Erdmagnetismus

Erdmagnetismus

Erdmagnetismus (hierzu die Karten »Erdmagnetismus I u. II«). Die Erde verhält sich wie ein großer Magnet, dessen Nordpol nach S. gewendet ist. Eine horizontal frei schwebende Magnetnadel nimmt überall eine ganz bestimmte Ruhelage ein, derart, daß das eine Ende, der Nordpol, stets mehr oder weniger nach N., der andre, der Südpol, nach S. zeigt. Das eine Ende wird also scheinbar vom Nordpol der Erde angezogen, in dem wir dann natürlich Südmagnetismus annehmen müssen, das andre vom geographischen Südpol, dem wir Nordmagnetismus zuzuschreiben haben. Zur vollständigen Bestimmung der Richtung und Größe der erdmagnetischen Kraft an irgend einer Stelle ist die Kenntnis dreier Größen erforderlich (Elemente des E., erdmagnetische Elemente, magnetische Elemente): der Deklination, Inklination und Intensität (Horizontalintensität). Durch die Deklination wird der Winkel angegeben, den die erdmagnetische Kraft mit dem geographischen Meridian bildet, durch die Inklination derjenige, unter dem sie gegen den Horizont geneigt ist. Zur Ermittelung der Intensität des E. genügt es, die Größe nur einer der Komponenten zu bestimmen, als die man meist die Horizontalintensität nimmt.

1) Deklination. Denkt man sich durch die magnetische Achse einer in horizontaler Ebene drehbaren Magnetnadel (Textfig. 1), nachdem sich diese unter dem Einfluß des E. eingestellt hat, eine Vertikalebene (a b) gelegt, so ist diese der magnetische Meridian; derselbe macht mit dem astronomischen Meridian (SN) des Beobachtungsortes einen Winkel, den man die magnetische Deklination (Abweichung, früher auch Variation) nennt.

Fig. 1. Deklinationsnadel.
Fig. 1. Deklinationsnadel.

Die Deklination hat an verschiedenen Orten der Erdoberfläche ungleiche Werte und ist östlich oder westlich, je nachdem das Nordende der Nadel östlich oder westlich vom astronomischen Meridian liegt. In unsern Gegenden ist die Deklination westlich und beträgt gegenwärtig in Berlin fast 10°. Einen Überblick über die Deklinationsverhältnisse der Erdoberfläche gewährt die Deklinationskarte (Tafel I, Fig. 1), auf der alle Orte gleicher Deklination durch krumme Linien verbunden sind; diese Kurven gleicher magnetischer Deklination heißen Isogonen (früher Halleysche Linien). Alle Isogonen laufen in zwei den Erdpolen nahe gelegenen Punkten zusammen, von denen der eine im arktischen Nordamerika unter ca. 70° nörld. Br. und 96° westl. L., der andre im Südlichen Eismeer südlich von Neuholland unter ca. 74° südl. Br. und 148° östl. L. liegt, und die als die magnetischen Pole der Erde anzusehen sind; der im N. gelegene ist ein magnetischer Südpol, der südliche ein magnetischer Nordpol. Außerdem treffen die Isogonen an den Erdpolen selbst zusammen, so daß der Verlauf in der Nähe der Pole ein eigentümlicher wird. Eine Linie ohne Abweichung, d. h. eine solche, auf der die Richtung der Magnetnadel Überall mit dem astronomischen Meridian zusammenfällt (Agone), schneidet die Ostecke von Südamerika ab, läuft durch das Karaibische Meer, um in der Gegend von Charleston in den Kontinent von Nordamerika einzutreten und durch die Hudsonbai hindurchzulaufen. Dann geht sie durch den magnetischen Südpol und den geographischen Nordpol, über das Nordkap, durch das Schwarze Meer, das Arabische Meer, den Indischen Ozean und wendet sich nun nach der Westküste Australiens, um endlich durch den magnetischen Nordpol und geographischen Südpol der Erde in sich selbst zurückzulaufen. Auf dem Atlantischen Ozean, in Europa und Afrika ist die Deklination fast überall eine westliche, auf der andern, durch die beschriebene Linie bezeichnete Erdhälfte, ist die Deklination eine östliche, mit Ausnahme eines kleinern ovalen Gebietes im östlichen Asien und dem angrenzenden Meer, wo eine zweite, in sich selbst zurücklaufende Linie ohne Abweichung vorkommt, in deren Innern die Deklination wieder westlich ist.

Die Isogonen besitzen eine große praktische Bedeutung für den Seefahrer; Halley entwarf 1701 eine Deklinations- oder Variationskarte für den Atlantischen und Indischen Ozean. Ein Vergleich dieser ältesten Isogonenkarten mit den jetzigen zeigt eine ganz bedeutende Änderung sowohl in der Lage als der Gestalt der Isogonen, dieselben sind also bedeutenden zeitlichen Änderungen unterworfen. So ging z. B. die Linie ohne Abweichung 1492 durch die Azoren, 1673 durch Berlin, 1885 durch St. Petersburg. Ein zur absoluten Messung der Deklination bestimmter Apparat heißt Deklinatorium (Deklinationsbussole). Einen einfachen Apparat dieser Art zeigt Textfig. 2. In einem dosenartigen Gehäuse ist eine Magnetnadel auf eine Spitze aufgesetzt; an der Seite des Gehäuses, das um eine vertikale Achse gedreht werden kann, ist ein Fernrohr angebracht, dessen Achse mit dem Durchmesser 0–180° des Teilkreises parallel läuft.

Fig. 2. Deklinationsbussole.
Fig. 2. Deklinationsbussole.

Hat man den Apparat so gestellt, daß die Nadel über 0–480° steht, so fällt die Achse des Fernrohrs in den magnetischen Meridian; bringt man dann das Fernrohr in den astronomischen Meridian, den man mit Hilfe des Polarsterns oder der Sonne festgelegt hat, so gibt die Differenz der beiden Einstellungen die Deklination an. Das Instrument kann auch zum Messen beliebiger Winkel benutzt werden (Feldbussole). Die zum Schiffsgebrauch dienende Deklinationsbussole ist der Kompaß. Zu sehr genauen Deklinationsbestimmungen gebraucht man den magnetischen Theodolit, eine Vereinigung eines mit Horizontalkreis versehenen astronomischen Theodoliten mit einem Magnetometer, die zur präzisen Bestimmung sowohl der Deklination als auch der Horizontalintensität dient (s. Magnetometer).

2) Inklination. Wird eine Magnetnadel, die um eine horizontale, durch ihren Schwerpunkt gehende Achse drehbar ist (Textfig. 3), so aufgestellt, daß ihre Drehungsebene in den magnetischen Meridian fällt, so nimmt ihre Achse eine zum Horizont geneigte Stellung ein, und zwar neigt sich auf der nördlichen Halbkugel der Nordpol, auf der südlichen der Südpol der Nadel nach abwärts. Der Winkel, den die Achse der Nadel mit der Horizontalen bildet, heißt die magnetische Inklination oder Neigung. Die erste Beobachtung und Messung der Inklination soll von dem Kompaßmacher Hartmann in Nürnberg 1544 gemacht sein. Nach ihm wurden weitere Inklinationsmessungen von R. Norman in London angestellt (1576), und seither zahlreiche Messungen an allen Teilen der Erde. In Berlin beträgt die Inklination gegenwärtig reichlich 66°. Sie nimmt nach N. hin zu, bis sie am magnetischen Nordpol selbst, der von Roß 1831 im arktischen Nordamerika unter 70°5' nördl. Br. und 96°46' westl. L. erreicht wurde, = 90° wird. Die Inklinationsnadel stellt sich hier genau senkrecht zur Erdoberfläche, daher denn auch der Schiffskompaß in hohen Breiten unbrauchbar wird. Auch dem magnetischen Südpol kam Roß 1841 sehr nahe, ohne ihn ganz zu erreichen. Er fand unter etwa 73° südl. Br. und 147° östl. L. eine Inklination von 88°56'.

Fig. 3. Inklinationsnadel.
Fig. 3. Inklinationsnadel.

Die Verteilung der Inklination über die Erdoberfläche wird veranschaulicht durch die Inklinationskarte (Tafel I, Fig. 2), auf der die Orte mit gleicher Inklination durch je eine krumme Linie verbunden sind; diese Linien werden Isoklinen genannt. Die erste Isoklinenkarte der Erde wurde 1768 von dem Schweden Wilcke herausgegeben; vor ihm, 1720, hatte jedoch der Engländer Whiston schon eine Isoklinenkarte für den Südosten von England entworfen. Die Izoklinen verlaufen nicht genau parallel den Parallelkreisen, wie es bei einer gleichmäßigen Magnetisierung der Erdkugel zu erwarten wäre. Die Nullisokline (Akline, magnetischer Äquator), längs der also die Inklinationsnadel horizontal steht, verläuft in der Äquatorialzone teils diesseit, teils jenseit des geographischen Äquators. In Ostafrika u. Südasien bewegt sich der magnetische Äquator bis zu 10° nördl. Br., in Südamerika bis zu 15° südl. Br.

Fig. 4. Inklinationsbussole.
Fig. 4. Inklinationsbussole.

Zur absoluten Bestimmung diente bisher fast ausschließlich das Nadelinklinatorium oder die Inklinationsbussole (Textfig. 4, das Instrument ist bestimmt, auf das Fußgestell der Deklinationsbussole [Textfig. 2] gesetzt zu werden), in neuester Zeit wendet man jedoch auch häufig den Erdinduktor (s.d. und Magnetometer) an.

3) Intensität. Die Stellung der Inklinationsnadel gibt die Richtung an, nach der an jedem Orte die totale erdmagnetische Kraft wirkt. Die Wirkung des E. auf eine Magnetnadel ist nur eine richtende und keineswegs eine fortbewegende; denn die entgegengesetzten Kräfte, die jeder Erdpol auf die beiden Pole der Nadel ausübt, sind wegen der ungeheuern Entfernung des Erdpols von der Nadel einander gleich und parallel und bilden sonach ein Kräftepaar, das nur eine drehende, nicht aber eine fortschreitende Bewegung hervorzubringen vermag. Entfernt man eine Inklinations- oder Deklinationsnadel ein wenig aus ihrer Gleichgewichtslage, so kehrt sie dahin zurück vermöge einer Reihe von Schwingungen, die genau dieselben Gesetze befolgen wie die Schwingungen eines Pendels. Läßt man ein und dieselbe Magnetnadel an verschiedenen Orten der Erdoberfläche schwingen, so kann man aus der Anzahl der Schwingungen, die sie in einer Sekunde macht, auf das Verhältnis der erdmagnetischen Kräfte an diesen Orten schließen; diese Kräfte verhalten sich nämlich wie die Quadrate der beobachteten Schwingungszahlen. Aus den Schwingungen einer Inklinationsnadel würde man auf diese Weise die ganze erdmagnetische Kraft oder die totale Intensität kennen lernen, während auf die Deklinationsnadel nur die horizontale Komponente der totalen Kraft oder die horizontale Intensität einwirkt. Da jedoch die Deklinationsnadel genauere Beobachtungen gestattet als die Inklinationsnadel, so zieht man vor, mit Hilfe der erstern nur die horizontale Intensität direkt zu bestimmen, woraus sich alsdann die totale Intensität, wenn die Inklination bekannt ist, leicht berechnen läßt.

Durch Schwingungsbeobachtungen erhält man jedoch nur relative Bestimmungen der Intensität. Um auch deren absoluten Wert zu erhalten, wendet man jetzt durchweg das Gaußsche Verfahren an. Einmal läßt man einen Magnetstab im magnetischen Meridian schwingen, und sodann lenkt man mit demselben Stab eine Deklinationsnadel aus einer bestimmten Richtung und Entfernung ab. Durch die Schwingungsbeobachtungen erhält man das Produkt vom magnetischen Moment des Stabes und Horizontalintensität, durch die Ablenkungen den Quotienten dieser beiden Größen. Eine Kombination der beiden Resultate ergibt daher leicht jede einzelne derselben, also sowohl das magnetische Moment als auch (worauf es besonders ankam) die Horizontalintensität, beides in absolutem Maße. Gauß wählte als Einheit der erdmagnetischen Kraft diejenige, die in einer Sekunde der Masse 1 mg die Beschleunigung 1 mm erteilt. Um diese Gaußsche Einheit auf die jetzt gebräuchliche absolute, die sogen. Centimeter-Gramm-Sekunden-Einheit (C.-G.- S.-Einheit) zurückzuführen, muß man sie durch 10 dividieren. Zur absoluten Messung der Horizontalintensität gebraucht man jetzt auch meistens den magnetischen Theodoliten, also dasselbe Instrument, mit dem auch die Deklination gemessen wurde (s. Magnetometer). Die Verteilung der totalen erdmagnetischen Kraft über die Erdoberfläche wird zur Anschauung gebracht durch die Linien gleicher Intensität oder Isodynamen (Horizontal-Isodynamen, d. h. Linien gleicher Horizontalintensität). Die magnetische Totalintensität nimmt im allgemeinen vom Äquator gegen die Pole hin zu; den größten Wert erreicht sie jedoch nicht an den Polen selbst, sondern auf der nördlichen Halbkugel finden wir zwei Punkte höchster magnetischer Kraft, den einen in Nordamerika in ca. 72° nördl. Br. und 90° westl. L., den andern, weniger sicher, in Nordostasien unter ca. 65° nördl. Br. und 118° östl. L. Auch auf der Südhemisphäre finden sich zwei ziemlich nahe beieinander liegende Stellen größter Intensität, in 65° südl. Br. und 140° östl. L. und 50° südl. Br. und 120° östl. L. Die absolut geringste Intensität zeigt sich unter ca. 20° südl. Br. auf einem kleinen Gebiet im Atlantischen Ozean, nahe der Küste von Südamerika. Hier beträgt die Totalintensität ungefähr 0,2 C.-G.-S.-Einheiten, während sie an dem stärkern Fokus der Südhemisphäre den Maximalwert von etwa 0,7 C.-G.- S.-Einheiten erreicht. Bei der Horizontalintensität (Tafel I, Fig.3) ziehen sich die höchsten Werte in der Gegend des Äquators um die ganze Erde herum. Nach den Polen zu nimmt die Horizontalintensität ab, ein Minimum findet sich zu ungefähr 0,01 absoluter Einheit über dem Arktischen Archipel Nordamerikas.

4) Potential, Gleichgewichtslinien, magnetische Meridiane. Durch Deklination, Inklination und Intensität sind Richtung und Größe der erdmagnetischen Kraft vollständig bestimmt. Gauß hat nun einen mathematischen Ausdruck aufgestellt, das magnetische Potential, aus dem sich sämtliche drei Elemente für jeden durch Breite und Länge bestimmten Punkt mit Leichtigkeit berechnen lassen, sobald auch nur von acht über die Erdoberfläche verteilten Orten die Werte dieser drei Elemente durch direkte Bestimmungen bekannt sind. Auch geben die Linien gleichen Potentials oder die magnetischen Gleichgewichtslinien in Gaußschen Einheiten (Tafel II, Fig. 1) das einfachste Bild von den magnetischen Verhältnissen unsrer Erdoberfläche; aus ihrem Laufe läßt sich z. B. die Richtung der Deklinationsnadel an jedem Orte leicht erkennen, indem sie stets rechtwinklig zu den Gleichgewichtslinien steht. Denkt man sich auf diesem Kärtchen ein System von Linien gezogen, welche die Gleichgewichtslinien senkrecht durchschneiden, so erhält man die magnetischen Meridiane, während die Gleichgewichtslinien selbst als magnetische Parallelkreise aufgefaßt werden können.

5) Variationen, Störungen, Zusammenhang der magnetischen Erscheinungen mit Polarlicht und Sonnenflecken. Sämtliche Elemente des E. behalten auch an ein und demselben Orte nicht den nämlichen Wert, sondern sind fortwährenden Schwankungen unterworfen, die teils regelmäßig und periodisch eintreten, teils unregelmäßig und plötzlich. Die erstern nennt man Variationen, die letztern Störungen. Bei den Variationen unterscheidet man wieder tägliche, jährliche und Säkularvariationen, d. h. solche, die nach Tageszeiten, Jahreszeiten und längern Zeiträumen wechseln. Für die einzelnen Elemente gestalten sich diese Variationen in unsern Gegenden etwa folgendermaßen:

Deklination. Im Jahresmittel tritt gegen 8 Uhr morgens das Minimum der Deklination ein, d. h. die Magnetnadel hat ihre östlichste Stellung erreicht. Dann bewegt sich ihr Nordende ziemlich rasch gegen W. und erreicht hier den Wendepunkt zwischen 1 u. 2 Uhr nachmittags, um sodann wieder nach O. zurückzukehren, was in den Nachmittags- und Abendstunden rascher geschieht als in den Nachtstunden. Der Winkel zwischen dem östlichsten und westlichsten Stande der Magnetnadel, die sogen. tägliche Amplitude, beträgt im Jahresmittel ungefähr 8 Minuten, sie ist im Sommer (11') größer als im Winter (6'). In den verschiedenen Monaten weicht der tägliche Gang etwas ab von dem hier geschilderten; wie er sich im einzelnen gestaltet, ist aus Tafel II, Fig. 3, leicht ersichtlich. Auf der Südhemisphäre bewegt sich die Magnetnadel in mittlern Breiten in gerade umgekehrtem Sinne. Nach Faraday verhalten sich die täglichen Variationen des E. gerade so, wie wenn sie durch zwei magnetische Pole erzeugt würden (einen Nordpol in der südlichen, einen Südpol in der nördlichen Hemisphäre), die in der Atmosphäre der Erde der scheinbaren Bewegung der Sonne folgen. Wiewohl also die tägliche Variation offenbar mit dem Stande der Sonne in Beziehung steht, so kann doch eine völlig befriedigende Erklärung der Ursachen des täglichen Ganges der erdmagnetischen Erscheinungen immer noch nicht gegeben werden. Als höchst wahrscheinlich darf allerdings wohl angenommen werden, daß sie wesentlich durch Kräfte bedingt werden, die oberhalb der Erdoberfläche ihren Sitz haben, und daß es wahrscheinlich elektrische Ströme sind, die in der Atmosphäre verlaufen, und die ein ganz bestimmtes System von Kräften erzeugen, das im Laufe des Tages einmal um die Erde läuft.

Die jährliche Variation der Deklination ist von sehr geringem Betrage, bei uns etwa von 0,4'. Sie hängt offenbar von der verschiedenen Stellung ab, welche die Sonne in den verschiedenen Jahreszeiten zu den beiden Hemisphären der Erde einnimmt. Bis zur Zeit des höchsten Sonnenstandes wächst die Deklination in unsern Gegenden, nimmt dann jedoch wieder ab, um zur Zeit des tiefsten Sonnenstandes ein Minimum zu erreichen.

Säkulare Variationen erfolgen zwar sehr langsam, wachsen aber, indem sie im Laufe der Jahre in gleichem Sinne fortschreiten, allmählich zu beträchtlicher Größe an. So war z. B. in Frankreich 1580 die Deklination 11°30' östlich, nahm sodann beständig ab und wurde 1663 gleich Null; von jener Zeit an wurde sie westlich, bis sie 1814 mit 22°34' ihr westliches Maximum erreichte; seitdem nimmt die westliche Deklination wieder ab. In Deutschland beträgt ihre jährliche Abnahme im Durchschnitt 6 Minuten, doch verringert sich auch die Säkularvariation hier jetzt beständig, wodurch darauf hingedeutet wird, daß die Deklination sich wiederum einem Wendepunkt nähert, und zwar einem Minimum. Freilich dürften noch über 100 Jahre vergehen, bis z. B. in Berlin die Deklination 0° erreicht wird. Der mittlere Betrag der Säkularvariation der Deklination für die ganze Erde ist aus Tafel II, Fig. 2, leicht zu entnehmen. Auch die Säkularvariationen scheinen einen periodischen Charakter, wenn auch von sehr langer Dauer, zu besitzen. So berechnete Weyer eine Deklinationsperiode von 420 Jahren, Felgenträger eine solche von 477 Jahren. Die Ursache der Säkularvariationen kennt man noch nicht.

Inklination. Die tägliche Periode der Inklination wurde zuerst 1827 von Arago bemerkt; das Maximum der Inklination wird bei uns gegen 10 und 11 Uhr vormittags erreicht, die Nadel ist dann am stärksten gegen den Horizont geneigt. Danach hebt sie sich wieder, und es tritt ein schwach ausgebildetes Minimum ein, das sich über die Nachtstunden erstreckt. Eine ähnliche tägliche Bewegung macht die Inklinationsnadel auch in den mittlern Breiten der Südhemisphäre; auf beiden Halbkugeln ist also die Inklination größer, wenn die Sonne über dem Horizont steht. Dagegen ist in den Tropen die Inklination während der Nacht größer als am Tage. Im Mittel beträgt die Tagesamplitude der Inklination bei uns 1 1/2' im Jahr, im Sommer reichlich 2', im Winter reichlich 1'. Wie sich die Erscheinung in den einzelnen Monaten gestaltet, kann man aus Tafel II, Fig. 4, unmittelbar entnehmen.

Die jährliche Periode der Inklination beträgt bei uns ca. 1', sie ist also fast doppelt so groß wie bei der Deklination, und zwar fällt das Maximum in den Februar, das Minimum in den Juni und Juli. Da dies in beiden Hemisphären zugleich eintritt, so ist also der Wert der Inklination wahrscheinlich von der Sonnennähe abhängig. Bezüglich der säkularen Variation der Inklination ist zu bemerken, daß die Isoklinen eben solchen Veränderungen unterworfen sind wie die Isogonen. Die Akline ging 1700 unter 35° östl. L. durch den Äquator, 1780 unter 10° östl. L., 1837 unter 0°40' östl. L. und 1885 unter 5° westl. L. Daraus schon ersieht man, daß von 1700 ab eine fortschreitende Bewegung von O. nach W. stattgefunden hat. Da nun, wie aus Tafel I, Fig. 2, ersichtlich, die Isoklinen über Europa nach Nordosten zu aufsteigen, so ist mit dieser Wanderung der Isoklinen von O. nach W. zugleich eine Abnahme der Inklination in Europa verbunden. In Paris betrug sie 1671 noch 75°, seitdem hat sie fortwährend abgenommen bis zu ihrem gegenwärtigen Wert von ungefähr 65°. In Berlin hat die Inklination zurzeit einen Wert von etwa 661/2°, die Säkularvariation besteht hier in einer jährlichen Abnahme von ungefähr 11/2 Grad.

Intensität. Da als drittes Element gewöhnlich die Horizontalintensität betrachtet wird, so ist in Tafel II, Fig. 5, der tägliche Gang derselben für die einzelnen Monate, das Winter- und Sommerhalbjahr sowie für das ganze Jahr in graphischer Darstellung gegeben. Danach findet man bei der Horizontalintensität im Jahresmittel ein ziemlich flaches Maximum gegen 8 Uhr abends. Ein deutlich ausgeprägtes Minimum fällt auf etwa 11 Uhr vormittags; in den einzelnen Monaten treten hierin allerdings kleinere Abweichungen auf. Im Mittel beträgt die tägliche Amplitude in Berlin ca. 27 C.-G.-S.-Einheiten; sie ist im Sommer größer (39 Einheiten) als im Winter (20 Einheiten), wie es auch bei den andern Elementen der Fall war. Beim jährlichen Gange findet man für beide Halbkugeln ein Maximum für die Zeit vom Oktober bis März, es zeigt sich also auch hier eine Zunahme der Intensität mit größerer Sonnennähe. Über die Säkularvariation der Horizontalintensität ist noch wenig bekannt, da die einwurfsfreien Messungen dieses Elements aus erst verhältnismäßig neuer Zeit stammen. In Deutschland findet eine jährliche Zunahme statt, die in Berlin etwa 23 Einheiten im Jahr beträgt.

Von den magnetischen Störungen (magnetische Stürme, magnetische Gewitter) weiß man, daß sie manchmal mit Erdbeben und vulkanischen Ausbrüchen zusammenfallen, jedenfalls aber mit der Erscheinung des Nordlichts in innigem Zusammenhang stehen. Sie treten oft über weite Ländergebiete gleichzeitig ein, was namentlich durch die Beobachtungen des von Humboldt angeregten und von Gauß geleiteten Magnetischen Vereins bestätigt wurde, dessen Mitglieder an verschiedenen Orten zu vorausbestimmten Terminen 24 Stunden lang den Gang der Deklinationsinstrumente von 5 zu 5 Minuten nach Göttinger Zeit beobachteten, und in neuerer Zeit durch die photographischen Registrierungen, die man an den verschiedenen magnetischen Observatorien erhalten hat.

Auch bei den magnetischen Störungen macht sich ein täglicher und ein jährlicher Gang bemerkbar. Im täglichen Gange findet man ein Minimum um Mittag und eine sehr deutliche Zunahme der Störungen (bei allen drei Elementen) in den späten Nachmittags- und Abendstunden. Der jährliche Gang wird charakterisiert durch ein bereits von Humboldt erwähntes doppeltes Maximum zur Zeit der Äquinoktien und ein doppeltes Minimum zur Zeit der Solstitien.

Bezüglich des Zusammenhangs der erdmagnetischen mit andern kosmischen Erscheinungen ist in erster Linie ein ganz auffallender Parallelismus des täglichen und jährlichen Ganges der magnetischen Störungen mit dem Auftreten des Nordlichts zu bemerken. Über einen oft behaupteten Zusammenhang zwischen E. und Sonnenflecken kann man im einzelnen nichts Bestimmtes nachweisen. Sobald man aber für das volle Jahr das Auftreten der Sonnenflecke mit der Amplitude des täglichen Ganges der magnetischen Elemente vergleicht, so findet sich eine völlige Übereinstimmung: die Amplituden variieren genau mit der Häufigkeit der Flecke. – Zur Messung und Auszeichnung der erdmagnetischen Variationen und Störungen, d. h. also des gesamten Verlaufs der erdmagnetischen Erscheinungen, dienen die sogen. Magnetometer und Magnetographen (s.d.). Für Deklination und Horizontalintensität pflegt man hierbei noch meistens die beiden von Gauß angegebenen Instrumente, das sogen. Unifilar- und Bifilarmagnetometer anzuwenden. Die Inklination wird im allgemeinen nicht direkt ausgezeichnet, sondern man registriert den Gang der Vertikalintensität mit dem sogen. Wagemagnetometer nach Lloyd (Lloydsche Wage) und berechnet dann aus den Angaben des Bifilar- und Wagemagnetometers den Gang der Inklination. Diese Aufzeichnungen werden in den sogen. magnetischen Observatorien gemacht, die in ziemlich großer Zahl über die ganze Erde verteilt sind. Vgl. Artikel »Magnetismus« und Gauß, Gesammelte Werke, Bd. 5 (Götting. 1877); Gauß u. Weber, Atlas des E. (Leipz. 1840); Lamont, Handbuch des E. (Berl. 1849); Derselbe, Astronomie und E. (Stuttg. 1851); E. Naumann, Die Erscheinungen des E. in ihrer Abhängigkeit vom Bau der Erdrinde (das. 1887): Eschenhagen, Erdmagnetismus (in der »Anleitung zur deutschen Landes- und Volksforschung«, Stuttg. 1889); Neumayer, Atlas des E. (mit Text, in Berghaus' »Physikalischem Atlas«, Gotha 1891); »Neudrucke von Schriften und Karten über Meteorologie und E.« (hrsg. von Hellmann, Berl. 1893ff.); »Terrestrial magnetism and atmospheric electricity« (Baltimore, seit 1896).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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