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More (spr. mōr), 1) Sir Thomas (latinisiert Morus), Kanzler Heinrichs VIII. von England, geb. 7. Febr. 1478 in London als Sohn eines Rechtsanwalts, gest. 6. Juli 1535, war Page des Kardinals Morton, Erzbischofs von Canterbury, studierte in Oxford, ward in London Rechtsanwalt und 1510 Untersheriff, seit 1515 aber von König Heinrich VIII. mit diplomatischen Missionen in den Niederlanden und Frankreich betraut, 1518 zum Mitglied des Geheimen Rats und 1521 zum Unterschatzmeister ernannt. 1523 war er Sprecher des Unterhauses, 1529 wurde er nach dem Sturz Wolseys, mit dem er lange im besten Einvernehmen gestanden hatte, zum Großkanzler ernannt, als der erste Laie, dem dies hohe Amt anvertraut wurde. Mit Heinrichs Ehescheidung von Katharina war M. nicht einverstanden, und als der König nach seiner Lossagung vom Papste seine Reformation durch Thomas Cranmer durchführte, legte M. 1532 seine Ämter nieder. Da er 1534 das Erbfolgegesetz beschwören und des Königs Scheidung als rechtmäßig anerkennen sollte, weigerte er sich des letztern, da die Scheidung schriftwidrig sei. Deshalb in den Tower gesetzt, ward er, nachdem er auch den Suprematseid verweigert hatte, 1. Juli 1535 als Hochverräter zum Tode verurteilt und 6. Juli d. J. hingerichtet. Seine bekannteste, unter den sogen. Staatsromanen (s. d.) eine Rolle spielende, in viele Sprachen übersetzte Schrift ist: »De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia« (Löwen 1516, oft gedruckt; mit engl. Übersetzung und Kommentar hrsg. von Lupton, Lond. 1895; von Collins 1904; ferner hrsg. von Michels und Ziegler, Berl. 1896; deutsch, Basel 1524; von Kothe in Reclams Universal-Bibliothek, Leipz. 1874; von Kautsky, Stuttg. 1887; von Wessely, Münch. 1896). M. ist der erste, der die englische Sprache in prosaischer Darstellung wirklich beherrschte. Die erste Gesamtausgabe seiner englischen Werke erschien in, London 1557, seiner lateinischen in Basel 1563 und vollständiger in Löwen 1566 und in Frankfurt 1689. Sein Leben beschrieben sein Schwiegersohn William Roper (Lond. 1626; Neudruck 1902 in mehreren Ausgaben), Rudhart (2. Ausg., Augsb. 1852), Walter (Lond. 1839), Mackintosh (das. 1844), R. Baumstark (Freiburg 1879), Bridgett (Lond. 1891), Hutton (das. 1895). Vgl. auch Seebohm, The Oxford reformers (3. Aufl., Lond. 1887); Louis, Thomas M. und seine Utopia (Berl. 1895).
2) Henry, engl. Philosoph, geb. 1614 in Grantham, gest. 1687 als Professor der Theologie und Philosophie in Cambridge. In seinem 1674 erschienenen aber unvollendet gebliebenen philosophischen Hauptwerk: »Enchiridion metaphysicum«, stellte er als Gönner der Paracelsischen Physik einen auf das Studium der Kabbala gestützten und der Theosophie van Helmonts (s. d.) verwandten platonisierenden Mystizismus auf. Demgemäß sollte die Allgegenwart Gottes als räumliche und der unendliche Raum als eine immaterielle Substanz, als in der Welt allverbreiteter Naturgeist und zwischen Gott und der Materie vermittelnde Weltseele aufgefaßt und so der von der mechanischen Physik als unräumlich aus der Welt hinausgewiesene Gott wieder in sie hineingeführt werden. Durch ihren Einfluß auf Newtons bekannte Definition des Raums als sensorium commune der Gottheit hat diese Lehre für die Geschichte der Philosophie Bedeutung erlangt, durch die im 28. Kapitel, § 7, der oben genannten Schrift zuerst vorkommende Erwähnung der vierten Dimension des Raums dem modernen Spiritismus teilweise vorausgegriffen. Seine Schriften erschienen in 3 Bänden (Lond. 1679). Vgl. Rob. Zimmermann, Henry M. und die vierte Dimension des Raums (Wien 1881).
3) Miß Hannah, engl. Schriftstellerin, geb. 2. Febr. 1745 zu Stapleton in Gloucestershire, gest. 7. Dez. 1833 in Clifton, trat bereits im 17. Jahr mit einem Schäferschauspiel: »The search after happiness«, auf, dem im nächsten Jahr das Trauerspiel »The inflexible captive« folgte. Garrick bestimmte sie, sich in London literarischer Beschäftigung zu widmen, und führte sie in jenen Kreis ein, der damals die hervorragendsten Geister Englands (Reynolds, Burke, Johnson u.a.) vereinigte. 1777 erschien ihre Tragödie »Percy«, 1779 ihr letztes Trauerspiel: »The fatal falsehood«, das wenig Beifall fand. Jetzt zog sie sich von der Bühne zurück, errichtete in Barley-Grove mit ihren Schwestern eine Erziehungsanstalt für verwahrloste Kinder, war auch schriftstellerisch für Moral und Erziehung tätig und wirkte namentlich für die weibliche Jugend in ihren »Strictures on the modern system of female education« (Lond. 1799, 2 Bde.), sowie in dem Erziehungsroman: »Coelebs in search of a wife« (1809, 2 Bde.; 16. Aufl. 1826). Vom Ertrag ihrer Werke vermachte sie mehr als 10,000 Pfd. Sterl. zu wohltätigen Zwecken. Eine Sammlung ihrer Schriften in 8 Bänden erschien London 1801, in 19 Bänden 1818, in 11 Bänden 1830; Auswahl in 9 Bänden 1847–49. Ihre Korrespondenz gab Roberts heraus (1838, 4 Bde.; deutsch, im Auszug, Hamb. 1849); dazu die »Letters of Hannah M. to Zachary Macaulay« (1860). Als Lebensbeschreibungen sind außerdem zu nennen die von Anna Buckland (Lond. 1882), Charl. Yonge (das. 1887) und Marion Harland (das. 1900).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.