Niveaufläche

Niveaufläche

Niveaufläche (Gleichgewichtsfläche) eines Systems wirkender Massen nennt man jede Fläche, auf welcher der Arbeitswert oder das Potential des Systems in allen Punkten denselben Zahlenwert besitzt. Als wirkende Massen hat man sich dabei entweder solche vorzustellen, die dem Newtonschen Gravitationsgesetz unterworfen sind, oder elektrische oder magnetische Massen. Das Potential V eines solchen Systems hat in jedem Punkte P des Raumes einen bestimmten Zahlenwert und ist somit eine Funktion der rechtwinkligen Koordinaten x, y, z des Punktes P; daher wird jede N. durch eine Gleichung von der Form V = c dargestellt, wo c eine bestimmte Zahl ist, die man das Potentialniveau oder kurz das Niveau der betreffenden Fläche nennt. Durch jeden Punkt P des Raumes geht eine solche Fläche V = c, die man erhält, wenn man für c den Zahlenwert setzt, den V in dem Punkte P besitzt. Denkt man sich in der Gleichung V = c nach und nach für c alle möglichen Werte eingesetzt, so erhält man ein System von Niveauflächen. Da sich auf einer N. das Potential oder der Arbeitswert der wirkenden Massen nicht ändert, so kann die Kraft, mit der diese Massen auf einen Punkt P des Raumes wirken, keine Verschiebung dieses Punktes auf der durch ihn gehenden N. zur Folge haben, weil sie bei einer solchen Verschiebung keine Arbeit leistet; diese Kraft muß daher immer senkrecht (normal) zu der durch P gehenden N. gerichtet sein, d.h. ihre Richtung ist durch die zu P gehörige Normale der N. bestimmt. Demnach spielt die N. für den allgemeinen Fall wirkender Massen dieselbe Rolle wie die Oberfläche (das Niveau) einer ruhenden Flüssigkeit in bezug auf die Schwerkraft, und daher stammt auch ihr Name, den zuerst Clairault in seinem Werke »Figure de la terre« (1743) gebraucht hat. Die Niveauflächen bestimmen aber zugleich die Größe der Kraft. Man denke sich nämlich den Punkt P um die unendlich kleine Strecke d n in der Richtung der Kraft, also längs der Normalen der durch P gehenden N. V = c verschoben, so daß er in einen unendlich benachbarten Punkt P' übergeht, der auf der unendlich benachbarten N. V = c+dc liegt. Dann ist die von der unbekannten Kraft K geleistete Arbeit gleich dem Unterschiede d c der beiden Zahlenwerte, die der Arbeitswert V des Systems in P' und in P hat, anderseits aber ist diese Arbeit gleich dem Produkt aus Kraft und Weg, also gleich K dn, so daß man für K den Ausdruck: K = dc/dn bekommt, den man auch das zu dem Punkte P gehörige Potentialgefälle nennt. Geht man von P aus immer in der Richtung der Kraft von N. zu N., so erhält man eine Kurve, die alle Niveauflächen senkrecht schneidet und bei der in jedem Punkte die zugehörige Tangente die Richtung der Kraft bestimmt. Solcher Kurven gibt es zweifach unendlich viele; sie sind die orthogonalen Trajektorien der Niveauflächen und heißen Kraftlinien (Stromlinien, Strömungslinien) Auf der Erde bestimmt die Schwerkraft ein System von Niveauflächen, und da die Richtung der Schwerkraft in jedem Punkte durch die Richtung des Lotes bestimmt wird, so nennt man die Kraftlinien in diesem Falle Lotlinien. Wäre die Erde eine vollkommene Kugel, so wären die Lotlinien Halbmesser dieser Kugel; in Wirklichkeit sind sie schwach gekrümmt. – Niveauschicht nennt man den Raum zwischen einer N. und einer zu ihr in unendlich kleinem Abstande konstruierten Parallelfläche (s. d.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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