- Plener
Plener, 1) Ignaz, Edler von, österreich. Staatsmann, geb. 21. Mai 1810 in Wien, trat nach beendeten Rechtsstudien 1836 in den Staatsdienst, ward 1814 Finanzrat in Eger, kam dann nach Prag und 1851 behufs Organisierung der Finanzbehörden in Ungarn nach Pest und Preßburg, wo er als Hofrat die daselbst errichtete Abteilung der Finanzlandesdirektion leitete. 1857 wurde er Finanzlandesdirektor in Lemberg, 1859 nach Wien berufen, wo er in den ständigen Reichsrat trat und 1860 zuerst provisorisch und dann im Ministerium Schmerling definitiv die Leitung des Finanzministeriums übernahm. Die Wiederherstellung des Handelsministeriums und die Bankakte waren damals seine wichtigsten Reformen. Am 27. Juli 1865 trat er mit dem Gesamtministerium zurück, übernahm aber im liberal-zentralistischen Bürgerministerium Giskra-Herbst 30. Dez. 1867 das Handelsministerium, verbesserte das Eisenbahnwesen und reorganisierte die Handelskammern. Vom 15. Jan. bis 3. Febr. 1870 hatte er interimistisch das Ministerpräsidium inne, bis Hasner dasselbe übernahm. Am 7. April 1870 schied er definitiv aus dem Amte. Von da ab war er Abgeordneter für Eger, bis er 13. Okt. 1873 zum Mitgliede des Herrenhauses ernannt wurde, wo er 1882 lebhaft für eine Personaleinkommensteuer eintrat.
2) Ernst, Edler von, österreich. Politiker, Sohn des vorigen, geb. 18. Okt. 1841 in Eger, studierte in Wien und Berlin, trat 1865 in den diplomatischen Dienst bei der Botschaft in Paris, dann in London, nahm 1873 als Legationssekretär seinen Abschied und ward von der Egerer Handelskammer in den Reichsrat gewählt, wo er sich dem Klub der Linken anschloß, in dem er 1878 zu den weiterblickenden Politikern gehörte, die den Widerstand gegen die Balkanpolitik Andrássys im Sinne des Berliner Vertrags, entgegen der Meinung der Mehrheit unter Herbsts Führung, für einen argen politischen Fehler hielten. In dem kurz darauf berufenen Ministerium Taaffe wurde ihm das Handelsportefeuille angeboten, das er, der eignen Partei nicht sicher, ablehnte. Als dann die Regierung einen immer mehr antideutschen Charakter annahm und die Erkenntnis des Irrtums von 1878 sich unter den Deutschliberalen Bahn brach, wurde P. bald Herbsts Nachfolger in der Führung der deutschliberalen Partei, deren Sache er im Prager Landtag wie im Wiener Reichsrat mit hoher Beredsamkeit vertrat. Vollends als sich 1888 aus zwei Fraktionen die große Partei der »Vereinigten Deutschen Linken« bildete, erkannte diese rückhaltlos P. als ihr Haupt an. Als nach einer Schwenkung seiner Politik 1891 Graf Taaffe sich bereit erklärte, ein Mitglied der Linken in die Regierung aufzunehmen, lehnte er P. wegen dessen großen politischen Gewichtes ab, und erst beim Sturz des Kabinetts im November 1893 gelang es diesem, das Finanzportefeuille im Koalitionsministerium des Fürsten Windischgrätz zu erhalten. Mit dessen Sturz 1895 verlor er es wieder und wurde nach seinem Austritt aus der Partei im Juli d. J. zum Präsidenten des gemeinsamen obersten Rechnungshofes ernannt. 1900 wurde er Mitglied des Herrenhauses. P. schrieb: »Die englische Fabrikgesetzgebung« (Wien 1871), »Englische Baugenossenschaften« (das. 1873), »Ferdinand Lasalle« (Leipz. 1884) und lieferte Beiträge zu dem Gutachten: »Über die Beteiligung der Arbeiter an dem Unternehmergewinn« (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, das. 1874). Seine im böhmischen Landtag gehaltenen Reden über böhmisches Sprachenrecht (gedruckt Prag 1886) bilden eine treffliche Orientierung über die Streitpunkte der sogen. böhmischen Frage. Er ist auch Mitherausgeber der »Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung«.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.