- Manometrische Flammen
Manometrische Flammen, Flammen, die Druckänderungen anzeigen. Wird z. B. am Ende einer langen Gasleitung eine Flamme entzündet und dann am Anfang (etwa durch Zusammendrücken eines Schlauches) eine plötzliche Verdichtung erzeugt, die sich mit Schallgeschwindigkeit im Gase fortpflanzt, so wird die Flamme, sobald die Verdichtung das Ende der Leitung erreicht, plötzlich hoch aufsteigen und dann wieder normal weiterbrennen. Aus der Zeitdifferenz und der Länge der Leitung ergibt sich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Stoßes im Gas. Ebenso kann die Fortpflanzungsgeschwindigkeit einer Luftwelle in einer Rohrleitung gefunden werden, wenn am Ende eine gegen eine Flamme gerichtete Lötrohrspitze angebracht ist. Sobald die Welle ankommt, wird die Flamme zur Seite geblasen (Flammenzeiger). Eine dünne hohe Gasflamme, die aus enger Öffnung brennt, schrickt plötzlich zusammen, wenn man in einiger Entfernung eine Lufterschütterung (etwa durch Zusammenklappen zweier Brettchen, Pfeifen, Rufen etc.) erzeugt, weil diese Erschütterung bewirkt, daß die Stelle, an der sich der Gasstrahl in Wirbelringe auflöst, der Ausströmungsöffnung bedeutend näher rückt (empfindliche, sensitive Flammen). Durch Schallwellen (aufeinanderfolgende Verdichtungen und Verdünnungen der Luft) kann unter Umständen eine Gasflamme in Mitschwingung versetzt werden. Besonders gut gelingt dies, wenn zwei Flammen schräg gegeneinander brennen; noch besser, wenn die Flamme von einem hohen Zylinder umgeben ist (Fig. 1), dessen Luftsäule dieselbe Eigenschwingungsdauer besitzt.
Durch die Schwingungen der Flamme werden dann stehende Luftschwingungen in dem Zylinder erregt, die selbst Schall erzeugen und nicht mehr aufhören, wenn auch der anregende Ton aufgehört hat. Häufig treten diese Schwingungen von selbst auf, da schon kleine Druckschwankungen die Entstehung veranlassen können u. die Schwingungen infolge der Temperaturänderungen der Flamme und dem dadurch bedingten Wechsel der Ausdehnung der Luft sich selbst verstärken (singende Flamme, chemische Harmonika von Higgin 1777); das Leuchtgas schwingt aus dem Brenner heraus und hinein, die Flamme wird abwechselnd hoch und niedrig und zwar in demjenigen Tempo, in dem die stehenden Schwingungen der Röhre erfolgen, nach denen die Flamme ihre Bewegungen zu regeln gezwungen ist; verlängert man die Röhre durch Hinaufziehen des Schiebers s, so wird der Ton tiefer.
Die Abwechselungen zwischen Emporflammen und Zurücksinken des Flämmchens erfolgen so rasch, daß man durch unmittelbare Beobachtung wegen der Dauer des Lichteindrucks im Auge nur ein Erzittern der Flamme wahrnimmt. Man bedient sich daher zur Beobachtung der rotierenden Spiegel (Wheatstone 1834; Fig. 2); ein rechtwinkliges Parallelepiped ist auf seinen vier Seitenwänden mit Spiegelplatten belegt und leicht und rasch um seine vertikale Achse drehbar; ein ruhig brennendes Flämmchen erscheint in den rasch sich drehenden Spiegeln zu einem ununterbrochenen Lichtstreifen ausgedehnt; die in Erzitterung versetzte Flamme dagegen zeigt sich in einzelne durch dunkle Zwischenräume getrennte Flammenbilder zerlegt (Fig. 3 a). Wenn man eine Flöte, an der man das Mundloch verstopft und den Pfropfen herausgezogen hat, statt des Glasrohres nimmt, so kann man mit der Flamme Melodien blasen.
Bei Rijkes Röhre ist die Flamme durch ein Drahtnetz ersetzt, das durch die vorübergehend eingebrachte Flamme erhitzt wird und einen aufsteigenden Luftstrom erzeugt. Starke tiefe Töne erhält man mit einem Bunsenbrenner, über den ein Ofenrohr gesetzt ist. Bei unzweckmäßig angelegten Feuerungen können solche Töne auch in Kaminen entstehen. Hohe schrille Töne erhält man, wenn man den obern Teil eines Gasglühlichtbrenners 1–2 cm über den untern emporhebt. Auch frei brennende Flammen können anfangen zu singen, da die einmal entstandenen Schwingungen durch den Einfluß auf den Verbrennungsprozeß sich immer wieder verstärken.
Bei dem singenden oder sprechenden elektrischen Flammenbogen werden die Luftschwingungen erregt durch einen hindurchgesandten Mikrophonstrom, der Temperaturschwankungen erzeugt und demgemäß periodische Änderungen der Ausdehnung der durch den Lichtbogen erhitzten Luft. Der Mikrophonstromkreis wird durch einen Kondensator unterbrochen, damit der Strom der Bogenlampe nicht in denselben eintreten kann, und in den Stromkreis der letztern wird eine Drosselspule (Spule mit vielen Windungen und Eisenkern) eingeschaltet, damit kein merklicher Bruchteil des Wechselstroms der Mikrophonleitung in die Lichtbogenleitung abgezweigt wird.
Der Ton, den der Lichtbogen erzeugt, ist natürlich derselbe, der in das eventuell an einer entfernten Station befindliche Mikrophon hineingesungen oder gesprochen wird.
Auch eine Flamme kann gezwungen werden, auf jeden beliebigen Ton zu reagieren, durch Anwendung einer sogen. manometrischen Kapsel (Fig. 4). Das Loch o in der Wand w w, an der die Kapsel b b angebracht ist, ist durch eine dünne Kautschukmembran von dem Innenraum der Kapsel getrennt; in denselben wird durch das Kautschukröhrchen d aus dem Kästchen e e (Fig. 5) Leuchtgas geleitet, das nach e e durch den Kautschukschlauch t gelangt. Aus der Kapsel b b strömt das Leuchtgas durch das Röhrchen s aus und gibt angezündet eine kleine spitze Flamme. Wird nun der Öffnung o Schall zugeleitet, z. B. durch einen angesetzten Trichter, so finden dort abwechselnde Verdichtungen und Verdünnungen der Luft statt; bei jeder Verdichtung biegt sich die Membran nach außen, treibt das Leuchtgas aus dem Brenner, und die Flamme brennt hoch; bei jeder Verdünnung zieht sich die Membran nach einwärts, das Leuchtgas folgt ihr, die Flamme zieht sich in den Brenner zurück und wird ganz klein. Diese Änderungen können ebenso wie bei der singenden Flamme mittels des rotierenden Spiegels zur Anschauung gebracht werden. Solche m. F. können z. B. dazu dienen, den Schwingungszustand der Luft in einer Pfeife zu untersuchen. In eine Seitenwand einer offenen Pfeife (Fig. 5) werden drei Löcher gebohrt, eins in der Mitte, die beiden andern je um ein Viertel der Pfeifenlänge von den Enden der Pfeife abstehend; auf diese Löcher sind drei manometrische Kapseln a, b, c geschraubt. Gibt die Pfeife ihren Grundton, so beweist die mittlere Flamme durch ihre lebhaften Schwingungen das Vorhandensein des Knotens, während die beiden andern Flammen verhältnismäßig ruhig bleiben; bläst man aber stärker, so gibt die Pfeife die Oktave des Grundtons (den ersten Oberton); in ihrer Mitte befindet sich jetzt ein Bauch, während an den Stellen b und c (Fig. 5) Knoten auftreten; die mittlere Flamme brennt ziemlich ruhig, die beiden andern aber zerlegen sich in Flammenbilder, die bei der gleichen Drehungsgeschwindigkeit des Spiegels nur halb soweit voneinander abstehen als die vorigen (Fig. 3 b). Läßt man auf eine manometrische Kapsel ein Gemisch von Tönen einwirken, so entstehen im rotierenden Spiegel entsprechend komplizierte Flammenbilder, aus denen unter Umständen die Zusammensetzung des Tongemisches ermittelt werden kann. Weit genauer ist die Analyse der Klänge ausführbar mittels Königs Resonatoren-Flammenapparats (Fig. 6); zehn Resonatoren sind übereinander auf einem Gestell befestigt; die hintere Öffnung eines jeden steht durch einen Kautschukschlauch mit einer manometrischen Kapsel in Verbindung.
Die Gasflammen dieser Kapseln sind seitwärts längs einer geneigten Linie übereinander angebracht und werden in einem rotierenden Spiegel betrachtet. Diejenigen Flammen, deren Resonatoren durch den zu untersuchenden Klang in Tätigkeit gesetzt werden, geben im Spiegel eine Reihe getrennter Flammenbilder; jene dagegen, auf deren Resonatoren jener Klang nicht einwirkt, erscheinen unter der Form eines ununterbrochenen hellen Streifens. Bei der zu gleichem Zweck dienenden palmoptischen Kapsel von Rigollot u. Chavanon ist der Resonator selbst die Kapsel, und die über seine Mündung gespannte Membran überträgt die Schwingungen auf ein kleines Spiegelchen, von dem Lichtstrahlen auf einen Drehspiegel geworfen werden (s. Drehspiegel).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.