- Äquivalént
Äquivalént (lat., »gleichgeltend«), als Hauptwort: Gegenstand von gleichem Wert. – In der Chemie sind Äquivalente (Äquivalentgewichte) diejenigen relativen Mengen chemischer Körper, die von einem gewissen Gesichtspunkt aus gleichwertig erscheinen und in gewissen Fällen den gleichen Effekt ausüben. Bergman und Kirwan suchten zu Ende des 18. Jahrh. diejenigen Mengen verschiedener Basen zu ermitteln, die sich mit einer bestimmten Menge irgend einer Säure verbinden, und umgekehrt bestimmte Bergman, in welchen relativen Mengen ein Metall ein andres aus den Lösungen seiner Salze ausfällt. Auch nach Ausstellung der atomistischen Theorie durch Dalton (1804) zog man für chemische Betrachtungen die bekannten Verbindungs- oder Mischungsgewichte vor, für die Wollaston 1814 den Namen Ä. einführte. Nach ihm sind Äquivalente diejenigen relativen Mengen verschiedener Stoffe, die sich zu einfachen und bekannten Verbindungen vereinigen. Seitdem brauchte man alle drei Ausdrücke nebeneinander und für dieselben Begriffe, und erst Laurent und Gerhardt lehrten seit 1846 die Begriffe Atom, Molekül und A. scharf voneinander unterscheiden. Atom ist nach jetziger Anschauung das kleinste, chemisch nicht weiter zerlegbare Teilchen von Materie, Molekül die kleinste der freien Existenz fähige Menge von Substanz, und mit diesen Begriffen hat der Begriff vom Ä. direkt nichts gemein. Von Äquivalenz oder Gleichwertigkeit kann nur bei Körpern die Rede sein, die von irgend einem chemischen Gesichtspunkt aus in Bezug auf Wirkungswert miteinander verglichen werden können. So sind Chlor, Brom und Jod einander sehr ähnliche Körper, das Brom kann aber Jod, und das Chlor kann Brom und Jod aus ihren Verbindungen austreiben. Dabei werden 127 Teile Jod ersetzt durch 80 Teile Brom oder 35,5 Teile Chlor. Die selben Gewichtsmengen verbinden sich mit 23 Teilen Natrium oder 108 Teilen Silber oder mit 1 Teil Wasserstoff, und von diesem Gesichtspunkt aus sind sie gleich- oder ähnlichwertig (äquivalent). Nun können in ähnlicher Weise 16 Teile Sauerstoff, 32 Teile Schwefel, 79,4 Teile Selen einander ersetzen, und diese Mengen, die also einander äquivalent sind, verbinden sich mit 2 Teilen Wasserstoff. Daraus ist zu folgern, daß z. B. 16 Teile Sauerstoff äquivalent sind mit 2ˣ35,5 oder 71 Teilen Chlor, und in der Tat treiben 71 Teile Chlor aus Kalk oder ähnlichen Metalloxyden 16 Teile Sauerstoff aus. Die genannten Zahlen stehen nun aber in Beziehungen zu den Atomgewichten, und es ergibt sich, daß vom Chlor, Brom, Jod, Wasserstoff stets 1 Atom äquivalent ist 1 Atom, ebenso vom Sauerstoff, Schwefel, Selen etc., daß aber 1 Atom Sauerstoff, Schwefel oder Selen äquivalent ist 2 Atomen Chlor oder 2 Atomen Wasserstoff. In ähnlicher Weise ist 1 Atom Stickstoff oder Phosphor äquivalent 3 Atomen Chlor oder Wasserstoff, und 1 Atom Kohlenstoff äquivalent 4 Atomen der letztern.
Alle Äquivalenzbestimmungen hat man zur Vereinfachung der chemischen Ausdrucksweise auf den Wasserstoff als Einheit bezogen. Diejenige Menge eines Elements bezeichnet man als 1 Ä., die äquivalent ist mit 1 Atom Wasserstoff. Demnach repräsentieren 1 Atom Chlor, Brom, Jod 1 Ä., 1 Atom Sauerstoff, Schwefel, Selen 2 Äquivalente, 1 Atom Stickstoff, Phosphor, Arsen 3,1 Atom Kohlenstoff, Silicium 4 Äquivalente. Dementsprechend nennt man die Atome ein-, zwei-, drei-, vierwertig und braucht diese Ausdrücke auch für Atomgruppen, die hinsichtlich ihres chemischen Verhaltens die Rolle von Atomen spielen. Ähnlich verfährt man auch bei den Molekülen, für deren Wertigkeit ebenfalls das Wasserstoffatom als Einheit-dient. Säuremoleküle, die durch Eintritt von nur 1 Ä. Metall in neutrale Salze verwandelt werden, repräsentieren 1 A., z. B. die Salpetersäure, während 1 Molekül Schwefelsäure 2, und 1 Molekül Phosphorsäure 3 Äquivalente repräsentieren, weil sie mit 2, resp. 3 Äquivalenten Metall neutrale Salze liefern. Dasselbe gilt für die Basen, und als 1 Ä. eines neutralen Salzes gilt diejenige Menge, die 1 Ä. Säure entspricht, die also 1 Ä. irgend eines Metalls enthält. Wie die Atome nennt man auch die Säuren und Basen ein-, zwei-, dreiwertig oder braucht häufiger für erstere die Ausdrücke ein-, zwei- dreibasisch, für letztere ein-, zwei-, dreisäurig. – Mechanisches Ä. der Wärmeeinheit, s. Wärme. – Psychisches Ä., s. Epilepsie.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.