Plinĭus

Plinĭus

Plinĭus, 1) Gajus P. Secundus, der Ältere (Maior), röm. Gelehrter, geb. 23. n. Chr. in Comum (jetzt Como) aus begüterter Familie, gest. 79, diente 45 in der Reiterei in Germanien, bekleidete unter Vespasian hohe Verwaltungsämter (Prokurationen), besonders in der Finanz, und kam als Befehlshaber der bei Misenum stationierten Flotte beim Ausbruch des Vesuvs um. P. wußte durch angestrengten Fleiß und geizigste Zeitausnutzung eine ausgedehnte amtliche Wirksamkeit zu verbinden mit den umfassendsten und vielseitigen Studien und einer fruchtbaren schriftstellerischen Tätigkeit. Erhalten ist nur die »Historia naturalis« in 37 Büchern, eine Art von Enzyklopädie, nach des Verfassers eigner Versicherung aus mehr als 2000 Bänden geschöpft. Es beginnt mit Physik und Astronomie, dann folgt vom 3.–6. Buch eine Übersicht der Geographie und Ethnographie, weiter bis zum 19. Buch eine Naturgeschichte, den Menschen, das Tierreich und die Pflanzenwelt behandelnd, woran sich bis zum 32. Buch die Darstellung der Heilmittel der Pflanzen- und Tierwelt anschließt; den Beschluß machen die Mineralogie und die Verwendung der Mineralien in Medizin, Malerei, Plastik und Steinschneidekunst nebst wertvollen Notizen über Kunstgeschichte. Da P. auf den meisten Gebieten kein Fachmann war, so finden sich Verstöße aller Art in dem Werk; auch ermangelt es planmäßiger Anordnung des Materials und ist vielfach nichts als eine kritiklose Kompilation. Immerhin aber bleibt es eine unschätzbare Fundgrube für unsre Kenntnis antiker Kultur, Wissenschaft, Technik und Kunstgeschichte. Wegen seiner Weitläufigkeit wurde das Werk schon früh zu bequemerer Benutzung ausgezogen, so in der sogen.»Medicina Plinii« ein im 4. Jahrh. für Reisende gefertigter, viel gebrauchter Auszug (hrsg. von Rose, Leipz. 1875). Ein chorographischer Auszug ist von Solinus (s. d.) verarbeitet. Hauptausgaben der »Historia naturalis« von Sillig (Gotha 1851–58, 8 Bde.), Detlefsen (Berl. 1866–82, 6 Bde.), v. Jan (Leipz. 1854–65; 2 Aufl. von Mayhoff, 1870–97, 5 Bde.). Deutsche Übersetzungen von Strack (Brem. 1855), Wittstein (Leipz. 1882), Külb (Stuttg. 1877). Vgl. Münzer, Beiträge zur Quellenkritik der Naturgeschichte des P. (Berl. 1897); Rück, Die Naturalis Historia des P. im Mittelalter (Münch. 1898); Kalkmann, Die Quellen der Kunstgeschichte des P. (Berl. 1898).

2) Gajus P. Cäcilius Secundus, der Jüngere (Minor), Schwester- und Adoptivsohn des vorigen, geb. 62 n. Chr. in Comum, gest. um 114, trat mit 19 Jahren als Sachwalter auf und bekleidete in der Folge eine lange Reihe von Staats- und Gemeindeämtern. Unter Trajan war er 100 Konsul und um 112–113 kaiserlicher Statthalter der Provinz Bithynien. P. war ein mit der, edler Charaker, wenn auch etwas eitel und selbstgefällig, bei großem Vermögen ein freigebiger Förderer aller guten Zwecke, sein gebildet, ein gefeierter Redner; er galt neben seinem allerdings viel bedeutendern Freunde Tacitus als der erste Schriftsteller seiner Zeit. Von seinen Schriften sind erhalten der »Panegyricus«, eine im Senat gehaltene Dankrede an Trajan für Verleihung des Konsulats, in geziertem, künstlichem Stil, das Vorbild der spätern Panegyriker, eine von ihm selbst veröffentlichte Sammlung von Briefen aus den Jahren 97–109 in 9 Büchern, und ein amtlicher Briefwechsel mit Trajan, hauptsächlich aus der Zeit der bithynischen Statthalterschaft, darunter der berühmte Brief über die Christen. Die sichtlich von Anfang an für die Veröffentlichung geschriebenen, formvollendeten und Cicero nachahmenden Briefe geben ein anschauliches Bild seiner eignen Persönlichkeit, seiner Studien und seines Freundesverkehrs wie auch des öffentlichen, sozialen und literarischen Lebens der Zeit und sind daher eine wertvolle Quelle für die Kenntnis derselben. Ausgaben von H. Keil (Leipz. 1870, mit Index nominum von Th. Mommsen); Übersetzungen von Schott (Stuttg. 1869), Klußmann und Binder (das. 1869–74) und Müller (das. 1903). Vgl. Mommsen, Zur Lebensgeschichte des jüngern P. (im »Hermes«, Bd. 3, Berl. 1868); Bender, Der jüngere P. nach seinen Briefen (Tübing. 1874).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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