- Strindberg
Strindberg, August, schwed. Schriftsteller, geb. 22. Jan. 1849 in Stockholm, war zuerst einige Zeit Lehrer, studierte dann Medizin, besuchte die Theaterschule, jedoch ohne auftreten zu dürfen, und nahm seine Studien 1870–72 wieder auf. Das interessante Drama »Meister Olof« wurde 1872 vom Publikum abgelehnt. Die Enttäuschung fand bittern Widerhall in den Schilderungen aus dem Stockholmer Künstlerleben »Das rote Zimmer« (1879), das die realistisch-naturalistische Literaturbewegung in Schweden einleitet. Es rief einen Sturm der Entrüstung hervor. S. antwortete mit der bitterbösen Satire »Das neue Reich« (1882). In rascher Folge erschienen jetzt die Schauspiele »Frau Margit« und »Glückspeter«, die satirisch-agitatorischen Gedichte »Wundfieber«, »Schlafwandeln« (1883) u. a. In seiner ersten Periode stellt er die Frau und die Liebe als die tragenden Mächte des Lebens dar; in der zweiten Periode, nach einer europäischen Reise 1883, wird die Frau als der Quälgeist des Mannes geschildert; die aristokratische Kultur gilt ihm als verfehlt, und er tritt als der Verfechter des Utilitarismus auf (»Ehegeschichten«, 1884–85, 2 Tle.; »Die Inselbauern«, 1887; »Unter französischen Bauern«, 1889; die Schauspiele »Kameraden«, 1888; »Fräulein Julie«, 1888; »Der Vater«, 1889, mit einer Vorrede von Zola; »Gläubiger«; »Samum« und seine sehr offenherzige Selbstanalyse »Der Sohn einer Magd«, 1887). Dem Gleichheitsfanatismus folgte alsbald unter Nietzsches Einfluß die Reaktion als Übermenschenkultus (»Tschandala«. 1889; »Am offnen Meer«, 1890). Nach einer Periode von chemischen und alchimistischen Studien (»Gedrucktes und Ungedrucktes«, 1890; »Antibarbarus«, 1894) erschienen die psychologisch verworrenen und verwirrenden Schriften: »Die Beichte eines Toren« (1893), »Inferno« (1897), »Legenden« (1898), die Dramen »Nach Damaskus« (1898–1904, 3 Tle.), »Vor höherem Recht« (1899) u. a. Strindbergs unbarmherzige Kritik richtet sich mit ihrem Vergrößerungsglas jetzt gegen ihn selbst und er analysiert sein Leben, die quälende Kindheit »einer schüchternen und hungerigen Natur«, die gärenden Jugendjahre in Armut und Unverständnis, die Verzweiflung und Zanksucht des Mannes, die Ohnmacht des Alternden, alles, was die Tragödie des Stimmungsmenschen ausmacht. Weder als Gefühlsmensch der ersten Periode noch als Intelligenzaristokrat der zweiten hatte er eine befriedigende Lebenslösung finden können; jetzt sucht er einen dritten Erklärungsgrund und wird Mystiker. Die historischen Schauspiele: »Die Folkunger«, »Gustav Wasa«, »Erik XIV.«, »Gustav Adolf II.«, »Christine«, »Karl XII.«, »Gustav III.« und »Die wittenbergische Nachtigall« (gesammelt 1906–07) drücken den Gedanken aus, daß die Welt von höhern, übersinnlichen Mächten geleitet wird. In seinen spätern Werken entfaltet der frühere Naturalist eine Fülle von romantischer Poesie (»Advent«, »Ostern«, »Mittsommer«, um 1900; »Märchen«, 1903; »Einsam«, 1903; »Historische Miniaturen«, 1905). S. ist in der modernen schwedischen Literatur der größte Spracherneuerer, der kühnste, eigenartigste Geist. Als rücksichtsloser Anbahner hat er mehr Widerspruch und Anfeindung erregt, als seiner überempfindlichen Natur heilsam war. Seine Romane erschienen in schwedischer Volksausgabe 1899 ff., seine Dramen 1903–05, 2 Serien; unter Mitwirkung von E. Schering veranstaltete S. selbst eine deutsche Gesamtausgabe Berlin 1901 ff., 33 Bde. Vgl. Levertin, Diktare och drömmare (Stockh. 1898); H. Lindgren, Skalder och tänkare (das. 1900); D. Sprengel, De nya poeterna (das. 1902); Eßwein, August S. (Münch. 1907).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.