Backsteinbau

Backsteinbau

Backsteinbau (Backsteinrohbau, Ziegelrohbau, Rohbau), im Gegensatze zum Werkstein- und Putzbau (s. d.) diejenige Bauweise, bei der die massiven Teile des Bauwerkes ganz oder bis auf geringfügige Einzelheiten aus Mauersteinen hergestellt und im Äußern nicht verputzt werden. Der B. gehört zwar schon ältern und ältesten Bauzeiten (z. B. der mesopotamischen) an, ist aber zu besonderer Entwickelung und hoher Vollendung erst im Mittelalter gelangt, und zwar in Ländern, denen es an natürlichen Steinen gebricht, so in Oberitalien, in den Niederlanden, in der norddeutschen Tiefebene etc. Die Mauersteine haben in Deutschland heute in der Regel das Normalformat von 25: 12: 6,5 cm. Im Mittelalter war das Format größer, etwa 28,5: 13,5: 9 cm, worauf die Schönheit der damaligen Bauten wesentlich mit beruht. Charakteristisch für den B. ist Einschränkung in der Gliederung. Die Massenauflösung ist geringer als beim Hausteinbau, die Zahl der Gesimsteilungen wird eingeschränkt, das Maßwerk wird sehr viel einfacher, der freie ornamentale Schmuck tritt stark zurück. Als Ersatz sind Musterungen mit verschiedenfarbigen, oft glasierten Steinen gebräuchlich, ferner Gliederung der Flächen durch geputzte, manchmal mit Bemalung, Kratzmustern etc. geschmückte Blenden, Bereicherung der Gesimse durch Friese aus Platten oder Formsteinen auf Putzgrund u. dgl. m. Ornamentierte Einzelheiten, wie Kapitelle, Basen, Kragsteine, Schlußsteine, Fialen, auch Figürliches, werden wohl als größere gebrannte Stücke (Terrakotten), meist aber aus Werkstein, im Innern-bei Monumentalbauten wird der B. auch ins Innere gezogen – auch aus Stuck gefertigt. In England mauert man mit Vorliebe alle Gliederungen und Ornamente in gewöhnlichen Steinen vor und meißelt aus diesen an der Fassade die beabsichtigten Formen heraus. Sind die geschilderten Ausbildungsweisen für den nordischen B. charakteristisch, so hat sich in Oberitalien und neuerdings auch in England der Terrakottabau entwickelt, wobei an Stelle des Formsteins die oft ziemlich großen, dann hohlen und meist reichen Terrakotten treten. Schließlich ist, besonders in den Niederlanden, eine gemischte Backsteinbauweise herausgebildet worden, bei der nur die Flächen in B., Gesimse, Fenster- und Türgewände etc. in Werkstein ausgeführt werden. Zur bedeutsamsten Entfaltung kam der B., wie alle mittelalterliche Architektur, im Kirchenbau; doch sind uns auch in Schlössern, Rathäusern und besonders in Tortürmen, ja selbst in Wohnhäusern hervorragende Backsteinbaudenkmäler erhalten. Dem Kunstgeschmack des 17. und 18. Jahrh. sagte der B. wenig zu. Seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrh. bedient man sich in Deutschland bald dieser, bald jener der überkommenen Weisen. Besonders gepflegt wurde der B. durch die Schulen von Hannover und Berlin. In neuerer Zeit ging man einerseits wieder mehr auf die schlichte und gesunde Bauweise der norddeutschen Tiefebene, vor allem der Mark Brandenburg, anderseits auf den gemischten B. zurück. Nach beiden Richtungen sind die Erfolge nicht ausgeblieben; nur krankt der moderne B. noch an zwei Grundübeln: am kleinen Format und an dem der Front nachträglich vorgeklebten Verblendstein. Durch jenes kommt kleinlicher Maßstab in die Bauwerke, durch diesen eine glatte Gelecktheit, deren ungünstige Wirkung durch die gewöhnlich beliebte kleine, bis zur Unsichtbarkeit gefärbte Fuge noch verschlechtert wird. Vgl. v. Essenwein, Norddeutschlands B. im Mittelalter (Karlsr. 1855); Adler, Mittelalterliche Backsteinbauwerke des preußischen Staates (Berl. 1862–98); Lutsch, Backsteinbauten Mittelpommerns (das. 1890); Runge, Beiträge zur Kenntnis der Backsteinarchitektur Italiens (das. 1847 u. 1853); Strack, Ziegelbauwerke des Mittelalters u. der Renaissance in Italien (das. 1889); Gottlob, Formenlehre der norddeutschen Backsteingotik (Leipz. 1900); Haupt, Backsteinbauten der Renaissance in Deutschland (Frankf. a. M. 1899); Stiehl, Der B. romanischer Zeit etc. (Leipz. 1898).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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