- Montesquieu
Montesquieu (spr. mongteskjȫ), Charles de Secondat, Baron de Labrède et de, berühmter franz. philosophisch-politischer Schriftsteller, geb. 18. Jan. 1689 auf dem Schlosse Brède bei Bordeaux, gest. 10. Febr. 1755 in Paris, studierte autodidaktisch die Rechte, wurde 1714 Rat beim Parlament zu Bordeaux und zwei Jahre später Präsident desselben. In dieser Stellung war er auch Mitbegründer der Akademie daselbst. Die literarische Laufbahn betrat er mit den »Lettres persanes« (Amsterd. 1721, 2 Bde.; neueste Ausgabe von H. Barckhausen, Par. 1900; deutsch von Strodtmann, Berl. 1866), worin er unter der Maske eines Persers vom Standpunkt des Naturmenschen aus das damalige politische, soziale und literarische Treiben der Franzosen mit geistreichem Spott geißelte. Einen Kommentar dazu lieferte Maurice Meyer (Par. 1841). Um die Gesetze und Verfassungen der europäischen Kulturstaaten, die er in seinem »Esprit des lois« darzustellen beabsichtigte, näher kennen zu lernen, legte er 1726 seine Stellung nieder und bereiste Deutschland, Ungarn, Italien, die Schweiz, Holland und England, wo er zwei Jahre blieb und zu London in die königliche Sozietät der Wissenschaften aufgenommen ward. Kurz zuvor war er auch zum Mitglied der Pariser Akademie ernannt worden. Nach seiner Rückkehr auf sein Schloß Brede schrieb er die »Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence« (Amsterd. 1734; neueste Ausgaben von Jullian, 3. Aufl., Par. 1906, von H. Barckhausen, das. 1900; deutsch von Hacke, Leipz. 1828; von Sporschil, das. 1842; für den Schulgebrauch erklärt von Wendler, das. 1871) und unter dem Pseudonym Charles d'Outrepont den »Dialogue de Sylla et d'Eucrate, et de Lysimaque« (Par. 1748), worin er das Wesen eines Despoten aufs feinste darlegt. Nach langen Vorstudien erschien endlich sein Hauptwerk: »De l'esprit des lois« (Genf 1748, 2 Bde., in fast alle europäischen Sprachen übersetzt; deutsch von Hauswald, Halle 1829, 3 Bde.; von Ellissen, 4. Aufl., Leipz. 1854, und von A. Fortmann, das. 1891). In diesem, philosophisches Staatsrecht, Politik, Geschichte und positives Recht enthaltenden, an glänzenden Gedanken reichen und von Schulpedanterie freien Buch ist zuerst der Versuch gemacht, die Entwickelung gesetzlicher Institutionen und ihr Naturverhältnis zu lokalen und sozialen Bedingungen in den verschiedenen Ländern in einem Überblick darzustellen und hierdurch die Verschiedenheit der Staatsformen als etwas Notwendiges nachzuweisen. Seine Hauptbedeutung liegt aber in der darin an dem Muster der englischen Verfassung entwickelten Theorie von der Teilung der drei Gewalten (der gesetzgebenden, ausführenden und richterlichen), einer Lehre, deren Folgesätze M. zwar noch nicht gezogen hat, und die in der von ihm aufgestellten Form nicht haltbar ist, durch die er aber für die Theorie des konstitutionellen Staatsrechts zuerst Bahn gebrochen und auf diese den nachhaltigsten Einfluß geübt hat. Eine Analyse des Werkes lieferte Bertolini, einen geistreichen Kommentar Destutt de Tracy (Par. 1819). Von Montesquieus übrigen Werken sind seine »Lettres familiaires« (Flor. 1767) und »Le temple de Gnide« (Par. 1725), letzteres eine Art Gedicht in Prosa, ein der frivolen Zeitrechnung dargebrachtes Opfer, zu nennen. Ausgaben seiner sämtlichen Werke besorgten unter andern L. S. Auger (Par. 1816, 6 Bde.), Parelle (mit Varianten und Noten, das. 1826–27, 8 Bde.), Dalibon (das. 1827, 8 Bde.), Hachette (1865, 3 Bde.; 1903), Laboulaye (1875–79, 7 Bde.). Einen Band »Mélanges inédits de M.« (1892) sowie »Voyages de M.« (1894 bis 1896, 2 Bde.) und »Pensées et fragments inédits« (Par. 1899–1901, 2 Bde.) gab der Baron Albert de M. heraus. Vgl. Villemain, Eloge de M. (Par. 1816); Dangeau, M., bibliographie de ses œuvres (das. 1874); Vian, Histoire de M., sa vie et ses œuvres (2. Ausg., das. 1879); die kleinern Biographien von Sorel (1887; deutsch von Kreßner in den »Geisteshelden«, Berl. 1895) und Zevort (Par. 1887); Schvarcz, M. und die Verantwortlichkeit der Räte der Monarchen etc. (Leipz. 1892).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.