Äthyläther

Äthyläther

Äthyläther (Äther, Schwefeläther, Äthyloxyd, Naphtha, Schwefelnaphtha) C4H10O oder C2H5.O.C2H5 entsteht bei Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure, Phosphorsäure, Chlorzink etc. auf Alkohol C2H5.OH unter Abscheidung von Wasser H2O. Zur Darstellung erhitzt man eine Mischung von Alkohol und Schwefelsäure in einem Destillationsapparat und läßt in demselben Maße, wie Ä. abdestilliert, Alkohol zufließen, so daß das Volumen der Flüssigkeit und der Siedepunkt (140°) im verändert bleiben. Man unterbricht die Operation, wenn durch das bei der Ätherbildung abgeschiedene Wasser die Schwefelsäure zu stark verdünnt wird. Durch zweckmäßige Kühlvorrichtungen (Dephlegmatoren) wird das Destillat von Alkohol und Wasser, durch Waschen mit Sodalösung von schwefliger Säure befreit und dann über gebranntem Kalk rektifiziert. Bei der Einwirkung von Schwefelsäure H2SO4 auf Alkohol C2H6O entsteht zuerst unter Austritt von Wasser Äthylschwefelsäure C2H5.SO4H, die sich mit einem andern Teil Alkohol in Äther und Schwefelsäure umsetzt: C2H5.OH+C2H5.SO4H = C2H5.O.C2H5+H2SO4. Man kann daher mit wenig Schwefelsäure viel Alkohol in Ä. verwandeln, ohne daß die Säure eine andre Veränderung erleidet als die Verdünnung durch Wasser, das bei der Bildung der Äthylschwefelsäure entsteht. Aus 2 Molekülen Alkohol entsteht 1 Molekül Ä. Man stellt Ä. auch aus Alkohol und Benzolsulfosäure bei 135–145° dar, wobei keine schweflige Säure auftritt.

Ä. ist eine farblose, leicht bewegliche Flüssigkeit, riecht angenehm, erfrischend, schmeckt brennend und verdunstet unter starker Temperaturerniedrigung. Er siedet bei 35° und erstarrt bei -129°. Er ist ungemein entzündlich, brennt mit leuchtender Flamme, und sein Dampf explodiert, mit Luft gemengt, sehr heftig. Spez. Gew. 0,736 bei 0°, 0,722 bei 15° (der medizinische Ä. 0,720 bei 15°); er ist mit Alkohol und Chloroform mischbar, löst sich in 10 Teilen Wasser und löst selbst 1/36 seines Gewichts an Wasser, auch löst er Harze, Fette, ätherische Ole, Alkaloide, Brom, Jod, Schwefel, Phosphor, viele Chloride. Bromide, Jodide, Chromsäure. Frisch bereiteter Ä. reagiert neutral, in nicht ganz gefüllten Gefäßen wird er mit der Zeit sauer, es entsteht Vinylalkohol und Wasserstoffsuperoxyd, Ozon bildet ein explosives Hyperoxyd. Beim Erhitzen mit Wasser und Schwefelsäure auf 180° entsteht Alkohol. Chlor wirkt sehr heftig auf A. ein, es kann sogar Entzündung eintreten, und es bilden sich neben Chlorwasserstoff, Chloral, Aldehyd und Chloräthyl eine Reihe von Substitutionsprodukten, deren letztes Glied, der Perchloräther C4Cl10O, in farblosen Kristallen auftritt, stechend kampferartig riecht und bei 68° schmilzt. Brom wirkt schwächer und Jod nur sehr wenig auf Ä. ein. Ä. wirkt auf tierische Gewebe reizend, ätzend, eingeatmet erregt er das Gehirn bis zu traumartigen Vorstellungen und lähmt es dann rasch bis zur Bewußtlosigkeit. Ä. dient, mit Alkohol gemischt, als Lösungsmittel der Schießbaumwolle zur Bereitung von Kollodium, ferner zum Extrahieren von Fetten, zur Entfernung von Fettflecken, zur Bereitung chemischer Präparate und in der Medizin zur Erzeugung allgemeiner und örtlicher Narkose, gegen Nervenschmerzen und Rheumatismus, als krampfstillendes inneres Mittel bei schmerzhaften Leiden, auch als erregendes Mittel bei beginnender Ohnmacht etc. Beliebt ist eine Mischung von 3 Teilen Alkohol mit 1 Teil Ä. (Spiritus aethereus, Ätherweingeist, Hoffmanns Tropfen). Mißbräuchlich wird Ä. als Berauschungsmittel getrunken (namentlich in Irland seit Mitte der 1850er Jahre, in den preußischen Kreisen Memel und Heydekrug). Die Einzeldosis, die oft wiederholt wird, schwankt zwischen 8 und 15 ccm. Der Ä. erzeugt seltsame Träume und einen Rausch, der sehr schnell wieder verschwindet, so daß der Trinker sich an einem Tage wohl sechsmal betrinken kann. Als Nachwirkung zeigen sich Verdauungsstörungen, allgemeine Schwäche, Zittern und nervöse Erschöpfung, Erkrankungen der Leber und Nieren, fettige Entartung der Herzmuskulatur. Das Äthertrinken zwingt wie Morphium zu häufiger Wiederholung und verursacht zuletzt tiefe Zerrüttung des Charakters, Zerstörung der Willenskraft, Halluzinationen und Unfähigkeit, zwischen Vision und Tatsachen zu unterscheiden. – Valerius Cordus stellte Ä. 1540 aus Alkohol und Schwefelsäure dar und nannte ihn Oleum vitrioli dulce. Später erhielt der A. den Namen Schwefeläther, aber V. Rose wies 1800 nach, daß er keinen Schwefel enthält. Zu Anfang des 19. Jahrh. gab Boullay die jetzt gebräuchliche Darstellungsmethode an. Später beschäftigte die Ätherbildungstheorie die Chemiker lange Zeit, erst Williamsons Arbeiten führten 1850 zu den heute gültigen Anschauungen. Jackson erkannte 1841 seine anästhesierende Kraft, und der Zahnarzt Morton führte ihn 1846 in die Praxis ein.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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