- Kohlhase
Kohlhase (unrichtig Kohlhaas), Hans, der Held der Kleistschen Novelle »Michael Kohlhaas«, ein Berliner Produktenhändler, geriet auf der Reise nach der Leipziger Messe 1. Okt. 1532 in Wellaune mit Leuten des Junkers Günter v. Zaschwitz in Streit und mußte seine Pferde zurücklassen. K. gelangte deswegen zu spät nach Leipzig, hatte dadurch Geschäftsverlust und verlangte auf der Rückreise in Wellaune vom Junker seine Pferde zurück. Dieser war gegen Zahlung von 5–6 Groschen Futtergeld zur Herausgabe bereit, doch K. verstand sich nicht dazu, geriet infolge der Vernachlässigung seines Geschäfts in Vermögensverfall und nahm nun dem Junker gegenüber, als dem Urheber seines Unglücks, die Hilfe seines Landesherrn, des Kurfürsten von Brandenburg, in Anspruch, in dem er Erstattung des doppelten Wertes seiner Pferde und 150 Gulden Schadenersatz beanspruchte. Zaschwitz wies diese Ansprüche als ungerechtfertigt zurück und verlangte noch 12 Gulden Futtergeld, worauf K. schließlich unter Vorbehalt seiner weitern Forderungen einging. Vergleichsverhandlungen blieben erfolglos, und K., der keinen Rechtsschutz fand, erließ einen Fehdebrief, der in Sachsen große Unruhe erregte. Mehrere Feuersbrünste in Wittenberg und umliegenden Dörfern wurden K. schuld gegeben. Auf einem Rechtstag in Jüterbog reinigte sich K. durch Eid von jenem Verdacht und versprach, die Fehde einzustellen, wenn ihm die Familie des inzwischen verstorbenen Junkers v. Zaschwitz 600 Gulden Entschädigung zahle. Die Familie v. Zaschwitz war einverstanden, doch Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen erhob dagegen Einspruch, ließ auf K. fahnden und setzte einen Preis von 100 Tlr. auf seine Einbringung. Nun begann K. 1535 wirklich die angedrohte Fehde mit einem Einbruch in die Mühle zu Gomming und sing, nachdem nochmals vergeblich eine gütliche Erledigung der Händel versucht worden war, Wegelagerei an. Es kam zu einem förmlichen Kampf zwischen K. nebst seinen Genossen und Sachsen, dem Brandenburg untätig zuschaute, wenn es nicht K. insgeheim begünstigte. Dieser plünderte Marzahna, erpreßte bedeutende Summen, gedachte Baruth in Asche zu legen und nahm für jede Exekution, die an einem seiner Genossen vollzogen ward, blutige Rache. Erst 2. Jan. 1539 befahl Kurfürst Joachim II. von Brandenburg den Sachsen zur Habhaftwerdung Kohlhases behilflich zu sein, doch niemand wollte sich dazu verstehen. Da jeder Mord und Brand K. zugeschoben wurde, stieg die Furcht vor ihm ins Maßlose, und ganz Kursachsen war in Verzweiflung. Ein Versuch, durch Luther einen Vergleich mit K. herbeizuführen, mißlang. K. verwilderte immer mehr, erwählte sich seine Helfershelfer aus dem verworfensten Gesindel und befehdete auf Anraten eines gewissen Georg Nagelschmidt seinen eignen Landesherrn, um ihn zum Bruch mit Sachsen zu nötigen. Wirklich nahm er einen Transport Silber, der aus den mansfeldischen Bergwerken nach Berlin ging, bei dem danach so genannten Kohlhasenbrück bei Potsdam weg, wurde aber nun 8. März 1540 ergriffen und 22. März d. J. vor dem Georgentor in Berlin aufs Rad geflochten. Denselben Tod starb sein Genosse Nagelschmidt. Vgl. Burkhardt, Der historische Hans K. und H. v. Kleists Michael Kohlhaas (Leipz. 1864). Denselben Stoff behandeln R. Zoozmann in seinem Drama »Ums Recht« (Berl. 1896), Karl Weitbrecht in der Tragödie »Schwarmgeister« (Stuttg. 1900) und Gertrud Prellwitz in dem Trauerspiel »Michel Kohlhas« (Freiburg 1904).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.