- Ferstel
Ferstel, Heinrich, Freiherr von, Architekt, geb. 7. Juli 1828 in Wien, gest. 14. Juli 1883 in Grinzing bei Wien, machte seine Studien 1847–51 in der Architekturschule der Wiener Akademie, wo er sich besonders an van der Nüll und Siccardsburg anschloß, und betätigte sein Talent unter Leitung seines Oheims Stache zuerst durch mehrere Schloßbauten und Restaurationen in Böhmen. Im Begriff, eine Reise nach Italien anzutreten, beteiligte er sich 1853 an der Konkurrenz um die Votivkirche für Wien. Nach Vollendung der Arbeit trat er seine Reise nach Italien an, wo ihn in Neapel die Nachricht des Sieges traf; weitere Reisen führten ihn nach Frankreich, England und den Niederlanden. Nach seiner Rückkehr begann er 1856 den Bau der gotischen, an die besten französischen Muster des 13. Jahrh. sich anschließenden Kirche, die 1875 vollendet wurde. Während der Ausführung dieses Baues entstanden das Gebäude für die österreichisch-ungarische Bank in Wien, die Kirche in Schönau bei Teplitz, die protestantische Kirche in Brünn, der Palast des Erzherzogs Ludwig Viktor in Wien, das Osterreichische Museum für Kunst und Industrie (s. Tafel »Wiener Bauten III«), das chemische Institut, der Liechtensteinsche Palast in der Roßau zu Wien. Ferstels hervorragendstes Werk nächst der Votivkirche ist die Universität in Wien, im Stile der italienischen Renaissance mit einem Hallenhof von großartiger monumentaler Wirkung. 1866 wurde er als Professor der Baukunst an die Technische Hochschule zu Wien berufen, 1869 geadelt und 1871 zum Oberbaurat ernannt. F. hat durch seine Entwürfe und Schöpfungen der modernen Wiener Architektur ihre charakteristische Richtung im Geiste der italienischen Hochrenaissance gegeben. Mit Eitelberger schrieb er die Broschüre »Das bürgerliche Wohnhaus und das Wiener Zinshaus« (Wien 1860). Von seinen spätern Schöpfungen sind noch zu nennen: das Rathaus in Tiflis, das Verwaltungsgebäude des Österreichisch-Ungarischen Lloyd in Triest und der Hochaltar für die Kirche des Schottenstifts in Wien. Vgl. »H. Freiherr v. F.«, Festschrift zur Enthüllung seines Denkmals (Wien 1884).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.