- Veronēse
Veronēse, 1) Paul (eigentlich Paolo Caliari), ital. Maler, geb. 1528 in Verona als Sohn des Bildhauers Gabriele Caliari, gest. 19. April 1588 in Venedig, wurde Schüler seines Oheims Antonio Badile, bildete sich dann unter dem Einfluß der Werke des Cavazzola und hatte schon eine Zeitlang in Verona Altarbilder und Fresken im Stile der veronesischen Schule, aber freier und großartiger geschaffen, als er um 1548 nach Mantua, wo er im Dom tätig war, und 1555 nach Venedig berufen wurde, wo er an der Decke der Sakristei in der Kirche San Sebastiano (dem »Teatro di gloria« Veroneses) die Krönung Mariä und die vier Evangelisten und 1556 an der Decke des Kirchenschiffs drei Darstellungen aus der Geschichte der Esther in Fresko malte, denen um 1557 das Hochaltarbild mit der Himmelskönigin und in den nächsten Jahren bis 1570 der übrige umfangreiche Schmuck der Kirche (darunter zwei seiner Hauptwerke, das Martyrium des heil. Sebastian und St. Marcus und Marcellinus auf dem Wege zur Hinrichtung, im Chor) und zuletzt das Gastmahl beim Pharisäer Simon (jetzt in der Brera in Mailand) folgten. In dieser Zeit entwickelte sich sein Stil unter dem Einfluß der Venezianer zu voller Reise, aber unter Beibehaltung des Veroneser, durch seinen Silberton und seine milde Harmonie von dem venezianischen unterschiedenen Kolorits. Tizian hat offenbar einen großen Einfluß auf ihn geübt; aber er wußte seine Selbständigkeit neben jenem zu bewahren. In seinem »reisen Stil erkennt man überall die alte, ruhig in sich beschlossene venezianische Existenzmalerei, die es, selbst wo sie erzählt, für ihre Hauptaufgabe hält, die Gestalten in harmonischem Gleichgewicht zur Anschauung zu bringen. Zugleich aber tritt das dekorative Prinzip mit seiner Verteilung der Formen und Farben nach den Gesetzen großartiger, frei und leicht bewegter, niemals strenger und starrer Monumentalität, den Bedürfnissen der Wand- und Deckenmalerei entsprechend, so herrschend in den Vordergrund von Paolos Schaffen, daß er bis auf den heutigen Tag der klassische Vertreter dieser dekorativen Malerei im höchsten Sinne des Wortes geblieben ist und sein Freskostil auch für seine Staffeleigemälde maßgebend wurde.« (Woermann.) V. behielt seinen Wohnsitz in Venedig, war aber zu wiederholten Malen auch in der Umgegend tätig, so 1560–61 in der Villa Tiene bei Vicenza, wo er mit G. Zelotti allegorische Darstellungen und solche aus der alten Geschichte ausführte, um 1566 in der Villa der Barbari zu Maser bei Treviso, wo er mit Zelotti eine Reihe von Zimmern und Sälen mit auf vollste Augentäuschung berechneten Bildern und Fi auren ausmalte, und nach 1572 im Schlosse Magnadole im Gebiet von Treviso, wo er Fresken aus der alten Geschichte, darunter die Familie des Dareios und das Gastmahl der Kleopatra, malte. Die Zahl seiner Werke, an deren Ausführung sich später zahlreiche Gehilfen und Schüler beteiligten, ist sehr groß. Von den in Venedig ausgeführten dekorativen Malereien sind die bedeutendsten: die Gestalten der Musik, der Geometrie, der Arithmetik und des Ruhmes in ovalen Deckenfeldern der Libreria vecchia, die auf Leinwand gemalten mythologischen Deckenbilder für den Bankettsaal des Fondaco dei Tedeschi (jetzt im Museum zu Berlin), die Decken- und Wandbilder in verschiedenen Sälen des Dogenpalastes (darunter die thronen de Venezia, der Sieg von Lepanto und die Apotheose Venedigs). Eine besondere Gruppe unter seinen religiösen Darstellungen bilden die »Gastmähler«, nach Motiven aus dem Neuen Testament, üppige Schilderungen venezianischer Tafelfreuden in phantastischen Hallen und Palasträumen, von denen eins, das Gastmahl bei Levi (1572, jetzt in der Akademie zu Venedig), dem Inquisitionstribunal Veranlassung gab, den Maler 1573 einem peinlichen Verhör zu unterziehen, weil er »Narren, betrunkene Deutsche, Zwerge und andre Albernheiten« auf dem Bilde dargestellt hatte. Die andern Hauptwerke dieser Gattung sind: die Hochzeit zu Kana (1561) und das Gastmahl beim Pharisäer (beide im Louvre zu Paris), das Gastmahl bei Simon (in der Galerie zu Turin), die Hochzeit zu Kana und Christus und die Jünger von Emmaus (in der Galerie zu Dresden). Von den Kirchenbildern Veroneses sind noch als die hervorragendsten zu nennen: die Vermählung der heil. Katharina (in Santa Caterina zu Venedig), das Martyrium der heil. Justina (in Padua), das Martyrium des heil. Georg (in Verona), die Anbetung der Könige (Exemplare in Venedig, Mailand, Wien und Dresden) und die Familie Cuccina vor der thronenden Maria (in der Dresdener Galerie). Veroneses glänzende Farbenlust zeigt sich besonders in seinen Ölgemälden aus der antiken Mythologie und Geschichte. Der Raub der Europa (im Dogenpalast zu Venedig und in der kapitolinischen Galerie zu Rom) und die Familie des Dareios (in der Nationalgalerie zu London) sind seine Hauptwerke dieser Gattung. Endlich hat er auch zahlreiche Einzelbildnisse gemalt, in denen er eine Verwandtschaft mit Tintoretto zeigt. – Auch nach seinem Tode wurde seine Malweise noch eine Zeitlang von seinem Bruder Benedetto (1538–98), seinen Söhnen Carlo (1570–96) und Gabriele (1568–1631) und seinen Schülern fortgesetzt, oft in gemeinschaftlich gemalten Bildern, die sie mit »Heredes Paoli« (die Erben Pauls) bezeichneten. Vgl. Janitschek in Dohmes »Kunst und Künstler«, Bd. 3 (Leipz. 1876); Caliari, Pao!o V., sua vita e sue opere (Rom 1888); Meißner, Veronese (Leipz. 1897).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.