßt die Anfertigung und Aufbewahrung sämtlicher in der Armee zur Anwendung kommenden Kriegsfeuer, die Munition für Geschütze und Handfeuerwaffen, die Zündungen und besondere Feuerwerkskörper. Die Anfertigung der Kriegsfeuer geschieht teils in den Laboratorien, teils in technischen Instituten (Staatswerkstätten), wenn sie besondere Fabrikeinrichtungen und geübtes Personal erfordern, wie z. B. die Anfertigung der Raketen, Zünder, Schlagröhren etc.

2) Lust- oder Kunstfeuerwerkerei. Ein Feuerwerk besteht aus einer Anzahl einzelner Feuer, die einzeln nacheinander oder ihrer mehrere zugleich abgebrannt werden. Eine zweckmäßige derartige Zusammenstellung vermag wesentlich zur Erhöhung des Effekts, den das ganze Feuerwerk hervorbringen soll, beizutragen. Jedes in der F. benutzte brennbare Gemenge nennt man einen Satz. Man unterscheidet Flammenfeuersätze, die schönes intensives Licht und tief gefärbte Flamme geben, und Funkenfeuersätze, die nur einen funkenreichen Feuerstrahl erzeugen sollen. Erstere sind Flammensätze zur Beleuchtung von Gebäuden, lebenden Bildern etc., Lichtersätze oder Lanzen mit langsam verbrennenden weißen oder farbigen Sätzen zur Herstellung von Namenszügen, architektonischen Gegenständen, Dekorationen etc. mit ruhiger, intensiv gefärbter Flamme, Leuchtkugelsätze, die während ihres Fluges durch die Luft verbrennen. Die Funkenfeuersätze geben nur einen schönen Funkenstrahl (Stillfeuersätze, Brillantsätze, Brillantfeuer), oder sie entwickeln zugleich so viel Gas, daß sie rückwirkende Kraft auf die Hülse ausüben können, und dienen dann zu Feuerwerksstücken, denen man eine Bewegung erteilen will. Nach der Heftigkeit, mit der die Verbrennung erfolgt, unterscheidet man rasche und faule Sätze, doch hängt die Bezeichnung wesentlich mit von der Verwendung ab: ein rascher Flammensatz brennt lang samer als ein fauler Raketensatz. Um einen faulen Satz in einen raschen oder umgekehrt zu verwandeln, genügt es meist, das Verhältnis seiner Bestandteile zu ändern. Fundamentalsätze der F. sind der Salpeterschwefel (3 Teile Salpeter, 1 Teil Schwefel), Chlorkalischwefel (125 Teile chlorsaures Kali, 35 Teile Schwefel) und Pulversatz, zu Mehl zerriebenes Schießpulver. Grauer Satz ist Salpeterschwefel mit 8 Proz. Mehlpulver. Die schönsten strahlenden Funken geben Eisen- oder Stahlfeilspäne, dann Messing-, Kupfer- und Zinkspäne sowie Porzellanpulver; glühende Funken erhält man durch Zusatz gesiebter grober Kohle (Goldregen). Alle diese Sätze werden in die Papierhülsen mit Stempel und Schlägel fest und gleichmäßig eingeschlagen, nur Schwärmer (Hülsen von 1 cm Durchmesser) werden am besten möglichst ungleichmäßig geschlagen. Die Röhren (Hülsen) sind am Brandende gewürgt, d. h. bis auf einezen trale Öffnung (die Kehle) von 1/3-14 des Kalibers der Hülfe zusammengeschnürt, gebunden und geleimt. Beim Schlagen steht dies Ende unten. Auf die letzte Schicht Satz bringt man in der Regel einen Schlag von Kornpulver und schließt dann die Röhre durch eine Tonschicht. Röhren, die nacheinander brennen sollen, werden in-entsprechender Reihenfolge mittels Zündschnur zur Übertragung des Feuers verbunden. Die Zündschnur besteht aus Fäden von Baumwollgarn, in Anfeuerung getränkt. Leitfeuer, zum Verbinden entfernter Röhren dienend, ist eine Zündschnur, durch etwa 0,5–0,7 cm weite Papierhülsen gezogen. Zündlichte sind dünne Papierhülsen, mit Zündlichtersatz (grauer Satz und Kolophon) geschlagen, die zum Anzünden des Feuerwerks dienen. Lunte besteht aus Hanfschnüren, in salpetersaurem Blei getränkt und mit Schwefel, Salpeter oder salpetersaurem Strontian überzogen; dient zur Darstellung von Namenszügen u. dgl. Drei- oder mehrrohrige Räder, 1–1,5 m lange, gerade oder S-förmig gebogene Arme u. dgl. m. drehen sich vermöge der durch die ausströmenden Gase hervorgerufenen Reaktion um eine Achse: Drehfeuer, wie die Pastillen mit spiralförmig auf eine drehbare Achse aufgewickelten Hülsen, der Umläufer mit funkengebendem Treibsatz, die Tafelraketen (Tourbillons), die sich horizontal um ihre Achse drehen und dabei aufsteigen, der Drache oder das Schnurfeuer, der an einem Draht hin und her gleitet etc. Stehende Feuer sind Sonnen oder Sterne, deren Strahlenzahl mehrfach nacheinander wechseln kann. Die Sonnen- und Rad scheiben werden meist noch mit farbigen Lichtchen besetzt. Im übrigen können die Röhren, je nach der Phantasie des Verfertigers, zu den mannigfachsten Figuren zusammengestellt werden, in deren geschmackvollen Formen und Wechseln oft der Effekt des Feuerwerks und der Erfolg mancher Lustfeuerwerke beruht. Hervorzuheben sind die Kaskaden, der Palmenbaum, der Blumenstrauß (Fontäne von Funkenfeuer). Der Feuerkopf (pot à feu) ist eine in einer Büchse stehende Brillantröhre, die zum Schluß eine Menge Leuchtkugeln oder Schwärmer auswirft; beim Bienenschwarm geschieht dies einzeln nach und nach. Kanonenschläge sind runde oder eckige, mit Pulver gefüllte und einem Zünder versehene Körper aus Pappe oder Holz mit geleimter Umwickelung von Bindfaden oder Zeug; je fester die Wandung, desto stärker der Knall. Schwärmer sind kleine Papierröhren, mit Funkenfeuersatz gefüllt, die beim Anzünden in schlangenförmigen Linien hin und her fahren und mit einem Knall verlöschen. Frösche sind Papierhülsen, durch die Zündschnur gezogen ist. Sie werden mehrfach scharf zusammengekniffen und-gebunden. Die brennende Zündschnur zerreißt mit einem Knall die Ecken, wobei der Frosch hin und her hüpft. Raketen (s.d.) sind über einen konischen Dorn mit Satz in der Weise vollgeschlagene Papierhülsen, daß sie eine zentrale Höhlung, Seele, erhalten. An ihrem vordern Ende befestigt man eine mit Sternfeuer, Schwärmern oder einem Kanonenschlag gefüllte Papierhülse, auf die eine konische Spitzkappe gesetzt wird. Diese Versetzung wird im Kulminationspunkt der Flugbahn entzündet und ausgestoßen und fällt brennend zur Erde. Bei Fallschirmraketen ist an ein Tuch von dünnem Zeug durch Fäden ein mit Leuchtsatz gefüllter Blechzylinder befestigt, der, entzündet, durch den ausgestoßenen und ausgebreiteten Fallschirm getragen, leuchtend in der Luft schwebt. Bei Zimmerfeuerwerken werden nur kleine Hülsen verwendet, deren Satz bei der Verbrennung keine giftigen Dämpfe ausstoßen darf. Wasserfeuerwerke sind im allgemeinen den erstbeschriebenen gleich; die einzelnen Feuer werden auf schwimmenden Brettern befestigt; sollen sie aber im Wasser selbst schwimmen, wie die Taucher, Schnarcher, so werden die Hülsen mit einem wasserdichten Firnis überzogen.

Nachstehend geben wir einige Zusammensetzungen von Sätzen, bemerken aber, daß es Regel ist, alle Sätze vor ihrer Anwendung zu probieren. Treibsätze: 4 Mehlpulver, 1 grobe Kohle, Metallspäne oder Porzellanpulver. Raketensatz: 8 Mehlpulver, 3 gut gesiebte grobe Kohle. Faule Sätze: 8 Mehlpulver und 5 Kohle, Metallspäne etc. Bei den Flammenfeuern kommt Mehlpulver nur selten zur Anwendung; an seine Stelle tritt das chlorsaure Kali, und man bereitet sich, ähnlich wie den Salpeterschwefel, aus 80 chlorsaurem Kali und 20 Schwefel den Chlorkalischwefel als Fundamentalsatz. Zu farbigen (bengalischen) Flammen dienen folgende Mischungen: Weiß: 20 Schwefel, 60 Kaliumnitrat, 5 Schwefelantimon, 15 Mehlpulver; Blau: 54,5 Kaliumchlorat, 18,1 Holzkohle, 27,4 Kupferammonsulfat; Rot: 29,7 Kaliumchlorat, 17,2 Schwefel, 1,7 Holzkohle, 45,7 Strontiumnitrat, 5,7 Schwefelantimon; Grün: 32,7 Kaliumchlorat, 9,8 Schwefel, 5,2 Holzkohle, 52,8 Baryumnitrat; Gelb: 23,6 Schwefel, 3,8 Holzkohle, 9,8 Natriumnitrat, 62,8 Kaliumnitrat. 20 Salpeter, 5 Schwefel, 4 Schwefelkadmium, 1 Kohle geben eine prachtvolle weiße, blau gesäumte Flamme. Für nicht gestopfte Flammen: Rot: 9 salpetersaurer Strontian, 3 Schellack, 1,5 chlorsaures Kali; Grün: 9 salpetersaurer Baryt, 3 Schellack, 1,5 chlorsaures Kali; Blau: 8 schwefelsaures Kupferoxydammoniak, 3 Schellack, 6 chlorsaures Kali. Ausgezeichnete Resultate wurden durch Benutzung von Magnesiumpulver erzielt. Für weißes Feuer schmelzt man 1 Schellack mit 6 salpetersaurem Baryt zusammen, mahlt dies und setzt 2,5 Proz. Magnesiumpulver zu. Rotes Feuer geben 1 Schellack, 5 salpetersaurer Strontian und 2,5 Proz. Magnesiumpulver. Der Friktionssatz für den Reibapparat der Friktionsschlagröhren (s. Zündungen) besteht aus 20 chlorsaurem Kali, 18 Schwefelantimon, 12 Mehlpulver, 10 Glaspulver, 1 Gummiarabikum, 30 Wasser; der für Zündspiegel, Zündpillen in den Schrapnellzeitzündern aus einer ähnlichen Mischung ohne Glaspulver. Vgl. Loden, Lustfeuerwerkerei (10. Aufl., Leipz. 1898); v. Nida, Katechismus der Lustfeuerwerkerei (das. 1883); Eschenbacher, Die F. (3. Aufl., Wien 1897); Pirker, Die vornehme Kunstfeuerwerkerei (Klagenfurt 1892); F. S. Meyer, Die F. als Liebhaberkunst (Leipz. 1898); Bujard, Leitfaden der Pyrotechnik, nebst Besprechung der einschlägigen Polizeiverordnungen etc. (Stuttg. 1899).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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