- Tschuktschen
Tschuktschen (auch Tschautschu), ein zu den Arktikern oder Hyperboreern gehöriges Volk im nordöstlichsten Sibirien (s. Tafel »Asiatische Völker I«, Fig. 1). Nach ihrer Lebensweise unterscheidet man nomadisierende oder Renntiertschuktschen und seßhafte T. Die erstern ziehen zwischen der Beringstraße, Indigirka und der Penschinabai herum. Die andern, auch Namollo genannt, haben feste Wohnsitze an den Ufern des Eismeeres und der Beringstraße. Die Gesamtzahl der T. gibt Patkanow auf (1897) 12,171 Köpfe an. Ihre Heimat, die sogen. Tschuktschenhalbinsel (s. Karte »Sibirien«), ist ein ödes Land ohne jeden Baumwuchs. Die T. sind im allgemeinen von mittlerer Größe; sie haben langes, straffes, schwarzes Haar, horizontal liegende Augen, hervorstehende Backenknochen und helle, wenig braune Haut. Trotz größter Unsauberkeit erfreuen sie sich guter Gesundheit. Ihre Kleidung besteht aus einem Päsk aus Renntier- oder Seehundsfell, der auf dem bloßen Körper getragen wird, und über den man bei Regen oder Schnee noch einen Rock von Gedärmen oder Baumwollenzeug zieht. Unter dem Päsk, der bis an die Knie reicht, werden zwei Paar Hosen aus demselben Stoff getragen, das innere mit den Haaren nach innen, das äußere mit den Haaren nach außen. Die Füße stecken in Strümpfen aus Seehundshaut oder in Mokassins mit Sohlen aus Walroß- oder Bärenfell; der Kopf ist mit einer Haube geschützt, über die bei strenger Kälte noch eine andre gezogen wird. Erzeugnisse ihrer Kunstfertigkeit zeigen die Tafeln »Geräte der Naturvölker I«, Fig. 1; »II«, Fig. 37 u. 44; »Indianische Kultur II«, Fig. 10; »Kunst der Naturvölker II«, Fig. 27. Die seßhaften T. treiben außer Fischfang die Jagd auf Walrosse, Robben und selbst Walfische. Die Walroßzähne sind ein Haupthandelsartikel im Verkehr mit den Amerikanern, von denen sie Tabak, Branntwein, Pulver, Blei, Flinten etc. erhalten. Zu den Russen, mit denen sie früher häufige Kämpfe hatten, haben sie geringe Beziehungen; einen Jasak entrichten nur die T., die nach Nishne-Kolymsk zum Jahrmarkt fahren. Eine gesellschaftliche Ordnung gibt es so wenig wie anerkannte Häuptlinge. Sie sind Heiden und haben keine Vorstellung von einem höhern Wesen. Die wenig entwickelte Sprache der T. zeigt mit keiner andern bekannten Sprache als mit den Sprachen der benachbarten Korjaken und Kamtschadalen Verwandtschaft. Den Zahlwörtern liegt das Vigesimal- (Zwanziger-) System zugrunde. Vgl. Nordquist in Nordenskiölds Reisewerk: »Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Vega-Expedition« (Leipz. 1883); Krause, Die Bevölkerungsverhältnisse der Tschuktschenhalbinsel (in den »Deutschen geographischen Blättern«, Bremen 1883); Radloff, Über die Sprache der T. (in den »Mémoires« der Petersburger Akademie, 1860); Sljunin in »Semlewjedjenie« (»Erdkunde«, Mosk. 1895, Heft 4, S. 1–46, russ.); Bogaras, The Chukchee (»The Jesup North Pacific Expedition«, New York 1905).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.