- Ninive
Ninive (assyr. Ninua, Ninā), Hauptstadt des assyr. Reiches, lag am linken, östlichen Ufer des Tigris und wird jetzt durch zwei etwa 20 m hohe künstliche Erdhügel gegenüber dem heutigen Mosul repräsentiert (vgl. das Textkärtchen, S. 706). Der nördliche (800 m lang, 400 m breit) heißt Kujundschik, der südliche führt im Volksmund den Namen Nebi Junus nach einer auf ihm errichteten, dem Propheten Jonas geweihten Moschee. Auch beträchtliche Reste der alten Stadtmauer sind noch erhalten. Diodor (nach Ktesias) beschreibt N. als ein längliches Viereck von 150 Stadien Länge, 90 Stadien Breite und 480 Stadien (104 km) Umfang. Ihre Mauern sollen 33 m hoch, für drei Wagen breit genug und mit 1500 über 60 m hohen Türmen versehen gewesen sein. Indes sind diese Angaben alle erdichtet; die Griechen wurden erst in der Diadochenzeit, als die Stadt längst in Trümmern lag, mit ihr bekannt. 30 km südlich von N. lag eine zweite berühmte Residenzstadt der assyrischen Könige, Kalach oder Kelach, jetzt Nimrud, und 25 km nordwestlich die von Sargon gegründete »Sargonsstadt« Dur- Sarrukin (jetzt Chorsabad). Zwischen diesen Orten fand sicher der regste Verkehr statt, so daß sie auf einen Fremden den Eindruck eines großen Ganzen gemacht haben mögen, aber ein Großninive (vgl. 1. Mos. 10, 12), etwa von einer gemeinsamen Mauer umschlossen, hat nicht existiert.
Obwohl nicht die älteste Residenzstadt der assyrischen Könige (es war dies Assur, s. d.), geht doch auch N. die der Sage nach von Ninos (s. d.) gegründete Stadt, in sehr alte Zeit zurück. Schon Hammurabi erwähnt sie, und bereits Samsi-Adad I. (um 1820 v. Chr) »erneuerte« den Istartempel zu N. Salmanassar 1. (ca. 1330) machte es zeitweilig zum Sitz der Regierung. Asurnazirpal und sein Sohn Salmanassar II. bauten Tempel und Palast mit besonderer Pracht. Seinen höchsten Glanz aber verdankte N. erst Sargons Sohn Sanherib (705–681), der die Stadt neu baute, erweiterte, verschönerte und befestigte und zur Hauptstadt des assyrischen Reiches erhob. Gleich ihm, schmückten auch sein Sohn Asarhaddon und sein Enkel Asurbanipal die Stadt mit großartigen Palastbauten, auf riesigen Terrassen ausgeführt, und mit prachtvollen Parkanlagen. 606 wurde N. von Kyaxares von Medien erobert und zerstört. Xenophon sah nur noch die Ruinen der Stadt, und im Laufe der spätern Jahrhunderte entschwanden auch diese so gänzlich dem Gedächtnis, daß man in Ungewißheit war, welche von den Trümmerhaufen am Tigris die Überbleibsel Ninives seien. Der Engländer J. Rich war der erste, der die beiden Hügel gegenüber von Mosul genau untersuchte und mit Bestimmtheit für Ninives Ruinen erklärte; ihm folgte W. F. Ainsworth.
Durch Bottas Entdeckungen auf dem benachbarten Ruinenhügel Chorsabad (s. d.) angeregt, begann A. H. Layard im Anschluß an seine Ausgrabungen in Nimrud (s. d.) im J. 1849 auch in Kujundschik Nachforschungen und entdeckte in der südwestlichen Hälfte dieses Hügels den großen Palast Sanheribs, während auf der Nordseite Rassam den Palast Asurbanipals mit der berühmten »Tontafel-Bibliothek Sardanapals« (s. Asurbanipal) fand. In N. wie in Nimrud belohnte eine Fülle von Keilinschriften und Skulpturen, Statuen, Löwen- und Stierkolosse, Vasen, Waffen, Geräten aus Kupfer, Elfenbein, Marmor etc. die Mühen der Forscher. Die Ausgrabungen wurden von George Smith (1873–1876) und von Hormuzd Rassam (1877–82) erfolgreich fortgesetzt. Vgl. Bezold, N. und Babylon (Bielef. 1903), weitere Literatur beim Artikel »Assyrien«.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.