Lawīnen

Lawīnen

Lawīnen (auch Lauinen, Lauwinen, in den Ostalpen Lahnen), Schneemassen, die von ihrem Lager an den Bergabhängen hoher und steiler Gebirge talwärts abgleiten. Diese Erscheinung findet zumeist im Frühjahr, in gefährlichster Weise im März und April, statt, wenn die Schneelagen durch das sie durchdringende Tauwasser vom Boden losgelöst werden und dieser zugleich schlüpfrig gemacht wird. Die zusammenhängenden Schneemassen kommen zunächst in eine rutschende Bewegung, die dann von geringer Geschwindigkeit bleibt, wenn die Abhänge wenig steil sind; derartige L. nennt man Rutsch- oder Schleichlawinen, auch Schlüpfe. Sind jedoch die Abhänge steil, so gleitet oder rollt die Schneemasse mit stets wachsender Schnelligkeit niederwärts und vergrößert sich durch die in ihrer Bahn liegenden Schneemassen, Felsblöcke, entwurzelte Bäume etc. fortwährend und oft sehr rasch. Die Schnelligkeit dieser kolossalen Schneemassen wird so groß, daß schon der ihnen voranstürmende Luftdruck Menschen und Tiere, Bäume und Häuser niederwirft oder fortschleudert. Erreicht die Lawine einen jähen Abhang, so stürzt sie unter furchtbarem Donner hinunter. Diese Grund- oder Schlaglawinen zerschmettern und begraben alles, was sie in der Tiefe des Tales antreffen. Minder gefährlich sind die Staublawinen, die im Spätwinter fallen, aus trocknem, lose herabrollendem Schnee bestehen und nur durch ihre ungeheure Masse verheerend wirken können. In den höhern Gebirgsregionen entstehen im Sommer Eis- oder Gletscherlawinen dadurch, daß sich bei länger andauernder Wärme Teile steiler Gletscher ablösen und in Bewegung setzen. Solche Einstürze von Gletschern haben bisweilen entsetzliche Zerstörungen angerichtet, z. B. jener des Biesgletschers (Wallis) 1819, der das Dorf Randa verwüstete. Zum Schutz vor L. errichtet man hinter den Häusern Lawinenbrecher, keilförmige, mit der Schärfe nach der Berghöhe zugekehrte Steinbaue, welche die heranbrausende Lawine in zwei vom Hause selbst abgelenkte Teile trennen sollen. Ähnlichen Schutz kann unter Umständen ein Wald gewähren, der dann, wie bei Andermatt im Urserental, als Bannwald nicht gefällt werden darf. In neuerer Zeit verbaut man die Stellen, wo mehr oder minder regelmäßig L. losbrechen, die Lawinenzüge, mit Pfahlwerken, Flechtzäunen, Schneebrücken und Mauerwerk und sucht durch Aufforstung kahler Hänge das Losbrechen der L. an ihrer Ursprungsstelle zu verhindern; Alpenstraßen werden auch an gefährdeten Stellen so überbaut, daß die L. über die Dächer hinweggehen. Der Nutzen der L. besteht in dem Wegräumen des Schnees von hochgelegenen Matten, die sonst manchmal den ganzen Sommer hindurch schneebedeckt blieben. Vgl. Coaz, Die Lauinen der Schweizeralpen (Bern 1881); V. Pollak in der »Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins, 1889«; Landolt, Die Bäche, Schneelawinen etc. und die Mittel zur Verminderung der Schädigung durch dieselben (Zürich 1887); Ratzel, Die Schneedecke (Stuttg. 1890).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Lawinen — (Lavinen, im Schweizerischen Lauwinen od. Lauinen), große Schneemassen, die von hohen Gebirgen in das Thal herabrollen u. dort oft die größten Verwüstungen anrichten. Häufig sind dieselben anfangs nur unbedeutende Ballen, die auf der Spitze eines …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Lawinen — Lawinen. Berge, welche die Schneegrenze übersteigen, also immer mit Schnee bedeckt sind, wie die höheren der Schweiz, von Tirol und die meisten der Andes in Amerika, bieten eine eigene Erscheinung dar, die der Lawinen. Ist der Schnee hart… …   Damen Conversations Lexikon

  • Lawinen — Lawīnen (Lavinen, Lauinen), in Tirol Lähne, frz. avalanches, große stürzende Schnee und Eismassen der Hochgebirge. Grundformen: Staub L. entstehen, wenn bei kaltem Wetter frischer Schnee plötzlich orkanartig als stäubende Wolke von den Abhängen… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Lawinen: Der weiße Tod —   Eine Lawine entsteht, indem an Gebirgshängen Schnee, manchmal auch Schutt, Steine oder Eis herabstürzt. Dies geschieht bei hohem Gewicht der Schneedecke nach Neuschnee oder wenn Regen oder Schmelzwasser den Schnee durchtränkt haben. Lawinen… …   Universal-Lexikon

  • Lawinen, Lawinenschutzanlagen — Lawinen, Lawinenschutzanlagen. Lawinen sind große Schneemassen, die in den Hochgebirgen an stark geneigten Hängen sich plötzlich ablösen und zu Tal stürzen. Die Bildung einer Lawine ist abhängig von der Neigung und Gestaltung des Hangs, von dem… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Lawinen-Laufzeit-Diode — Die IMPATT Diode ist ein Hochfrequenz Halbleiter Bauelement der Mikroelektronik, das als Diode zu den elektronischen Bauelementen gehört. Der Name leitet sich von der englischen Bezeichnung Impact Ionization Avalanche Transit Time Diode ab, im… …   Deutsch Wikipedia

  • Lawinen-Laufzeit-Effekt — griūtinio lėkio reiškinys statusas T sritis fizika atitikmenys: angl. avalanche transit time phenomenon vok. Lawinen Laufzeit Effekt, m rus. лавинно пролётный эффект, m pranc. phénomène d’avalanche et de temps de transit, m …   Fizikos terminų žodynas

  • Lawinen-Durchbruch — Der Lawinendurchbruch, auch Avalanche Durchbruch genannt, ist eine der drei Durchbruchsarten bei Halbleiterbauelementen. Unter einem Durchbruch eines p n Übergangs versteht man den steilen Anstieg des Stroms bei einer bestimmten Sperrspannung,… …   Deutsch Wikipedia

  • Europäische Gefahrenskala für Lawinen — Die Europäische Gefahrenskala für Lawinen ist eine seit 1993 in Europa geltende Bewertungsskala für die Einschätzung der Lawinengefahr in den Bergen. Sie besteht aus fünf Stufen mit klar definierten und vereinheitlichten Begriffen in… …   Deutsch Wikipedia

  • Lawine — Ein Lawinenkegel nach dem Abschmelzen Als Lawine werden große Massen von Schnee oder Eis bezeichnet, die sich von Berghängen ablösen und zum Tal gleiten oder stürzen. Lawinen, die große Sach , Personen oder Umweltschäden verursachen, werden zu… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”