- Dalai Lama
Dalai Lama (»Priester-Ozean«), ursprünglich mongolische, dann in allgemeinen Gebrauch gekommene Bezeichnung des obersten Priesters aller Buddhisten, sofern diese dem Lamaismus (s.d.) anhängen. Nach einer in Tibet im 15. Jahrh. n. Chr. aufgekommenen Anschauung wird in ihm der Bodhisattva Avalokiteçvara immer von neuem wiedergeboren (vgl. Buddhismus). Seit dem 17. Jahrh. ist der D. zugleich der weltliche Herrscher von Tibet (s.d.), dessen Hauptstadt Lhassa auch der Sitz des D.ist. Doch sicherten sich die Chinesen von der Mitte des 18. Jahrh. an größere Gewalt in Tibet und über den D. Nach dem Glauben der Lamaisten findet die Wiedergeburt des D. als Kind statt; deshalb erfolgt nach dem Ableben des D. unter den tibetischen Kindern ein Suchen nach der neuen Verkörperung. Die chinesische Regierung hat Sorge getragen, daß nur ein Kind aus einer ihr ergebenen Familie als neuer D. anerkannt werde; die gröbsten Betrügereien kommen dabei vor. Als Regent ist der D. lediglich Puppe, die Regierung wird tatsächlich von chinesischen Mandarinen geführt. Der tibetische Titel des D. lautet Gyal-va-rin-po-tsche (»Kleinod der Majestät oder des Sieges«). Mit dem Papste darf er nicht verglichen werden; er ist von demselben unterschieden nicht bloß durch den Umstand, daß er als Verkörperung eines höchsten Wesens gedacht wird, sondern auch darin, daß gleichzeitig mehrere ihm ähnliche Verkörperungen existieren, von denen besonders der in Europa unter dem Namen Tescho Lama oder Bogdo Lama bekannte eine der seinen ziemlich analoge Gewalt ausübt, und daß er über die Priester nicht im entferntesten eine so allgemeine Gewalt besitzt wieder Papst. Vgl. Köppen, Die Religion des Buddha, Bd. 2 (Berl. 1859); Waddell, The Buddhism of Tibet or Lamaism (Lond. 1895; ebenda S. 233 ein Verzeichnis aller Dalai Lamas).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.