Niemeyer

Niemeyer

Niemeyer, 1) August Hermann, rationalistischer Theolog, Pädagog und Dichter geistlicher Lieder, geb. 1. Sept. 1754 in Halle, gest. 7. Juli 1828, ward 1777 in Halle Privatdozent, 1779 außerordentlicher Professor der Theologie, 1784 ordentlicher Professor und Aufseher des Pädagogiums, 1785 Mitdirektor des Pädagogiums und des Waisenhauses, 1787 Direktor des theologischen Seminars, 1792 Konsistorialrat, 1804 Oberkonsistorialrat und Mitglied des Berliner Oberschulkollegiums. 1807 wurde er als Geisel nach Frankreich gebracht, nach seiner Rückkehr aber 1808 zum Mitglied der Reichsstände des Königreichs Westfalen, auch zum Kanzler und Rector perpetuus der Universität Halle ernannt. Die Kanzlerstelle behielt er auch unter der preußischen Regierung (1814), die ihn 1816 zum Mitglied des Konsistoriums zu Magdeburg ernannte. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: »Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts« (Halle 1796, 3 Tle.; 9. Aufl. von H. A. Niemeyer, das. 1834–39; neue Ausg. von Rein, Langensalza 1878 bis 1879, 3 Bde.; von Joh. Meyer, das. 1888, 2 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. 1894); dann »Charakteristik der Bibel« (Halle 1795, 5 Bde.; 2. Aufl. 1830–31); »Handbuch für christliche Religionslehrer« (das. 1805–07, 2 Bde.; 7. Aufl. 1829); »Leitfaden der Pädagogik und Didaktik« (das. 1802, 2. Aufl. 1814); das unter dem Ministerium Eichhorn in Preußen verbotene-Lehrbuch für die obern Religionsklassen in Gelehrtenschulen (18. Aufl., das. 1843); »Religiöse Gedichte« (Magdeb. u. Berl. 1814). »Originalstellen griechischer und römischer Klassiker über die Theorie der Erziehung und des Unterrichts«, als Beilage zum geschichtlichen Teil der »Grundsätze etc.« gab Menge heraus (2. Aufl., Halle 1898). Vgl. Jacobs und Gruber, A. H. N. (Halle 1831); Dicescu, A. H. Niemeyers Verdienste um das Schulwesen (Leipz. 1892); Oppermann, A. H. N., sein Leben und seine pädagogischen Werke (Halle 1904).

2) Hermann Agathon, prot. Theolog, jüngster Sohn des vorigen, geb. 5. Jan. 1802 in Halle, gest. 6. Dez. 1851, habilitierte sich 1825 in Halle und ward 1826 als außerordentlicher Professor der Theologie nach Jena berufen, kehrte aber bereits 1829 als Professor und Direktor der Franckeschen Stiftungen nach Halle zurück, in welch letzterer Stellung er sich durch Gründung einer Realschule und einer höhern Töchterschule, durch Reorganisation des Pädagogiums etc. verdient machte. 1848 gehörte er der Berliner Nationalversammlung an. Unter seinen größern wissenschaftlichen Leistungen sind zu erwähnen: »Collectio confessionum in ecclesiis reformatis publicatarum« (Leipz. 1840) und die von ihm begonnene »Kritische Ausgabe der lutherischen Bibelübersetzung« (Halle 1840 ff.).

3) Felix von, Mediziner, geb. 31. Dez. 1820 in Magdeburg, gest. 14. März 1871 in Tübingen, studierte in Halle, Prag und Wien, ließ sich 1844 in Magdeburg als Arzt nieder und erhielt 1853 die Oberleitung der medizinischen Abteilung des städtischen Krankenhauses. 1855 wurde er Professor der Pathologie und Therapie sowie Direktor der medizinischen Klinik und der Irrenanstalt in Greifswald, und 1860 folgte er einem Rufe nach Tübingen. 1870 war er in den Spitälern von Nancy tätig. Sein »Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie« (Berl. 1858; 11. Aufl., bearb. von Seitz, 1884, 2 Bde.) verdankt seinen großartigen Erfolg der Verknüpfung der pathologischen Anatomie, Physiologie und physiologischen Chemie mit der klinischen Beobachtung und therapeutischen Methode sowie der Großartigkeit der allgemeinen Gesichtspunkte, der Klärung des Verständnisses der Krankheitserscheinungen durch die Beleuchtung der ihnen zugrunde liegenden pathologischen Veränderungen und der Zusammenfassung der Einzelheiten zu einem harmonischen Ganzen.

4) Paul, Mediziner, Halbbruder des vorigen, geb. 9. März 1832 in Magdeburg, habilitierte sich 1875 in Leipzig und siedelte 1878 als Arzt des Hygienischen Vereins nach Berlin Über, wo er 25. Febr. 1890 starb. Er schrieb. »Handbuch der theoretischen und klinischen Perkussion und Auskultation« (Erlang. 1868–71, 2 Bde.); »Grundriß der Perkussion und Auskultation« (Stuttg. 1871, 3. Aufl. 1880); »Physikalische Diagnostik« (das. 1874); »Gesundheitslehre des menschlichen Körpers« (Münch. 1876) und eine Reihe andrer populärer Schriften: »Die Lunge« (9. Aufl. von Gerster, Leipz. 1900), »Ärztlicher Ratgeber für Mütter« (2. Aufl., Stuttg. 1885), »Die Sonntagsruhe vom Standpunkt der Gesundheitslehre« (2. Aufl., Berl. 1883) u.a.


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