Canōva

Canōva

Canōva, Antonio, ital. Bildhauer, geb. 1. Nov. 1757 zu Possagno im Trevisanischen, gest. 13. Aug. 1822 in Venedig, trat mit 14 Jahren zu dem Bildhauer Torretti in die Lehre, mit dem er zwei Jahre später nach Venedig ging. Nach dessen Tode (1773) arbeitete er bei G. Ferrari weiter, wurde aber durch das Studium der Antike mehr gefördert, dessen erste Frucht die Gruppen Orpheus und Eurydice und Dädalos und Ikaros (1779) waren. Der Verkauf der letztern ermöglichte C. die Reise nach Rom, wo er sich völlig in das Studium der Antike versenkte und bald eine Gruppe des Theseus als Besiegers des Minotaurus schuf, die bei dem damaligen tiefen Stande der Kunst infolge des Einflusses der Berninischen Schule als Umkehr zu einer reinern Stilauffassung mit Freuden begrüßt wurde. Nach diesem Erfolg erhielt C. den Auftrag, dem Papst Clemens XIV. Ganganelli ein Grabmal in Santi Apostoli zu errichten, und nach dessen Vollendung (1787) wurde ihm die Ausführung des Grabdenkmals Clemens' XIII. für die Peterskirche übertragen, womit er seinen Ruf als Monumentalbildner noch mehr befestigte und in der Gunst seiner Landsleute so stieg, daß sie ihn mit den größten Meistern der Alten verglichen und seine Arbeiten neben den Denkmälern des Altertums im vatikanischen Museum aufstellten. In seinem Perseus (im Vatikanmuseum zu Rom) meinte man vollen Ersatz für den von den Franzosen geraubten Apollo vom Belvedere zu haben. In den Jahren 1798 und 1799 bereiste C. Österreich und Preußen, und 1802 rief ihn Napoleon I. nach Paris, wo ihn die Akademie der Künste als Mitglied aufnahm. 1815 kam C., vom Papst abgesandt, zum zweitenmal nach Paris, um die reklamierten Kunstschätze abzuholen. Bei seiner Rückkehr verlieh ihm der Papst den Titel eines Präfekten der schönen Künste, ernannte ihn zum Marquis von Ischia mit einem jährlichen Ehrengehalt von 1000 römischen Talern und ließ seinen Namen in das goldene Buch des Kapitols eintragen. C. zeichnete sich durch liebenswürdigen Charakter und unbegrenzten Wohltätigkeitssinn aus. In dem Tempel, den er in Possagno gründete, einer Rotunde, deren Front dem Parthenon zu Athen nachgebildet ist, opferte er der Religion, dem Vaterland und der Kunst die Früchte seiner sämtlichen Arbeiten. Die Veranlassung zu diesem Bau war die Weigerung der Kardinäle, eine von ihm in kolossaler Größe verfertigte Statue der Religion mit Kreuz und Schild in einer Kirche Roms aufstellen zu lassen. In Venedig, wo C. seine letzten Lebensjahre zubrachte, wurde ihm in der Kirche ai Frari ein Denkmal gesetzt, das er selbst für Tizian entworfen hatte. C. hat sich auch in der Malerei mit Glück versucht. Er lebte in der antiken Poesie als dem Element, das seiner Neigung zum Weichen und Zierlichen reichen Stoff bot, und deshalb sind seine religiösen Schöpfungen seine schwächsten, wenngleich er durch seine malerische Begabung bei seinen Grabdenkmälern, von denen noch das der Erzherzogin Marie Christine in der Augustinerkirche zu Wien (s. Tafel »Bildhauerkunst X«, Fig. 8), das Vorbild seines eignen, hervorzuheben ist, den Mangel an tieferer Empfindung zu verbergen wußte. Unter den übrigen Werken Canovas sind noch zu erwähnen: Amor, sich über Psyche beugend (Hauptwerk, im Louvre zu Paris und in der Villa Carlotta am Comersee); Venus und Adonis, in Neapel; Amor und Psyche, stehend; Hebe, die Nektarschenkende, in der Berliner Nationalgalerie (auf derselben Tafel, Fig. 3); Herkules, den Lykas an einen Felsen schleudernd (im Palazzo Torlonia zu Rom); die siegende Venus (Porträt der Fürstin Pauline Borghese, geborne Bonaparte, die er auch nackt, auf einem Ruhebett liegend, darstellte, in der Villa Borghese); Venus, aus dem Bade kommend, der Mediceischen ähnlich (im Palazzo Pitti zu Florenz); die drei Grazien, reizende Gestalten von anmutigen, flüssig runden Formen; Paris (in der Glyptothek zu München); Alfieris Denkmal mit der trauernden Italia, in der Heiligenkreuzkirche zu Florenz; das Denkmal Volpatos, in der Apostelkirche zu Rom; die Bildsäule Pius' VI., in der St. Peterskirche zu Rom; Bronzestatue Napoleons I. im Brerapalast zu Mailand; Theseus im Kampf mit dem Minotaurus (im Hofmuseum zu Wien, s. dieselbe Tafel, Fig. 2). C. gebührt das Verdienst, die Bildhauerkunst wieder auf das Studium der Antike gelenkt und ihr damit einen neuen Weg gezeigt zu haben. Seine Begabung wurzelte freilich weniger in energischer Kraft der Charakteristik als in der Darstellung zarter Frauenschönheit, die oft in das Elegante und Süßliche verfällt. Ein vollständiges Verzeichnis von Canovas Werken enthalten die »Notizie intorno alla vita di Antonio C.« von A. Paravia (Rom 1823). Vgl. auch Quatremère de Quincy, C. et ses ouvrages (Par. 1834). Biographien Canovas haben geliefert Cicognara (Vened. 1823), Missirini (Prato 1824, 4 Bde.), Rosini (Pisa 1825) und A. G. Meyer (Bielef. 1898). Seine »Memorie« wurden herausgegeben von A. d'Este (Flor. 1865). Gestochen wurden seine Werke von Lasinio (mit Beschreibung von der Gräfin d'Albrizzi, Pisa 1821–25, 5 Bde.), von Heinr. Moses in London (1828, 3 Bde., mit 137 Kupfern), A. Reveil in Paris (1823,100 Blätter).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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