- Instrumentālmusik
Instrumentālmusik, im Gegensatze zur Vokalmusik (s. d.) die durch Instrumente ausgeführte Musik. Da man die von Instrumenten begleitete Vokalmusik zur Vokalmusik zu rechnen pflegt, so hat das Wort I. die vulgäre Bedeutung von Musik erhalten, die nur von Instrumenten ausgeführt wird, bei der also Gesang völlig ausgeschlossen ist. Je nachdem eine I. nur von einem oder wenigen oder aber einem starken Ensemble von Instrumenten auszuführen ist, sind die technischen Bedingungen und ästhetischen Wirkungen sehr verschieden und ergeben abweichende Behandlungen der Setzweise (Stilarten). Seit der Entwickelung e[ner wirklichen selbständigen I. (s. Musik, Geschichte IV) sind die Instrumente, die eine selbständige solistische Literatur erhalten haben, vor allem die Laute (15.–18. Jahrh.), Orgel, Klavier und die Streichinstrumente, besonders Gambe (17.–18. Jahrh.) und Violine. Die ältesten Formen dieser solistischen Literatur sind Tanzstücke verschiedensten Charakters, ursprünglich für Gesang oder Instrumente, bald aber rein instrumental gedachte, die sich allmählich ihrer Bestimmung mehr und mehr entfremdeten und zu Charakterstücken schärfster Physiognomie wurden (Paduanen, Gaillarden, Allemanden, Couranten, Sarabanden, Gigues, Bourréen, Rigaudons, Gavotten, Louren, Menuette etc.) und daneben die zum Tanz in keiner Beziehung stehenden Vorspiele (Präambeln, Intraden und Tokkaten) und die als instrumentale Nachbildungen des Vokalsatzes anzusehenden imitierenden Instrumentalsätze (Ricercari, Fantasien, Capricci). Schon die Komponisten der Wende des 16.–17. Jahrh. schrieben aus diesen Elementen zusammengesetzte zyklische Werke, die Italiener ihre Kanzonen oder Sonaten, in denen sie eine große Zahl Teile wechselnder Taktart und wechselnden Tempos ohne Pausen direkt zusammenfügten, die Deutschen ihre Tanzsuiten oder Partiten (schon seit 1611 [Peurl, Schein]), Ketten von mehrteiligen Tänzen, denen sie seit 1650 gern eine Symphonie oder Sonate als Einleitungssatz vorausschickten. Solche Werke schrieb man sowohl für einzelne Instrumente mit Generalbaß als für ein Ensemble von Blas- oder Streichinstrumenten oder für beide, damit die Grundsteine nicht nur unsrer Kammermusik, sondern auch unsrer Orchestermusik legend. Die instrumentalen Einleitungen (Symphonien) und Zwischenspiele (Ritornelli) der Opern (seit 1600) brachten kaum die I. wesentlich vorwärts, blieben vielmehr zunächst flüchtig und inhaltlos; dagegen wirkte die Ausbildung der ebenfalls um 1600 aufkommenden vokalen Concerti ecclesiastici (Viadana) mit begleitendem Continuo (Generalbaß) befruchtend auf die I., da die Komponisten bald genug nach Art der konzertierenden Gesangsstimmen konzertierende Instrumente (besonders Violinen) einführten; so entstand die zwei- oder mehrstimmige Sonata concertata (später Sonata da chiesa genannt im Unterschied von der aus Tanzstücken zusammengestellten Sonata da camera). Zu besonderer Bedeutung gelangte die durch Lully eingeführte Form des Opernvorspiels, die französische Ouvertüre (s. d.) in Verbindung mit einer Tanzsuite, die besonders in Deutschland etwa um 1680–1760 den Grundstock der wirklichen Orchestermusik bildete und erst allmählich durch das Solokonzert, Concerto grosso und die leichter geartete italienische Symphonie verdrängt wurde, indem letztere von ihr kräftigere Elemente und ausgeführtere thematische Arbeit annahm. Inzwischen war der Orgel- und Klaviersatz, logisch fortgebildet durch Frescobaldi, Froberger, Pachelbel, Buxtehude u. a., der Lautensatz durch Reusner, Gaultier, Mouton, Lesage u. a. zur wirklichen Klassizität des Geschmacks verfeinert worden und hatte direkt in den leichten graziösen Klavierstil der Franzosen (d'Anglebert, Couperin) übergeführt. So stand es, als J. S. Bach und G. Fr. Händel auftraten und mit ihrem gewaltigen Genie alle diese Strahlen vereinigten zu Werken von vorher kaum geahnter Größe und Wirkung. Die nächste Folgezeit brachte aber noch eine durchgreifende Umgestaltung der I. durch Beseitigung des Continuo aus der Kammer- und Orchestermusik, durch Zurückdrängung der Tanzstücke aus den zyklischen Werken zugunsten freier gearteter Sätze und durch die Einführung des Tonartenkontrastes für die getrennten Teile mehrsätziger Werke und des Themenkontrastes (2. Thema) und der Durchführung innerhalb der einzelnen Sätze sowie durch die Emanzipierung der Bläser aus ihrer bloß verstärkenden Rolle zu selbständiger Entfaltung ihrer Mittel. Diese Umgestaltung fiel der durch Johann Stamitz eingeleiteten Epoche Haydn-Mozart-Beethoven zu, nach der eine Weiterentwickelung der I. nur noch in der an Weber anknüpfenden bewußten Ausnutzung der Klangfarben für tonmalerische Zwecke konstatiert werden kann (Programmusik). Vgl. Wasielewski, Geschichte der I. im 16. Jahrhundert (Berl. 1878) und Die Violine im 17. Jahrhundert und die Anfänge der I. (Bonn 1874); Nef, Zur Geschichte der deutschen I. in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts (Leipz. 1902); Brenet (Marie Bobillier), Histoire de la symphonie à orchestre (Par. 1882) und Les concertsen France sous l'ancien régime (das. 1900); Torchi, La musica istrumentale in Italia nel secoli XVI, XVII e XVllI (Turin 1901); Riemann, Die Symphonien der pfalzbayerischen Schule (Leipz. 1902).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.