- Kybĕle
Kybĕle (auch Kybēbe), in Phrygien heimische, aber auch in ganz Kleinasien verehrte Natur- und Kulturgöttin, Vertreterin der gebärenden Kraft der Natur, Urheberin des Acker- und Weinbaues und aller darauf beruhenden Zivilisation sowie Begründerin der Städte, »die große Göttin«, »die große Mutter« (griech. megálē métēr, lat. magna mater), auch schlechthin »die Mutter« genannt. Hauptsächlich dachte man sie sich auf Bergen und in Wäldern waltend, auf einem Löwen, ihrem heiligen Tier, oder einem von Löwen gezogenen Wagen; auf Bergen hatte sie vorzugsweise ihre Heiligtümer, wie auf dem Dindymos (danach auch Dindymēne genannt, wie nach dem Berekyntos Berekyntia), bei dem phrygischen Pessinus, wo sie als Agdistis (Angdistis) unter dem Symbol eines Meteorsteins verehrt wurde, und auf dem Ida in Troas (daher »Idäische Mutter«). Ihr Dienst war mit orgiastischen Gebräuchen verbunden, wilden Tänzen, rauschender Musik mit Handpauken, Becken, Flöten und Selbstverstümmelungen ihrer Priester (s. Galli und Korybanten). Seit sie von den Griechen mit Rhea (s. d.) gleichgestellt wurde, verbreitete sich ihr Kult über die griechischen Inseln nach dem eigentlichen Griechenland. In Rom wurde er 204 v. Chr. auf Geheiß der Sibyllinischen Bücher eingeführt, indem der heilige Stein aus Pessinus geholt wurde, und von phrygischen Priestern versehen. Über das ihr 194 v. Chr. gestiftete Fest der Megalesia oder Ludi Megalenses s. Megalesien. Zu hohem Ansehen kam sie in der Kaiserzeit. Geheiligt war ihr außer dem Löwen die Fichte. Dargestellt wird sie als anmutige Frauengestalt mit kräftigen Formen und vollbekleidet, auf dem Haupt eine Mauerkrone, in der Linken die Handpauke, meist auf einem Thron sitzend mit Löwen zur Seite (vgl. Abbildung); auf einem Löwen erscheint sie in der Pergamenischen Gigantomachie. Vgl. Göhler, De Matris Magnae apud Romanos cultu (Meißen 1886).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.