- Herakleitos
Herakleitos (Heraklit), griech. Philosoph aus Ephesos, wegen der Dunkelheit seiner Lehre Skoteinos (der »Dunkle«) genannt, später als der weinende Philosoph dem lachenden Demokrit gegenübergestellt, blühte um 500 v. Chr. und ist der bedeutendste der ionischen Naturphilosophen. Von seinem Leben ist wenig bekannt; nach seiner Angabe war er Autodidakt. Sein in Prosa verfaßtes Werk, das den Titel »Über die Natur« führte, voll tiefer Gedanken, in bilderreicher Sprache abgefaßt und schwer verständlich war, wurde im Altertum sehr hoch geschätzt. Die Bruchstücke desselben haben Schleiermacher, später Bernays gesammelt; ferner wurden sie herausgegeben von Schuster in Ritschls »Acta societatis philologae Lipsiensis«, Bd. 3 (Leipz. 1873), von Bywater (Oxf. 1877), am besten von Diels, »H. von Ephesos, griechisch und deutsch« (Berl. 1901), auch in dessen »Fragmenten der Versekritiker« (das. 1903), der 137 Fragmente, einschließlich der unechten, anführt. H. nimmt das Feuer als den Urgrund alles Seienden an: alle Dinge sind aus Feuer geworden, lösen sich aber auch wieder in Feuer auf. Die Welt hat nicht einer der Götter oder der Menschen gebildet, sondern sie war und wird sein ewig lebendes Feuer, das in steter Ordnung sich entzündet und verlöscht. Die Verwandlungen gehen fortwährend vor sich, weshalb alles im Werden ist, »alles fließt« (wonach seine Anhänger spottweise die »Fließenden« hießen); nicht zweimal kann man in denselben Fluß hinabsteigen. Die doppelte Richtung des Werdens nennt H. den Weg nach oben und unten; das Entstehen aller Veränderungen beruht auf Gegensatz, so daß der Krieg der Vater aller Dinge genannt wird. Über allem aber waltet das Gesetz der Notwendigkeit, das zugleich die Vernunft (Logos) ist, nach der die Bewegung in der Welt durchaus vor sich geht, so daß der Prozeß des Werdens ein logischer ist und Harmonie in dem Ganzen herrscht. Jeder Einzelne soll in seinem Denken und Handeln der allgemeinen Vernunft oder dem Gesetz der Natur folgen, aber freilich haben sich die meisten von ihr abgekehrt und gehen ihrem eignen Sinne nach. Die Seelen entstehen auf dem Wege nach oben, d. h. auf dem Prozeß der Umwandlung aus Erde und Wasser in Feuer, je entfernter von dem Nassen, je trockner und feuriger, desto reiner und weiser sind sie; dagegen ist Wasser Tod für die Seelen. Auf der heraklitischen Physik fußte mit ihren Hauptsätzen die stoische. Christliche Kirchenväter hielten viel von Heraklit; auch in der neuesten Zeit hat noch Hegel erklärt, er habe alle Sätze Heraklits in seine Logik aufgenommen. Vgl. Lasalle, Die Philosophie H.' des Dunkeln (Berl. 1858, 2 Bde.); Teichmüller, Neue Studien zur Geschichte der Begriffe, Heft 1 (Gotha 1876); Mohr, Über die historische Stellung Heraklits von Ephesus (Würzb. 1876); Pfleiderer, Die Philosophie des Heraklit von Ephesus im Lichte der Mysterienidee (Berl. 1886); Patin, Heraklits Einheitslehre (Münch. 1885) und Heraklitische Beispiele (Neuburg 1892–93, 2 Tle.); Schäfer, Die Philosophie des Heraklit von Ephesus (Wien 1902)
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.