Libănon

Libănon

Libănon (tat. Libanus, arab. Dschebel Libnân, »weißes Gebirge«), Gebirge in Syrien, an der Nordgrenze des alten Palästina (s. Karte »Palästina«). Von NNO. nach SSW. 160 km weit der Küste parallel ziehend, wird der L. durch das Quertal des Litani von den Höhen Galiläas getrennt und endigt im N. am Nahr el Kebir in schroffem Abfall. Seine höchsten Erhebungen hat er bei Beirût und Tripolis im Dschebel Machmal (3052 m) und im Dar el Kodib (3063 m). Bis 2032 m steigt der Dschebel Knese an, unter dem die 112 km lange Poststraße und die Eisenbahn von Beirût nach Damaskus entlang zieht. Nach O., zur tief eingesenkten Bekaa (Kölesyrien), fällt der L. ziemlich steil und rauh ab, während der bedeutend längere Westabhang viel reicher gegliedert, von zahlreichen Flüssen durchströmt und gut bevölkert ist. Einzelne Äste des Gebirges treten in kühnen Vorgebirgen bis an das Meer. Vom Meer aus gesehen, gewährt das Gebirge mit seinen tiefen Schluchten und schroffen Abfällen einen sehr malerischen Anblick. Dem geologischen Aufbau nach bilden die Hauptmasse der parallel gerichteten, in der jüngern (miocänen) Tertiärzeit entstandenen Gebirgszüge Schichten von Mergel, Ton, von Kalkstein, Marmor, Dolomit und Kreide, von Sandstein und Sand, die der Jura-, Kreide- und Eocänformation zugerechnet werden. Berühmt sind wegen ihres Fossilreichtums die senonen oder vielleicht eocänen Fischschichten von Sâhil Alma. An vielen Stellen treten Basaltdurchbrüche auf, die in der Kreidezeit und dann nach der Ablagerung des Cocäns erfolgten. Diskordant auf den eocänen Nummulitenkalken gelagert sind jungtertiäre Süßwasserbildungen (vgl. Asien, S. 859, und Palästina). Von nutzbaren Mineralien finden sich Eisenerze (im Sandstein), Braunkohlen und Lignite, Bernstein und Bitumen. Die Dürrzeit dauert von Ende April bis in den Oktober hinein (Beirût 90 cm). Die Jahrestemperatur beträgt am Westfuß etwa 21° (Januar 8, Juli 24°); mit der Erhebung wird das Klima kälter und rauher. Im Winter werden durch die vorwaltenden West- und Nordwestwinde große Schneemassen niedergeschlagen; die Chaussee zwischen Beirût und Damaskus (Paßhöhe 1770 m) ist oft mehrere Tage lang verweht. Jährliche mittlere Schneefallsgrenze etwa 1000 m am Westabhang. Die Flora des L. zeichnet sich aus durch Wälder; neben sommergrünen Laubbäumen, wie Eichen und selbst Buchen, herrschen aber Nadelhölzer wärmerer Klimate vor, wie Abies cephalonica, Pinus Laricio, Cedrus Libani, Juniperus foetidissima. Auch Bestände von Cupressus horizontalis treten zwischen 1301 und 1900 m auf. Kultiviert werden Weinstock, Ölbaum, Feigen- und Maulbeerbaum. Die Tierwelt des L. gehört zur Mittelmeersubregion der paläarktischen Region, sie bietet zoologisch nichts Besonderes; seine Wälder bergen Raubtiere, wie Bär, Wolf, Schakal, und mancherlei Wild. Das Küstenland am westlichen Fuß des L. ist das Phönikien des Altertums; das Tiefland zwischen dem L. und Antilibanon (s. d.) hieß im Altertum Bukka oder Kölesyrien (heute Bekaa, »Spalte«). Die Bevölkerung des L. (Maroniten, Drusen, Griechisch-Orthodoxe, Griechisch-Unierte, Metawile) wird auf 400,000 Seelen geschätzt, davon sind vier Fünftel Christen. So wild und einsam das Gebirge ist, so ist es doch durch vielfach gewundene, oft in den Fels eingehauene Pfade zugänglich, und zahlreiche Klöster gewähren dem Wanderer Obdach. Etwa 4 km oberhalb Bscherre, am Fuß des kahlen und steilen Dar el Kodib, in einer Höhe von 1925 m, steht das berühmte, mit einer Mauer eingefaßte Zedernwäldchen, mit nur noch 397 Stämmen, den dürftigen Resten jener Zedernwaldungen, die einst dem König Salomo das Holz zum Tempelbau lieferten. Hauptort der seit 1861 eingerichteten, direkt der Hohen Pforte unterstehenden autonomen Provinz L. (3100 qkm mit 200,000 Einw. in 7 Bezirken) ist Deïr el Kamar (s. d.). Eisenbahnen und Fahrstraßen sind in der aufblühenden Provinz in steter Zunahme begriffen. – Der L. ist den Türken niemals vollständig botmäßig geworden. Als 1840 Syrien Mehemed Ali entzogen und dem Sultan zurückgegeben wurde, forderten die europäischen Mächte für die Verwaltung des L. mit seiner christlichen Bevölkerung gewisse Vorrechte. Danach trat eine getrennte Regierung der vielfach untereinander wohnenden Drusen und Maroniten unter zwei Kaimakamen ins Leben: der maronitische Kaimakam regierte im Norden, der drusische im Süden; hinsichtlich der Bezirke mit gemischter Bevölkerung griffen besondere Bestimmungen Platz. Diese Einrichtung erhielt sich bis zu den Metzeleien des Jahres 1860 (s. Syrien). Infolge des französischen Einschreitens wurde 1862 der ganze L. als selbständiges Paschalik von Syrien abgetrennt und unter der Kontrolle der Gesandten der Westmächte einem christlichen Gouverneur zur Verwaltung unterstellt; doch blieben Orte mit überwiegend muslimischer Bevölkerung sowie die drei wichtigsten Hafenstädte Tripolis, Beirût, Saida bei Syrien (s. oben). Vgl. Fraas, Drei Monate am L. (Stuttg. 1876) und Geologische Beobachtungen am L. (das. 1878); Diener, Libanon. Grundlinien der physischen Geographie und Geologie von Mittelsyrien (Wien 1886); v. Oppenheim, Vom Mittelmeer zum Persischen Golf (Berl. 1899, 2 Bde.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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