- Geradlinige Fläche
Geradlinige Fläche (Regelfläche), eine Fläche (s.d.), auf der man durch jeden Punkt eine ganz auf der Fläche liegende Gerade ziehen kann. Jede g. F. kann daher durch Bewegung einer Geraden erzeugt werden; die verschiedenen Lagen der bewegten Geraden heißen die Erzeugenden (Generatricen, Einzahl: Generatrix) der Fläche. Bewegt sich die erzeugende Gerade so, daß jede ihrer Lagen mit der nächstfolgenden (unendlich benachbarten) Lage in einer Ebene liegt, oder, was auf dasselbe hinauskommt, daß jede ihrer Lagen die nächstfolgende schneidet, so gehört das zwischen diesen beiden unendlich benachbarten Lagen enthaltene, unendlich kleine Ebenenstück der erzeugten Fläche an; indem man nun diese Flächenstücke unendlich kleinen Drehungen um die aufeinander folgenden Erzeugenden unterwirft, kann man alle diese Flächenstücke und somit auch die ganze Fläche auf eine Ebene ausbreiten oder abwickeln; man nennt daher eine solche Fläche abwickelbar (developpabel). Da jede Erzeugende der Fläche von der unendlich benachbarten Erzeugenden geschnitten wird, so gibt es auf jeder Erzeugenden einen ausgezeichneten Punkt, und der Inbegriff aller dieser Punkte heißt die Rückkehrkante der abwickelbaren Fläche. Ist die Rückkehrkante eine doppeltgekrümmte Kurve, so besteht die Fläche aus allen Tangenten der Kurve (ist die Tangentenfläche der Kurve), schrumpft die Rückkehrkante auf einen Punkt zusammen, so ist die abwickelbare Fläche ein Kegel (s.d.) oder Zylinder (s.d.), je nachdem dieser Punkt im Endlichen oder im Unendlichen liegt; im ersten Falle gehen alle Erzeugenden durch jenen Punkt (die Kegelspitze), im zweiten sind sie alle zueinander parallel. Ist die Rückkehrkante eine ebene Kurve, so ist die erzeugte Fläche die Ebene der Kurve. Die Ebene ist die einfachst abwickelbare Fläche, auf ihr gibt es durch jeden Punkt sogar unendlich viele, auf der Fläche liegende Gerade. Die nicht abwickelbaren geradlinigen Flächen nennt man windschiefe Regelflächen. Die einfachsten sind die sogen. geradlinigen Flächen zweiten Grades, das einschalige Hyperboloid (s.d.) und das hyperbolische Paraboloid (s.d.), auf diesen gehen durch jeden Punkt der Fläche zwei Erzeugende, und man kann sich die Fläche durch Bewegung der einen oder der andern dieser Erzeugenden entstanden denken. Man erhält so auf der Fläche zwei Scharen von Erzeugenden, je zwei Erzeugende derselben Schar sind windschief zueinander, dagegen wird jede Erzeugende der einen Schar von jeder Erzeugenden der andern Schar geschnitten. Auch die andern Flächen zweiten Grades (Kugel, Ellipsoid, zweischaliges Hyperboloid, elliptisches Paraboloid) enthalten gerade Linien, die aber imaginär (s.d.) sind. Die geradlinigen Flächen dritter und vierter Ordnung sind in den letzten Jahrzehnten sehr eingehend untersucht worden, die Zahl ihrer Arten ist sehr groß. Unter den transzendenten Regelflächen ist die gemeine Schraubenfläche (s.d.) die einfachste. Vgl. Salmon-Fiedler, Analytische Geometrie des Raumes, Bd. 2 (3. Aufl., Leipz. 1880).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.