Kurorte

Kurorte

Kurorte, Orte, an denen gewisse Krankheiten, namentlich chronische Störungen des Stoffwechsels, die durch bloße medikamentöse Behandlung nicht zu beseitigen sind, unter besondern Veranstaltungen, klimatischen Verhältnissen und geregelter Lebensweise, d. h. durch eine eigne, Wochen oder Monate zu befolgende Kur, geheilt werden. Eine solche Kur kann unter Umständen auch an dem Wohnort des Leidenden eingeleitet werden; als ein sehr wesentliches, den Erfolg der Kur unterstützendes Moment ist aber ein passender Wechsel des Aufenthalts anzusehen, zumal wenn der Kranke am Wohnort sich den täglichen Aufregungen seines Berufs nicht entziehen kann. Diesen Bedürfnissen entspricht eine große Zahl von günstig gelegenen und für Heilzwecke eingerichteten Kurorten. Alle diese K. wirken auf den Gesamtkörper ein, teils indem sie den Stoffwechsel und das Nervensystem anregen, eine allgemeine Schlaffheit der Gewebe oder einzelner Schleimhäute beseitigen, oder indem sie einseitige Exzesse des Stoffwechsels regeln, das Nervensystem beruhigen, übergroße Reizbarkeit einzelner Gewebsysteme herabstimmen und abnorme Sekretionen unterdrücken. Die von Laien so oft gehegte Vorstellung, daß es K. für Leberleiden, andre K. für Brustkrankheiten, wieder andre K. für Herzfehler gibt, ist nur insofern richtig, als unter Einleitung einer bestimmten Lebensweise, unterstützt von bestimmtem Klima und dem an einem Kurort vorhandenen, bald auf die Schleimhaut des Verdauungstraktus (Karlsbad, Kissingen), bald auf die der Atmungsorgane (Ems), bald auf die Harnorgane (Vichy, Wildungen) etc. in erster Linie einwirkenden Brunnen, der gesamte Körper derart günstig beeinflußt wird, daß z. B. gewisse Störungen der Lebertätigkeit oder Atmungsorgane oder der Herzarbeit dadurch beeinflußt, gebessert und geheilt werden. Aber eine solche Heilung kann einerseits an verschiedenen Kurorten erreicht werden, und anderseits bietet jeder einzelne Kurort eine Heilgelegenheit für sehr mannigfache Organleiden, da nicht selten Herz-, Lungen- und Leberleiden von einer einzigen Störung des Kreislaufs abhängig sind. Die Auswahl, in welchen Kurort ein bestimmter Kranker oder Erholungsbedürftiger geschickt werden muß, ist demnach überaus schwierig, da unter den Kurorten, die anregend wirken, wie z. B. die Seebäder, jeder einzelne ein sozusagen individuelles Gepräge besitzt, ebenso wie die Reizbarkeit und Kraftfülle der einzelnen Kranken eine individuell höchst mannigfache ist. Die große Zahl der K. ordnet man in folgende zwölf Gruppen: 1) klimatische K., 2) Wildbäder, 3) einfache Säuerlinge, zum diätetischen Gebrauch dienend, 4) Kochsalzquellen, 5) Seebäder, 6) alkalische Quellen, 7) Bitterwasserquellen, 8) alkalisch-erdige Quellen, 9) Eisenquellen und Moorbäder, 10) Schwefelquellen, 11) K. mit verschiedenen Kurmitteln: Milch, Kumys, Molken, Weintrauben, Kräutersäften, 12) Terrainkurorte. Näheres s. Klimatische Kurorte und Mineralwässer.

Nach einem preußischen Ministerialerlaß von 1903, betreffend die gesundheitlichen Mindestforderungen in Kurorten, ist als Bade- oder Kurort im gesundheitlichen Sinne jeder Ort zu verstehen, der durch Prospekte oder andre Bekanntmachungen Fremde zur Benutzung seiner natürlichen oder künstlichen Heilmittel einladet oder zuläßt. Da in einem solchen Ort leicht jederzeit ansteckende Krankheiten durch Fremde eingeschleppt werden können, so sind mit Rücksicht auf das Reichsgesetz vom 30. Juni 1900 diejenigen Maßregeln zu treffen, die einer Ansteckungsgefahr wirksam vorzubeugen imstande sind. Unbedingt nötig sind die Einrichtung von Kranken- und Leichenhäusern sowie die Beschaffung genügender Desinfektionsvorrichtungen. Mindestens soll jeder Badeort, falls nicht in seiner Nähe eine leicht zu erreichende und für die Bedürfnisse des Badeorts zur Verfügung stehende Krankenanstalt vorhanden ist, zwei geeignete Räume zur Aufnahme von Kranken mit ansteckenden Krankheiten und zur Wohnung des Pflegers oder der Pflegerin bereit halten. Zur Verhütung ansteckender Krankheiten durch den Auswurf sind Spucknäpfe aufzustellen, und durch Anschlag ist auf deren Benutzung hinzuweisen. In allen Badeorten müssen auch geeignete Vorrichtungen für die erste Hilfe bei plötzlichen Erkrankungen, Verunglückungen etc. hergerichtet und in gutem Zustand erhalten werden.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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