Nestorĭaner

Nestorĭaner

Nestorĭaner, Bezeichnung der Abhänger des Patriarchen Nestorius (s. d.) und aller derjenigen Christen in der orientalischen Kirche, die in Abweichung von der orthodoxen Zweinaturenlehre (s. Chalcedonisches Glaubensbekenntnis) die dauernde Getrenntheit der beiden Naturen in Christus behaupten. Von der oströmischen Reichskirche seit 435 verworfen, fand das nestorianische Christentum in Mesopotamien und Arabien, vor allem aber in Persien eine Heimstätte. Die seit 498 nestorianische persische Reichskirche wurde die eigentliche Trägerin der christlichen Mission und Kulturarbeit in Asien (ihr erstes Auftreten in China ist vom Jahre 781 bezeugt) und nicht nur die Theologie, sondern auch Philosophie und Medizin fanden unter den Nestorianern eifrige Pflege. Ihre äußere Lage blieb unter der arabischen und der mongolischen Herrschaft günstig, bis Timur (s. d.) auch die nestorianische Kirche in fast ganz Asien zerstörte, so daß sich die Reste auf die Gebirge Kurdistans angewiesen sahen. Anderseits begannen schon unter Alexander III., Innozenz IV. und Nikolaus IV. die Bemühungen der römischen Kirche, die N. zur Union zu bewegen. Unter Julius III. 1553 trat ein Teil der N. unter einem mit Rom geweihten »Patriarchen der Chaldäer« in Kirchengemeinschaft. Gegenwärtig unterscheidet man: 1) die unabhängige nestorianische Kirche, deren Glieder sich selbst Surayé, d.h. Syrier, oder Meschihayé, d.h. Nachfolger des Messias, nennen und die Bezeichnung N. nur gebrauchen, um sich von den Unierten zu unterscheiden. Sie sind fast ganz auf Kurdistan beschränkt, wo sie von den Emiren toleriert werden. Ihr Patriarch (Katholikos) residiert in Kotschannes bei Djulamerk. Ihre Zahl ist in stetem Rückgang begriffen; doch schätzt man sie noch auf 150,000. Sie feiern den Sabbat neben dem Sonntag, haben sehr ausgedehnte Fasten, keine Ohrenbeichte. Die Geistlichen dürfen heiraten. Mönchs- und Nonnenklöster gibt es nicht mehr. 2) Die mit Rom unierten N., amtlich »Katholiken des syro-chaldäischen Ritus«, zählen etwa 70,000 Gläubige. Ihr Patriarch hat seinen Sitz in Mossul (Patriarchaldiözese) und Bagdad, von welcher Stadt er den Titel führt. Über die nach Indien versprengten N. s. Thomaschristen. Vgl. Assemani, Bibliotheca orientalis, Bd. 3 (Rom 1728); Badger, The Nestorians and their rituals (Lond. 1852, 2 Bde.); Giamil, Genuinae relationes inter sedem Apostolicam et Assyriorum orientalium seu Chaldaeorum ecclesiam (Rom 1902); Chabot, Synodicon orientale, ou Recueil de synodes nestoriens (Par. 1902); Labourt, Le Christianisme dans l'empire Perse (das. 1904); Silbernagl, Verfassung und gegenwärtiger Bestand sämtlicher Kirchen des Orients (2. Aufl., hrsg. von Schnitzer, Regensb. 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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