Friedensgerichte

Friedensgerichte

Friedensgerichte (Schiedsgerichte) heißen die zur gütlichen Erledigung von Rechtsstreitigkeiten bestellten Behörden. Bei den meisten Völkern finden wir ursprünglich fast nur Schieds- und Vergleichsgerichte, so namentlich bei den germanischen Völkerschaften. Aber auch nachdem in Deutschland ein eigentliches Prozeßverfahren ins Leben getreten, bestanden noch nach wie vor eigentliche Vergleichsinstitute zur Beilegung der Prozesse in »Minne« oder Güte, weshalb die Richter nicht selten auch »Minner« genannt wurden (vgl. Austräge), und es ist von jeher als eine Pflicht des Richters anerkannt worden, bei Privatrechtsstreitigkeiten vor Erteilung rechtlicher Entscheidung eine gütliche Erledigung derselben zu versuchen. Daneben finden sich aber bei den meisten Völkerschaften auch eigentliche F. In England fungieren die schon im 14. Jahrh. von König Eduard III. eingesetzten Friedensrichter (justices of the peace) als wichtiges Organ der Selbstverwaltung teils als Lokalbehörden, einzeln oder zu zweien (petty sessions), teils als Kreisbehörden (special sessions), teils als Grafschaftsbehörden (quarter sessions). Im übrigen liegen den Friedensrichtern die Voruntersuchung bei Verbrechen, die Polizeiverwaltung und Polizeigerichtsbarkeit sowie die Entscheidung minder wichtiger Privatrechtsstreitigkeiten ob. Vgl. Gneist, Selfgovernment (3. Aufl., Berl. 1871). In Frankreich, woselbst das Institut der F. durch Gesetz vom 24. Aug. 1790 eingeführt ward, sind die Friedensrichter (juges de paix) nicht nur obrigkeitlich bestellte Vermittler und Schiedsmänner des Volkes in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, sondern Ortsbeamte der Regierung mit ausgedehnterm Wirkungskreis. Bevor eine Klage vor einem ordentlichen Gericht angebracht wird, muß vor dem Friedensgericht der Weg der Güte versucht worden sein; in den meisten minder wichtigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten hat der Friedensrichter das Amt eines Zivilrichters, eine Reihe von Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind ihm übertragen, für Übertretungen (contraventions de simple police) ist er zuständig und ist zugleich Hilfsbeamter der Gerichtspolizei (officier de police judiciaire). Vgl. Godart, Manuel des juges de paix (Par. 1898, 2 Bde.). Von Frankreich war mit dem französischen Recht das Institut der F. auch auf Rheinpreußen, Rheinbayern und Rheinhessen übergegangen. Doch ist dasselbe durch die neue Reichsjustizorganisation dort ebenso wie in Elsaß-Lothringen beseitigt worden. Ganz andrer Natur sind die in vielen deutschen Ländern eingeführten Institute der Friedensrichter oder Schiedsmänner, welche Verminderung und Abkürzung der Prozesse durch Beilegung zivilrechtlicher Streitigkeiten, öfters auch Ehrenkränkungssachen, im Wege des Vergleichs oder schiedsrichterlichen Ausspruchs bezwecken (s. Schiedsmann).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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