- Baumgarten
Baumgarten, 1) Konrad, nach der schweizer. Sage ein Landmann zu Alzellen in Nidwalden, der 1306 den österreichischen Amtmann Wolfenschieß auf Rotzberg erschlagen haben soll, weil dieser seine Frau zu entehren versucht habe. Das Gedächtnis der Tat erhält eine Kapelle bei Alzellen.
2) Siegmund Jakob, einflußreicher Theolog des 18. Jahrh., geb. 14. März 1706 in Wolmirstedt, 1734 ordentlicher Professor in Halle, gest. 4. Juli 1757. Als Schüler u. Anhänger Christian Wolffs (s. d.) wandte er dessen demonstrative Methode mit Vorsicht auf die Dogmatik (»Evangelische Glaubenslehre«, Halle 1759–1760, 3 Bde.) an. Um die deutsche Literatur verdient machte er sich durch seine Übersetzung der von englischen Gelehrten bearbeiteten »Allgemeinen Weltgeschichte« (Halle 1744–56, 16 Bde.; fortgesetzt von Semler). Seine Biographie schrieb Semler (Halle 1758).
3) Alexander Gottlieb, philosoph. Schriftsteller, Bruder des vorigen, geb. 17. Juli 1714 in Berlin, studierte in Halle und wurde 1740 Professor der Philosophie zu Frankfurt a. O., wo er 26. Mai 1762 starb. B. ist einer der tüchtigsten Schüler Christian Wolffs, ein klarer Denker, der den Wolffianismus auf den Höhepunkt seiner innern Ausbildung führte und nach außen ihn tapfer verteidigte. Am bekanntesten ist jedoch B. durch die Begründung der Ästhetik als einer selbständigen philosophischen Disziplin, die dicht neben der Logik zu stehen kommen sollte, geworden (s. Ästhetik). Schön ist nach ihm das Vollkommene in der sinnlichen Anschauung. Aus seinen Diktaten entstanden Meiers »Anfangsgründe aller schönen Wissenschaften« (Halle 1748–50, 3 Bde.), worauf B. selbst seine »Aesthetica« (Frankf. 1750–58, 2 Bde.; 2. Aufl. 1759) erscheinen ließ, anderen Vollendung ihn jedoch der Tod verhinderte. Unter seinen Schriften über andre Teile der Philosophie sind noch hervorzuheben: »Metaphysica« (Halle 1739, 7. Aufl. 1779; hrsg. von Eberhard, 1783), die Kant seinen Vorlesungen über Metaphysik fast regelmäßig zu Grunde legte; »Philosophia generalis« (hrsg. von Förster, das. 1770); »Ethica philosophica« (das. 1740); »Jus naturae« (das. 1765). Vgl. F. G. Meier, Baumgartens Leben und Schriften (Halle 1763); Joh. Schmidt, Leibniz und B. (das. 1874).
4) Michael, prot. Theolog, geb. 25. März 1812 zu Haseldorf in der holsteinischen Elbmarsch, gest. 21. Juli 1889 in Rostock, wurde 1839 Privatdozent zu Kiel, 1846 Pastor zu Schleswig, 1850 ordentlicher Professor der Theologie in Rostock. Streng bibelgläubig, aber feind allem hierarchischen Wesen, geriet B. bald mit dem Oberkirchenrat in Zwiespalt. 1856 aus der theologischen Prüfungskommission entlassen, wurde er 1858 unter Nichtachtung des für solche Fälle vorgeschriebenen Verfahrens seiner Professur enthoben. Die in Bezug hierauf von ihm herausgegebenen Schriften zogen ihm wegen Preßvergehens zweimalige Verurteilung zu Hast und Geldbuße zu. In Rostock lebend, wirkte B. bis zu seinem Tod unermüdlich durch Schriften und öffentliche Vorträge für eine Neugestaltung der deutschen evangelischen Kirche, war auch bis 1877 im Protestantenverein Hauptvertreter der bibelgläubigen Richtung. Von Baumgartens größern Werken sind zu nennen: »Theologischer Kommentar zum Pentateuch« (Kiel 1843–44, 2 Bde.); »Apostelgeschichte, oder der Entwickelungsgang der Kirche von Jerusalem bis Rom« (2. Aufl., Braunschw. 1859, 2 Bde.); »Die Nachtgesichte Sacharias« (neue Ausg., das. 1858); »Die Geschichte Jesu« (das. 1859); »Schleiermacher als Theolog« (Berl. 1862); »Zwölf kirchengeschichtliche Vorträge zur Beleuchtung der kirchlichen Gegenwart« (Brem. 1869); »Kirchliche Zeitfragen in Vorträgen« (Rostock 1873); »Lutherus redivivus, oder die kirchliche Reaktion« (Frankf. 1878); »Doktor Martin Luther. Volksbuch« (Rostock 1883). Seine Selbstbiographie gab Studt heraus (Kiel 1891, 2 Bde.).
5) Hermann, deutscher Geschichtschreiber, geb. 28. April 1825 zu Lesse in Braunschweig, gest. 19. Juni 1893 in Straßburg, studierte Geschichte und Philologie, ward 1848 Lehrer in Braunschweig und 1850 daselbst Redakteur der »Reichszeitung«. Seit 1852 setzte er in Heidelberg seine historischen Studien fort, beteiligte sich 1855 in München an der Gründung der »Süddeutschen Zeitung« und war 1859 zu Berlin im Literarischen Bureau tätig. 1861 wurde er Professor am Polytechnikum zu Karlsruhe und 1872 an der Universität Straßburg. 1890 trat er in den Ruhestand. Er schrieb: »Gervinus und seine politischen Überzeugungen« (anonym, Leipz. 1853); »Zur Verständigung zwischen Süd und Nord« (Nördling. 1859); »Partei oder Vaterland?« (Frankf. 1866); »Der deutsche Liberalismus. Eine Selbstkritik« (Berl. 1867); »Wie wir wieder ein Volk geworden sind« (2 Aufl., Leipz. 1870); »Geschichte Spaniens zur Zeit der französischen Revolution« (Berl. 1861); »Die religiöse Entwickelung Spaniens« (Straßb. 1875); »Jakob Sturm« (das. 1876); »Über Sleidans Leben und Briefwechsel« (das. 1878); »Vor der Bartholomäusnacht« (das. 1882); »Treitschkes Deutsche Geschichte« (das. 1883); »Karl V. und die deutsche Reformation« (Halle 1889). Seine Hauptwerke sind die »Geschichte Spaniens vom Ausbruch der französischen Revolution bis auf unsre Tage« (Leipz. 1865–71, 3 Bde.) und »Geschichte Karls V.« (Bd. 1–3, Stuttg. 1885–92, unvollendet). Nach seinem Tode gab Varrentrapp Baumgartens »Historische und politische Aufsätze und Reden« mit seiner Biographie von E. Marcks heraus (Straßb. 1894). Seine unvollendete Biographie des Ministers Jolly wurde von Ludwig Jolly zu Ende geführt (Tübing. 1897).
6) Otto, prot. Theolog, Sohn des vorigen, geb. 29. Jan. 1858 in München, trat 1882 in den badischen Kirchendienst, wurde 1888 Prediger am Waisenhaus in Rummelsburg bei Berlin, 1890 außerordentlicher Professor in Jena und 1894 ordentlicher Professor in Kiel. Er verfaßte: »Herders Anlage und Bildungsgang als Prediger« (Halle 1888); »Volksschule und Kirche« (Leipz. 1890); »Bismarcks Stellung zu Religion und Kirche« (Tübing. 1901). Herausgeber der dritten Auflage von Lipsius' »Lehrbuch der evangelisch-protestantischen Dogmatik«, der »Evangelisch-sozialen Zeitfragen« (Leipz. 1891–92), der »Zeitschrift für praktische Theologie« (mit Teichmann, Frankf. 1892–1900) und ihrer Fortsetzung, der »Monatsschrift für die kirchliche Praxis« (Tübing. u. Leipz. 1901 ff.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.