Stempel [1]

Stempel [1]

Stempel, Werkzeug aus Stahl, Messing, Zink, Kautschuk, Leder, das auf der einen Fläche mit Figuren, Buchstaben u. dgl. versehen ist, um diese mittels ausgetragener Farbe abzudrücken oder vermittelst eines Druckes einzudrücken, z. B. zur Verfertigung der Münzen und Medaillen; auch das mit einem S. ausgedrückte Zeichen, das als Merkmal der Qualität einer Ware, des Ursprungs oder einer bezahlten Abgabe dient. – Im Staatshaushalt wird der S. (eigentlich: die Stempelung) als Mittel benutzt, um auf bequemen und nicht kostspieligem Wege Gebühren und Steuern (Verkehrssteuern) zu erheben (Gebührenstempel, Steuerstempel). Der S. soll wegen seiner finanziellen Ergiebigkeit zuerst im verkehrsreichen Holland (seit 1624) in Gebrauch gekommen sein, wurde aber nach und nach in allen Ländern üblich, und die in Stempelform erhobenen Einnahmen machen nun in einigen Staaten, z. B. England, Rußland, Frankreich und Holland, einen erheblichen Teil der Staatseinnahmen aus. In einzelnen Staaten sind besondere Behörden mit der Kontrolle des Stempelwesens beauftragt, so in Preußen die durch das Stempelgesetz von 1822 ins Leben gerufenen Stempelfiskale. Der S. ist überall da anwendbar, wo einer zu belastenden Leistung ein Schriftstück zugrunde liegt, das der Zahlungspflichtige überreicht oder empfängt. In diesen Fällen können als Stempelwertzeichen sowohl Stempelbogen (gestempeltes Papier, Stempelblankett) als aufzuklebende, für den Gebrauch bequemere Stempelmarken benutzt werden, in andern bedient man sich auch wohl gestempelter Umschläge (Banderollen, z. B. beim Tabak), die beim Gebrauch zerrissen werden, während der Stempelbogen durch das Beschreiben, die Stempelmarke durch Durchstreichen oder Ausdrücken eines Zeichens für weitere Verwendungen unbrauchbar gemacht (nullifiziert, kassiert) wird. Endlich kann auch ein Gegenstand (z. B. Edelmetall, Zeitung, Kartenspiel) unmittelbar durch Ausdrücken des Stempels gestempelt und damit der Beweis der Steuer- oder Gebührenzahlung geliefert werden. Zu unterscheiden sind: 1) der Fixstempel, der mit einem festen Geldbetrag für die einzelne in Anspruch genommene öffentliche Leistung, heute meist in der Form der Stempelmarke, eintritt; 2) der Klassenstempel, bei dem nach gewissen Merkmalen (Bedeutung des Gegenstandes, verursachte Kosten) die verschiedenen Fälle in Klassen eingeteilt werden und innerhalb der einzelnen Klassen Fixstempel zur Anwendung kommen; 3) der Dimensions- oder Flächenstempel, dessen Höhe sich nach der Ausdehnung des Gegenstandes (Zeitung, Prozeßakten) richtet, an den der S. anknüpft; 4) der Wert- (Gradations-, Proportional-) S., der sich nach dem durch die steuerpflichtige Urkunde repräsentierten Wert richtet und in Prozenten des letztern oder auch mit Abrundung der Prozenthöhe in festen Beträgen für gewisse Klassen (klassifizierter Wertstempel) erhoben wird. Gegen Stempelfälschungen schützt man sich durch künstliche Herstellung der Stempelzeichen (geschöpftes Papier, Wasserzeichen etc.), gegen Umgehungen dienen Kontrolle und Strafe. Die Strafe kann dadurch verschärft werden, daß das vorgenommene Rechtsgeschäft für nichtig erklärt wird. Da hierdurch jedoch auch leicht Unschuldige betroffen werden, so begnügt sich die Stempelgesetzgebung meist mit Geldstrafen, während die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts nicht weiter angefochten wird (s. Stempelverbrechen). Im Deutschen Reiche werden die Börsensteuer, die Spielkartensteuer, die statistische Gebühr und die Wechselstempelsteuer für Rechnung des Reiches in Stempelform erhoben und daher auch zusammen als Reichsstempelabgaben bezeichnet. Von den Einzelstaaten haben Württemberg und Baden keinen S. mehr; in den andern Staaten findet er sich in wechselndem Umfang sowohl als Gebühren- wie Steuererhebungsform. S. auch Stempelsteuern. Vgl. Friedberg, Zur Theorie der Stempelsteuern (in den »Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik«, 1878); v. Heckel, S., Stempelabgaben (im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, 3. Aufl., Bd. 6, Jena 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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