Sierra Leone

Sierra Leone

Sierra Leone, britisch-westafrikan. Kolonie in Oberguinea (s. Karte bei Ark. »Guinea«), am Atlantischen Ozean, zwischen Französisch-Guinea (N. und O.) und Liberia (O. und Süden), 69,700 qkm mit (1901) 76,655 Einw. (darunter etwa 450 Weiße) für die eigentliche Kolonie, während für das Schutzgebiet 3/4-2 Mill. geschätzt werden (amtlich hierfür 1 Mill. angegeben). Die niedrige, sumpfige und von Sandbänken begleitete Küste ist für Schiffe schwer zugänglich. Im N. springt die Halbinsel S. (740 qkm) mit Kap Shilling und den Bananainseln als Fortsetzung ins Meer, im Süden trennt die einförmige Turners Halbinsel eine Kette von Lagunen vom Festland. Die bedeutendsten Inseln sind Sherbro (4300 Einw.) und die seit 1905 zu Frankreich gehörigen Los-Inseln (s. d.). Der Alluvialebene der Küste folgen niedere Hügelwellen, im nördlichen Teil führt ein stark durchschnittenes Gelände zu ausgezeichneten Weideplätzen auf dem Talla- und Falabaplateau (bis 1100 m hoch), den Vorhöhen von Futa Dschallon. Das Land entwässern zum Atlantischen Ozean Großer und Kleiner Scarcies (im Oberlauf Kolente und Kabba), Rokelle, mit breiter Mündung, Kamaranko, Jong (an der Quelle, nahe dem Niger, Bampanna), Großer Bum (Bam) und Sulima (300 km). Sie werden alle erst hinter der Hügelzone (Stromschnellen und Wasserfälle) im Unterlauf schiffbar. Außer dem Alluvium der Küste bedeckt fruchtbarer Laterit alles Land bis zu 600 m Höhe; den Untergrund bilden anscheinend kristallinische Gesteine mit Übergängen vom Granit bis zum deutlich gefalteten Gneis. Sandstein (kambrisch?) kommt nördlich von Sasseni vor, horizontal geschichteter, dem nubischen sehr ähnlicher bildet die Gipfelplatte des Mount Kofiu, eine isolierte Dolerittafel findet sich auf dem Tallaplateau (10° nördl. Br.). Das sehr ungünstige Klima an der Küste erweist der Überschuß der Todesfälle (1903: 23,12 pro Mille) gegen die Zahl der Geburten (19,71 pro Mille). In Freetown (mittlere Jahrestemperatur: 26,8°, ohne große Gegensätze, Regenfall 3800 mm) rafft das Gelbe Fieber ein Drittel bis die Hälfte der Weißen weg (des »weißen Mannes Grab«). Von wilden Tieren kommen außer dem immer seltenern Elefanten Büffel, Leopard, Wolf, Antilopen, Gorilla und Schimpanse vor. Die Eingebornen ziehen Schweine, Ziegen, Geflügel, auf den Hochebenen Rinder (Stiere werden eingeführt), und treiben Baumwollenbau, der durch die Regierung gehoben werden soll. Die nur an der Küste genauer bekannte Bevölkerung (s. oben) besteht zumeist aus heidnischen Negerstämmen, darunter die Timne zwischen Searcies und Rokelle (200,000), große und kriegerische Leute, und die mit Mandingo vermischten Mandi, friedliche Ackerbauer. Im Küstengebiet ist die Bevölkerung bunt gemischt; neben Nachkommen befreiter Sklaven Angehörige verschiedenster Stämme Afrikas und nur 444 ansässige Weiße (Beamte, Offiziere, Kaufleute). Von 76,655 Einw. waren 1901: 40,790 Protestanten, 571 Katholiken und 7396 Mohammedaner, der Rest Heiden. Es sind hier 4 prot. Missionsgesellschaften und 2 kath. Orden tätig; von ihnen sind Schulen gegründet, darunter ein Seminar (1904: 30 Studenten) in Furahbai, das mit der Universität von Durham in Verbindung steht. Es bestanden 1904: 110 Elementarschulen mit 7933 Schülern, 6 Sekundärschulen mit 859 und eine Technische Schule (1897) mit 14; außerdem 4 mohammedan. Schulen mit 579 Schülern. Gebaut werden hauptsächlich Reis, Maniok und Bananen, die höchsten Ausfuhrwerte aber haben Palmöl und Palmkerne, außerdem Erdnüsse, Bennisamen, Kolanüsse, Gummi, Häute, Ingwer, Kautschuk, Elfenbein. Die Einfuhr (lebendes Vieh, Nahrungsmittel, Getränke, Rohstoffe und Fabrikate) betrug 1904: 717,236 (Deutschland 10 Proz.), die Ausfuhr 484,870 (Deutschland 35 Proz.) Pfd. Sterl., der Schiffsverkehr 1903: 1340 Schiffe mit 1,688,357 Ton. (981 Dampfer mit 1,676,951 T.). Der Hafen von Freetown wird von der Hamburger Woermannlinie und zwei englischen Dampferlinien angelaufen. Die Einnahmen betrugen 1904: 240,472, die Ausgaben 237,892, die Kolonialschuld 1905: 1,274,420 Pfd. Sterl. Die Kolonie steht unter einem Gouverneur mit Gesetzgebendem und Ausführendem Rat und zerfällt seit 1897 in die eigentliche Kolonie und das Schutzgebiet. Die Kolonie umfaßt die Halbinseln, Inseln und den ganzen Küstenstreifen in wechselnder Breite. Das Schutzgebiet ist in fünf Distrikte geteilt: Karina (Hauptort Mabanta), Ronietta (Moyamba), Koinaduqu (Kaballa) sowie Bandajuma und Panguma (mit gleichnamigen Hauptorten). S. ist Hauptquartier der in Westafrika stationierten Truppen, von denen 800 Mann nebst Artillerie hier stehen, meist Neger von den Antillen und Haussa unter englischen Offizieren. Hauptstadt ist Freetown (s. d.); Port Lokko am schiffbaren Lokkofluß ist wichtiger Handelsplatz und Station der englischen Mission. Von großem Einfluß für die Entwickelung der Kolonie ist die Eisenbahn (1898 erste Strecke eröffnet) von Freetown nach Bô (1904) in der Nähe der Grenze gegen Liberia. Weitere Linien sind geplant. An Telegraphenlinien sind 220 km vorhanden. – Die Küste von S., 1447 vom Portugiesen Alvaro Fernandez und zum zweitenmal 1467 von Pedro de Cintra entdeckt, kam erst durch die Engländer (besonders Kapitän Hawkins), die hier Sklavenhandel trieben, in Aufschwung. Die Kolonie, 1787 von englischen Philanthropen für befreite Neger aus Nordamerika gegründet, nahm viele Befreite auf. Die Franzosen zerstörten die Kolonie 1794. Nur langsam sich erholend, anfangs von einer Gesellschaft verwaltet, wurde S. 1808 von der Krone in Besitz genommen, 1809 die Sklaverei aufgehoben (der bedeutende Zudrang von Sklaven war oft kein wünschenswerter Zuwachs), 1860 die Insel Sherboro und 1862 der südliche, den Quiah abgenommene Küstenstrich erworben. Die aus Samorys (s. d.) Reich einfallenden Sosta beunruhigten die Kolonie, bis diese nach den Kämpfen bei Fababa (1885, 1889) und in der Landschaft Tambakka (1888), 1894 bei Bagwema entscheidend geschlagen wurden. Die Grenze gegen Französisch-Guinea und Liberia wurde durch Verträge 1882–95 geregelt. Ein Aufstand brach 1898 wegen der Hüttensteuer aus, wurde aber unterdrückt. Vgl. Banbury, Sierra Leone (Lond. 1888); Ingham, S. L. after a hundred years (das. 1894); Pierson, Seven years in S. L. (das. 1897); Trotter, The Niger sources and the borders of the New S. L. Protectorate (das. 1898); Alldridge, The Sherbro and its Hinterland (das. 1901); Crooks, History of the colony of S. L. (Dublin 1903); Wallis, The advance of our West African empire (Lond. 1903); »Sierra Leone, Annual Report«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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