Mahnverfahren

Mahnverfahren

Mahnverfahren heißt nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 688–703) das auf solche Fälle berechnete Verfahren, in denen ein eigentlicher Streit unter den Parteien nicht besteht, der Gläubiger vielmehr das Gericht nur deshalb anrufen muß, weil der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann oder will. Das Wesen des Mahnverfahrens besteht darin, daß auf einseitigen Antrag ein Zahlungsbefehl erlassen wird, auf Grund dessen, wenn Widerspruch nicht erhoben wird, die Zwangsvollstreckung erfolgen kann. Das M. ist zulässig wegen aller Ansprüche, welche die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge andrer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand haben. Dazu gehören nach § 688 auch die Ansprüche aus einer Hypothek oder Grundschuld oder einer Rentenschuld. Das M. findet nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer Gegenleistung abhängig ist oder die Zustellung des Zahlungsbefehls im Ausland oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen mußte. Die Frist zur Zahlung oder zur Erhebung des Widerspruchs beträgt eine Woche. Zum Erlaß des Zahlungsbefehls sind ohne Rücksicht auf die Höhe des Betrages die Amtsgerichte zuständig. Das Gesuch muß enthalten 1) die Bezeichnung der Parteien nach Namen, Stand oder Gewerbe und Wohnort; 2) die Bezeichnung des Gerichts; 3) die bestimmte Angabe des Betrages oder Gegenstandes und des Grundes des Anspruchs; 4) das Gesuch um Erlaß des Zahlungsbefehls. Das Gesuch kann schriftlich oder mündlich angebracht werden; die Einreichung durch einen Rechtsanwalt ist nicht erforderlich. Mit der Zustellung des Zahlungsbefehls an den Schuldner treten die Wirkungen der Rechtshängigkeit (s. d.) ein. Wird von dem Schuldner Widerspruch nicht erhoben, so ist der Zahlungsbefehl auf Gesuch des Gläubigers für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Vollstreckbarerklärung erfolgt durch einen auf den Zahlungsbefehl zu setzenden Vollstreckungsbefehl. Dieser letztere steht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten, auf Versäumnis erlassenen Endurteil gleich; es ist also dagegen binnen zwei Wochen Einspruch zulässig, wie gegen ein Versäumnisurteil. Wird gegen den Zahlungsbefehl Widerspruch erhoben, so verliert er seine Kraft mit Ausnahme der Rechtshängigkeit. Will der Kläger die Sache fortsetzen, so tritt das regelmäßige amtsrichterliche oder landgerichtliche Verfahren ein, je nachdem die Sache der Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Landgerichts unterliegt. Im erstern Fall kann jede Partei den Prozeßgegner nunmehr zur mündlichen Verhandlung vor das Amtsgericht laden. Handelt es sich aber um eine Landgerichtssache, so hat der Kläger binnen sechs Monaten ordentliche Klage bei dem zuständigen Landgericht im Anwaltsprozeß zu erheben. Die Kosten des Mahnverfahrens werden alsdann als Teil der Kosten des entstehenden Rechtsstreites angesehen. Im österreichischen Recht wird das M. durch ein Gesetz vom 27. April 1873 geregelt. Danach ist das M., das in der Erlassung eines bedingten Zahlungsbefehls besteht, nur zulässig, wenn der geforderte Betrag oder der Wert des in Anspruch genommenen Gegenstandes ohne Hinzurechnung von Zinsen und Nebengebühren die Summe von 400 Kronen nicht übersteigt. Die Einspruchsfrist ist gleichfalls eine 14tägige. Der Einspruch erfolgt nach österreichischem wie nach deutschem Recht formlos, entweder schriftlich oder mündlich zu Protokoll. Gründe brauchen nicht angegeben zu werden. Vgl. Skedl, Das M. (Leipz. 1891); O. Richter, Das M. (Hannov. 1895).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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