Bretagne

Bretagne

Bretagne (spr. brötannj'; Britannia minor, Aremorica), die große nordwestliche Halbinsel Frankreichs, die als längliches Dreieck ins Meer hinausragt, dessen Basis sich auf die Normandie, Maine, Anjou und Poitou stützt, und dessen Schenkel vom Kanal und dem Atlantischen Ozean bespült werden, umfaßt 33,888 qkm (615 QM.) und bildete früher unter dem Titel eines Herzogtums eine der Provinzen Frankreichs, die gegenwärtig in die fünf Depart. Ille-et-Vilaine, Niederloire, Côtes-du-Nord, Morbihan und Finistère zerfällt. Man teilte die B. auch in die Oberbretagne mit den fünf Diözesen Rennes, Nantes, St.-Malo, Dol und St.-Brieuc, und in die Niederbretagne mit den vier Diözesen Vannes, Quimper, St.-Pol-de-Léon und Tréguier ein. Die B. bildete im Altertum den Mittelpunkt des aremorischen Völkerbundes, war also von rein keltischen Stämmen bewohnt, zu denen noch im 5. Jahrh. reine Kymrier aus England hinzukamen, die der Halbinsel den Namen gaben. Das Druidentum herrschte hier absolut und hat zahlreiche Denkmäler hinterlassen. Die altbretonische Sprache, das Breizad, wird noch in vier Dialekten. dem von Vannes (Vannelais), von Quimper (Cornouaillais), von Tréguier (Trécorien) und von St.-Pol-de-Léon (Léonard), gesprochen, weicht aber mehr und mehr vor dem Französischen zurück (s. Bretonische Sprache und Literatur). Der Bretagner (Bretone) hat eine melancholische Gemütsstimmung, ein zurückhaltendes Wesen, dabei aber lebhafte, poetische Einbildungskraft und oft große Leidenschaftlichkeit, verborgen hinter äußerer Roheit und Fühllosigkeit; er ist kühner Seefahrer und mutiger Krieger, gastfrei, stolz auf seine Abkunft, starr am Alten hangend und im Widerstand ebenso hartnäckig wie furchtlos. Daher war das Land von jeher ein Schauplatz für hartnäckige Freiheits- und Parteigängerkämpfe. Bei den Chouans (s.d.) der B. fand die große Revolution entschiedenen Widerstand. Heidnisches Wesen und Sitten, Verehrung der Dolmen u. dgl. haben sich allenthalben erhalten; auch die Trachten der Bevölkerung haben viel Altertümliches (s. Tafel »Volkstrachten II«, Fig. 9–12).

Geschichte. B., zuerst Aremorica (»Meerland«) genannt. wurde durch Cäsar 57–56 unterworfen und gehörte zu Gallia Lugdunensis. Im 5. Jahrh. wurde die Halbinsel Zufluchtsstätte aus Britannien durch die Angelsachsen vertriebener keltischer Briten und daher auch Britannia (minor oder cismarina) genannt, woraus B. entstanden ist. Nach dem Untergang des weströmischen Reiches waren die Herzöge von B., die auch den Königstitel führten, von Zeit zu Zeit von den fränkischen Königen abhängig. Im 10. Jahrh. hatte das Land von den Einfällen der Normannen zu leiden, deren Herzog Rollo sich 912 zum Oberherrn der B. machte. Als 1171 mit Conan IV. die alte einheimische Dynastie im Mannesstamm ausstarb, kam die B. durch Konstanze, die Erbtochter des letzten Herzogs, anderen Gemahl Gottfried, Sohn Heinrichs II. von England, dessen Sohn und Erbe Artur 1202 von seinem Oheim König Johann ermordet wurde. Nun wurde die B. ein Zankapfel zwischen England und Frankreich, bis 1213 der Gemahl der Tochter Konstanzens, Alix, der Graf Pierre Mauclerc von Dreux, die B. als französisches Lehen erhielt. Erbstreitigkeiten brachen aus nach dem Tode Johanns III. (1341) zwischen dessen Bruder Johann von Montfort und dem Gemahl seiner Nichte, Karl von Blois, der erst 1364 durch den Tod des letztern in der Schlacht bei Auray beendet wurde; die Montfort behielten das Herzogtum, während sich die Blois mit der Grafschaft Penthièvre und der Vizegrafschaft Limoges begnügen mußten. Die Herzöge von B. wußten gegenüber den französischen Königen ihre Selbständigkeit zu behaupten und standen in dem Kriege mit England auf dessen Seite. Als mit Franzll., der im Kampfe gegen Karl VIII. unterlegen war, der Mannesstamm der Herzöge von B. 1488 erlosch, war dessen Tochter Anna Erbin des Landes. Sie ward 1491 mit König Karl VIII. von Frankreich und nach dessen Tode 1499 mit Ludwig XII. vermählt. Als nun ihre einzige Tochter, Claude, 1514 mit dem Herzog von Angoulême, der 1515 als Franz I. den französischen Thron bestieg, vermählt worden war, erfolgke 1532 die Einverleibung des Landes in Frankreich, nicht ohne daß den Ständen die Aufrechterhaltung ihrer Gerechtsame versprochen ward. Auch behielt die B. bis zur Revolution ihr eignes Parlament. Während des Revolutionskrieges war die B. der Schauplatz eines blutigen Bürgerkrieges, indem die dortige Bevölkerung royalistisch gesinnt war. S. die »Geschichtskarte von Frankreich«. Vgl. Le Saint, La B. ancienne et moderne (2. Aufl., Limoges 1879); Rütimeyer, Die B. (Bas 1882); Baudrillart, Les populations agricoles de la France. Normandie et B. (Par. 1885); Ardouin-Dumazet, Voyageen France. 3. bis 5. Serie (das. 1885); Gourcuff, Gens de B. (das. 1900); Daru, Histoire da B. (das. 1826, 3 Bde.; deutsch, Leipz. 1831, 2 Bde.); Roujoux, Histoire des rois et des ducs de B. (Par. 1829, 2 Bde.); de Courson, Histoire des peuples bretons (das. 1846, 2 Bde.); Carne, Les états de B et l'administration de cette province jusqu'en 1789 (2. Aufl., das. 1875, 2 Bde.); Dupuy, Histoire de la réunion de la B. à la France (das. 1880, 2 Bde.); Loth, L'émigration bretonneen Armorique (das. 1883); La Monneraye, Géographie ancienne et historique de la B. (St.-Brieuc 1885); de Laborderie, Essai sur la géographie féodale de la B. (Rennes 1889); Derselbe, Histoire de B. (das. 1896 bis 1899, Bd. 1–3).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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