Ringelkrebse

Ringelkrebse

Ringelkrebse (Arthrostraca), sehr artenreiche Ordnung der höhern Krebstiere (Malacostraca), von den Schildkrebsen durch den Mangel eines Rückenschildes verschieden, infolgedessen die Ringe der Brust, die bei jenen meist mit dem Kopf zu einem sogen. Cephalothorax verwachsen sind, frei liegen (s. Tafel »Krebstiere II«, Fig. 1, 5 u. 9). Der Körper der R. zerfällt in den Kopf mit 6 Paar Gliedmaßen (2 Paar Fühlern, 3 Paar Kiefern und einem Paar Kieferfüßen), in die Brust mit 7 Segmenten (Ringen) und ebensoviel Paar Gliedmaßen und in den Hinterleib (Abdomen) mit 7 Segmenten, von denen jedes, mit Ausnahme des letzten, ebenfalls ein Gliedmaßenpaar trägt. Die Brustbeine dienen zum Kriechen oder Laufen, auch zum Festhalten, enden daher mit Krallen oder Scheren, die Abdominalbeine zum Schwimmen; sowohl die Brust- als die Hinterleibsbeine können Kiemenanhänge tragen. Die Augen, meist zusammengesetzt, bilden einen unbeweglichen Teil des Vorderkopfes, fehlen übrigens bei einigen höhlenbewohnenden Arten ganz oder teilweise. Der Darmkanal ist einfach und verläuft ohne Krümmung vom Munde zum After; das Herz erstreckt sich entweder als langer Schlauch fast durch den ganzen Körper oder liegt als kurzer Sack mehr nach dem Hinterleib zu. Die Blutgefäße sind gewöhnlich nur kurz, so daß das Blut den größten Teil seines Laufes in den Lücken zwischen den Eingeweiden, Muskeln etc. zurücklegt. Die Kiemen sind entweder zarthäutige Anhänge an den Brutfüßen (Amphipoden) oder bilden einen Teil der Hinterleibsfüße (Isopoden). Die Geschlechter sind getrennt; wie bei den Schildkrebsen münden die männlichen Organe an der Basis des letzten, die weiblichen an der des drittletzten Brustbeinpaares aus. Die reisen Eier werden vom Weibchen in einem sogen. Brutsack, der aus Anhängen der Brustbeine gebildet wird, bis zum Ausschlüpfen der Jungen umhergetragen. Die letztern haben gewöhnlich schon nahezu die Form der Erwachsenen, so daß die Metamorphose, die bei den Schildkrebsen so bedeutend sein kann, hier meist ganz unterbleibt. Alles Gesagte gilt übrigens nur von den normalen, d. h. nicht durch Schmarotzertum teilweise rückgebildeten, Ringelkrebsen. Unter diesen gibt es nämlich Arten, die an andern Krebstieren oder an der Haut und im Mund von Fischen leben und sich von deren Blut nähren; bei ihnen sind alsdann die Beine zum Festhalten mit starken Haken versehen oder, wo ein Abfallen vom Wirtstier nicht zu befürchten steht, verkümmert, während die Mundteile meist zum Saugen eingerichtet sind. Zuweilen lebt das kleinere Männchen beständig auf dem Körper des Weibchens, bei andern Arten hingegen (den Fischläusen, Fischzecken, s. Asseln) ist ein eigentümlicher Zwitterzustand in der Weise vorhanden, daß die kleinern Exemplare Männchen sind, bei weiterm Wachstum die männlichen Teile einbüßen und dafür die Anlagen der weiblichen ausbilden, so daß sie von einem gewissen Alter ab nur noch als Weibchen fungieren, Die Jungen gleichen indessen auch bei den sehr rückgebildeten Formen anfangs denjenigen ihrer normalen Verwandten und wandeln sich erst langsam und gewöhnlich erst nach dem Festsetzen an das Wirtstier um. – Die R. leben zum größten Teil im Meere, verhältnismäßig wenige im Süßwasser oder auf dem Land an feuchten Orten; doch geschieht auch im letzten Falle die Atmung stets durch Kiemen, nie durch Lungen, obwohl allerdings die Kiemenblätter der Landasseln sich in einer Weise aneinander legen und eine Skruktur annehmen, die sie den Lungen andrer Gliedertiere sehr ähnlich erscheinen läßt. Als Nahrung verzehren sie gewöhnlich kleine Tiere, auch Aas, seltener Pflanzen, oder sie schmarotzen auf Tieren. Dem Schiffbauholz werden zwei Gattungen (Limnoria und Chelura) mitunter gefährlich. Fossil sind wenige R. bekannt (z. B. Gampsonyx fimbriatus, s. Tafel »Dyasformation«, Fig. 10); dagegen werden ungemein viele lebende Arten unterschieden. Die meisten sind nur 1 cm oder noch weniger lang, doch erreichen die Riesen unter ihnen die Länge von etwa 30 cm. Einteilung: 1) Flohkrebse (Amphipoden, Amphipoda). Leib meist seitlich (Tafel »Krebstiere II«, Fig. 5), selten von oben nach unten zusammengedrückt. Vordere Brustbeine gewöhnlich mit Scheren bewaffnet. Von den Beinen des Hinterleibes sind die vordern drei Paare breit und dienen zum Schwimmen, die hintern drei Paare schmäler und dienen zum Hüpfen und Springen, das meist mit großer Kraft auf verhältnismäßig weite Entfernungen geschieht (daher der Name Flohkrebse). Die Kiemen liegen als besondere Schläuche an den Brustbeinen, das Herz ist sehr lang. Sie leben teils an der Küste auf seichtem Grund zwischen Steinen, auf dem feuchten Sand (Sandhüpfer), teils an der Oberfläche oder auf dem Grunde des Meeres, vergleichsweise selten im Süßwasser. a) Lämodipoden oder Kehlfüßer, mit verkümmertem Hinterleib und an die Kehle gerückten Vorderbeinen, meist auch ohne Beine am dritten und vierten Brustringe; hierher die Familien der parasitischen Cyamidae oder Walfischläuse (s. d.) und der freilebenden Ziegenkrebse oder Caprellidae. b) Gammarinen oder eigentliche Flohkrebse; hierher mehrere Familien mit zahlreichen Arten, darunter Gammarus (s. Flohkrebse). c) Hyperinen oder Glaskrebse, meist mit durchsichtigem Körper; hierher ebenfalls mehrere Familien mit vielen Arten, die an der Oberfläche der See entweder frei oder an Quallen, Salpen etc. leben. 2) Asseln (Isopoden, Isopoda), s. Asseln u. Tafel »Krebstiere II«, (Fig. 1 u. 9). Vgl. Bate und Westwood, History of the British sessile-eyed Crustacea (Lond. 1863–68); Boeck, De skandinaviske og arktiske Amphipoder (Christiania 1873–76); Mayer, Die Caprelliden des Golfs von Neapel (Leipz. 1883 u. 1890); Della Valle, I Gammarini del golfo di Napoli (Berl. 1893); Stebbing, Report on the Amphipoda, etc. (Lond. 1888); Beddard, Report on the Isopoda, etc. (das. 1885 u. 1886); Giard und Bonnier, Contributions à l'étude des Bopyriens (Lille 1887); Stebbing, History of Crustacea (Lond. 1893).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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