- Masern
Masern (rote Flecke, Morbilli), eine ansteckende Krankheit, die durch einen roten, fleckigen Hautausschlag gekennzeichnet wird und namentlich dem Kindesalter zukommt, obwohl auch Erwachsene hin und wieder von ihr befallen werden. Den M. liegt ein Krankheitsgift zugrunde, das durch direkte Berührung mit Maserkranken sowie durch Mittelspersonen verbreitet wird, dessen Natur aber noch unbekannt ist. Zwischen Ansteckung und Ausbruch der M. liegt eine Inkubationszeit von ca. 10 Tagen. Dann beginnen die Vorläufer mit allgemeinem Unbehagen, Fieber, Kopfschmerz, vermindertem Appetit, Lichtscheu, katarrhalischer Reizung der Schleimhäute der Augen und der Atmungsorgane, trocknem Husten, Heiserkeit; zuweilen ist auch Erbrechen und Durchfall vorhanden. Nach 3–5 Tagen, die dieses Stadium der Vorläufer währt, am 13. Tag ungefähr, steigern sich die krankhaften Erscheinungen, das am 2. Tag des Vorläuferstadiums verschwundene oder stark zurückgegangene Fieber erreicht rasch eine beträchtliche Höhe, bei Kindern treten nicht selten Konvulsionen hinzu, und es erscheint nun die Hautröte meist zuerst in den Schläfen und in der Nackengegend, verbreitet sich dann nach dem Gesicht und der Stirn und allmählich über Hals, Brust und Rücken nach den Armen und Beinen hin. Ursprünglich sind es linsengroße, scharf begrenzte Flecke oder seine rote Pünktchen, deren Erhebung über die Haut mehr durch das Gefühl als durch das Gesicht wahrgenommen wird. Die Flecke, die isoliert stehen, vergrößern sich rasch, fließen zusammen und verbreiten sich schließlich über große Strecken, die jedoch meist an einzelnen Stellen noch normal gefärbte Haut zwischen sich haben. Die Farbe der Flecke ist rötlichgelblich oder rötlichbräunlich. Die Haut, die in diesem Ausbruchsstadium erst feucht war, wird nun meist trocken, glühend heiß; die Kranken klagen über Durst, Jucken und Spannen in der Haut und sind namentlich in der Nacht außerordentlich unruhig. Neben dem Ausschlag besteht meistens ein heftiger Bronchialkatarrh, der sich oft in die feinern Bronchien erstreckt und namentlich bei Kindern zu einer lobulären Lungenentzündung führen kann. Die Röte bleibt, nachdem sie den ganzen Körper, selbst die Fußsohlen, überzogen, meist nur gegen drei Tage auf der Haut stehen und verschwindet dann allmählich unter Nachlaß auch der andern krankhaften Erscheinungen, indem sich die Oberhaut, am deutlichsten an den unbedeckten Körperteilen, kleienförmig in sehr kleinen, dem unbewaffneten Auge oft kaum bemerklichen Schüppchen (Abschuppungsstadium) abzuschelfern beginnt. In der Regel sind die M. wenig gefährlich, namentlich für gesunde Kinder. Es kommen aber nicht selten unregelmäßige Erscheinungen dabei vor, und der epidemische Charakter der Krankheit ist zuweilen ein sehr bösartiger. Namentlich werden gesteigerte entzündliche Zustände des Kehlkopfes, der Luftröhre und der Lungen lebensgefährlich. Auch heftige Diarrhöen, Nierenkrankheiten und Ohrenentzündung werden beobachtet. Für Kinder unter zwei Jahren sind die M. immer eine nicht leicht zu nehmende Erkrankung. Am schlimmsten sind kränkliche Kinder und schwangere Frauen daran. Erstere sterben sehr häufig, wenn sie von M. befallen werden, oder es bleiben bei ihnen schleichende Lungenentzündungen, Augenleiden als Nachkrankheiten zurück. Bei ausgesprochen bösartiger Epidemie ist Ansteckung sorgfältig zu vermeiden; da indessen das einmalige Überstehen der M. eine Art von Impfschutz gewährt, so ist bei sehr milder Epidemie eine Ansteckung im Hinblick auf die stets auch später vorhandene Gefahr eher anzuraten, als zu scheuen, jedoch sind sehr junge und kränkliche Kinder streng abzusperren. Was die Behandlung betrifft, so sind Arzneien meistens unnötig, man sorgt für Ruhe der Kranken, bedeckt sie leicht, gibt kühlendes Getränk, wechselt die Leib- und Bettwäsche öfters und läßt reichlich frische Luft ins Zimmer. Gesicht und Hände können täglich ein- oder mehreremal mit frischem Wasser gewaschen werden, was sehr zum Behagen des Kranken beiträgt. Zur Nahrung reicht man leichte Suppen und etwas Milch und lasse die Kinder nach Aufhören des Fiebers bald in die frische Luft gehen. Bronchialkatarrhe, Lungenentzündung, heftigere Grade von Augenentzündungen etc. erfordern eine diesen Zuständen angemessene Behandlung.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.