- Bowring
Bowring (spr. bauring), Sir John, engl. Staatsmann, nationalökonomischer Schriftsteller und Reisender, geb. 17. Okt. 1792 zu Exeter in Devonshire, gest. 23. Nov. 1872 in Claremont, erwarb sich auf ausgedehnten Reisen umfassende Kenntnisse der europäischen Industrie- und Handelszustände, trat dann mit den Führern der englischen Radikalreformer, namentlich mit J. Bentham, dessen Schriften er später herausgab, in Verbindung und gründete mit diesem 1824 die »Westminster Review«, die unter seiner Redaktion (1825–30) das einflußreichste Organ der Benthamschen Reformgrundsätze wurde. 1828 erhielt er, nachdem er sein Fabrikgeschäft aufgegeben hatte, eine Mission nach den Niederlanden, um über die Finanzlage dieses Landes zu berichten. Seine im »Morning Herald« hierüber veröffentlichten Briefe erwarben ihm den juristischen Doktorgrad von der Universität Groningen. 1832 ins Unterhaus gewählt, dem er bis 1837, dann von 1841–49 angehörte, wurde er zum Mitglied einer Kommission ernannt, die mit der Prüfung der englischen und französischen Tarife beauftragt wurde. Mit Villiers veröffentlichte er darüber die »Reports on the commercial relations between France and Great Britain« (Lond. 1835–36, 2 Bde.). In seinem ebenfalls im Auftrag der Regierung verfaßten »Report on the commerce and manufactures of Switzerland« (Lond. 1836; deutsch, Zürich 1837) entwickelte er die Vorteile der Handelsfreiheit dem Prohibitivsystem gegenüber. Weitere Missionen in Verkehrs- und Handelsfragen erhielt er nach Belgien, Italien, dann nach Ägypten und Syrien und vertrat England bei der großen Zollvereinsversammlung zu Berlin (1838). Sein Bericht über den Deutschen Zollverein (1840) erregte in Deutschland großen Anstoß. Als Mitglied des Unterhauses half er den Kampf gegen die Korngesetze ausfechten und war namentlich bei Abfassung des Humeschen Komiteeberichts über die Eingangszölle beteiligt. 1849 zum Konsul in Kanton ernannt, trat er mit Festigkeit den chinesischen Behörden entgegen und wurde deswegen, auf Urlaub in England anwesend, im Februar 1854 zum Ritter und zum Gouverneur von Hongkong und Oberaufseher des englischen Handels in China ernannt. Dagegen hatte das von ihm im Oktober 1856 ohne Kriegserklärung über Kanton verhängte Bombardement seine Abberufung zur Folge. Auf der Rückreise nach England besuchte er die Philippineninseln, die er in dem anziehenden Buche »Visits to the Philippine Islands« (Lond. 1859) schilderte, wie früher Siam, wohin er zum Abschluß eines Handelsvertrags mit dem König von Siam gereist war, in »The kingdom and people of Siam« (das. 1857, 2 Bde.). Obwohl er sich 1859 mit einer Pension aus dem Staatsdienst zurückgezogen, erhielt er doch schon 1861 wieder den Auftrag, einen Handelsvertrag mit dem Königreich Italien zu unterhandeln, und war nebenbei als Agent der Regierungen von Siam und Hawaï für Abschlüsse von Handelsverträgen mit europäischen Ländern tätig. Seine reichen Sammlungen und Übersetzungen von Volksliedern erschienen als: »Specimens of the Russian poets« (1821–23, 2 Bde.); »Ancient poetry and romances ot Spain« (1824); »Batavian anthology« (1824); »Specimens of the Polish poets« (1827); »Servian popular poetry« (1827); »Poetry of the Magyars« (1830); »Cheskian anthology« (1832). Nach seinem Tod erschienen: »A memorial volume of sacred poetry with a memoir of the author« (hrsg. von seiner Witwe, 1871) und »Autobiographical recollections« (1877).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.