Argos [1]

Argos [1]

Argos (Argolis, Argeia), Landschaft des Peloponnes, begriff ursprünglich nur das Gebiet der Stadt A., die rings von Bergen umgebene Talebene des Inachos; unter römischer Herrschaft verstand man darunter auch die ins Vorgebirge Skyltäon auslaufende Halbinsel zwischen dem Saronischen und Argo lischen Meerbusen und die Gebiete von Phlius, Sikyon und Korinth (s. Karte »Alt-Griechenland«). A. ist der am reichsten gegliederte Teil des ganzen Peloponnes, mit sehr zerklüfteter Küste und zahlreichen vorgelagerten Inseln. Als die bedeutendsten Berge sind zu nennen: der Kreion (jetzt Ktenias, 1599 m), Artemision (Malevos, 1772 m) und Lyrkeion (1648 m) im W., die Berge gegen Ph'ins (Megalo Buno, 1270 m) im N., der Arachnäon (Arna, 1199 m) im O. Küstenebenen finden sich nur bei Trözen und an der Mündung des Inachos bei Argos. Die Bewässerung des Landes ist sehr ungleich, im ganzen äußerst dürftig; schon Homer redet vom »vieldurstigen« A. Die zahlreichen in den Bergen entspringenden Bäche versiegen im Sommer oder verschwinden bald in Klüften, um erst unweit des Meeres wieder hervorzubrechen. Auch die beiden Hauptflüsse, der Inachos (Panitsa) und sein Zufluß Charadros (Xerias), sind die meiste Zeit des Jahres trocken. Zisternen mußten schon im Altertum dem Wassermangel steuern. Trotzdem lieferte die Küstenebene von A. Getreide in Überfluß; sie ist auch heute noch fast die einzige für Ackerbau verwendete Gegend in A. In den gebirgigen Teilen wurde starke Viehzucht, auch Bergbau auf Kupfer getrieben. Aus gezeichnet waren die argivischen Pferde, schon von Homer, später von Strabon und noch jetzt von Reisenden gerühmt. Vor allem aber wurden Handel und Schifffahrt durch die zahlreichen Buchten und trefflichen Ankerplätze begünstigt, und sie stehen heute noch wie im Altertum in Blüte. Als älteste Bewohner werden Pelasger und Danaer genannt, Einwanderer aus Syrien und Ägypten, die später durch Griechen (Achäer von N., dann Dorier von S. her) verdrängt werden. In alter Zeit gab es in A. fast so viele Staaten wie Städte. Von letztern sind zu nennen: die Stadt A. (s. unten), mit der Burg Larisa und dem Hafenort Nauplia; Tiryns, schon früh zerstört; Mykenä, mit alter Königsburg, von dem jüngern Argos zerstört; ferner die Seestädte Epidauros, Trözen und Hermione. In religiöser Beziehung war A. der Hauptsitz des achäischen Kultus der Hera, den die Dorier fortsetzten. Zwischen Mykenä und A. lag das Heräon, eins der ersten Heiligtümer Griechenlands. Mit der Götterverehrung Hand in Hand gehend, entwickelte sich in A. sehr frühzeitig die bildende Kunst. Um 500 v. Chr. erblühte des Ageladas Schule, der die Argiver Aristomedon, Phradmon, Naukydes, Perikletos, Antiphanes, der Sikyonier Polyklet u.a. angehörten. Auch ward in A. die Tonkunst eifrig gepflegt und neben ihr die Dichtkunst. Seit der Mitte des 5. Jahrh. sank das künstlerische Leben in A. schnell von seiner Höhe herab, und nur die Gymnastik nahm das Volksinteresse noch in Anspruch.

Die Stadt A. scheint erst aus dem Lager der dorischen Eroberer am Fuß der altpelasgischen Doppelburg Larisa (289 m hoch) entstanden zu sein. Nachdem sie die umliegenden, bis zu den Perserkriegen selbständigen Städte unterworfen, stand sie an Umfang und Volkszahl im Peloponnes nur hinter Korinth zurück. Die Burg Larisa im NW. der Stadt trug die Tempel des Zeus und der Athene; in ihren östlichen Abhang ist das Theater hineingearbeitet. Nordöstlich davon lag ein niedriger Hügel mit einer zweiten Akropolis, östlich die Agora mit den Tempeln des Apollon Lykios, des Zeus Nemeios, der Tyche, des Asklepios, den Statuen der sieben Heerführer gegen Theben u.a.

Geschichte. Als Erbauer der Stadt A. (oder Larisa, s. oben) und erster Herrscher daselbst wird Inachos genannt. Die von ihm gegründete Dynastie der Inachiden wurde durch Danaos und die Danaer entthront. Zur Zeit des Trojanischen Krieges war Diomedes, Schwiegersohn des Adrastos, König von A., während Agamemnon den nördlichen Teil von Argolis von Mykenä aus beherrschte. Sein Sohn Orestes vereinigte das schon früher abhängige A. mit Mykenä. So weit die Sage. Beim Eindringen der Dorier (s. Dorische Wanderung) fiel A. dem Temenos, dem ältesten der Herakliden, zu, der A. zur Hauptstadt der Landschaft machte. Der berühmteste im ler seinen Nachfolgern ist Pheidon (um 670), unter dessen kraftvoller Herrschaft A. seine Glanzperiode erreichte; er unterwarf ganz Argolis und Ägina, entriß den Spartanern die Ostküste des Peloponnes und durchbrach die enge Abgeschlossenheit der Dorier, indem er das Land dem Handel und Verkehr öffnete und Münzen, Maße und Gewichte einführte. Nach seinem Tode (660) sank die Macht sowohl des Königtums, das bald nur noch dem Titel nach bestand und nach den Perserkriegen in eine Demokratie überging, als der Stadt, die durch die emporkommenden Spartaner schwere Einbuße im Süden erlitt und ihres Einflusses auf Mykenä und Tiryns beraubt wurde. Aus Haß gegen sie schloß sich A. in den Perserkriegen den Persern an, im Peloponnesischen Krieg den Athenern, später den Thebanern. Auch nach dem Tode des Epameinondas stand A. stets auf der Seite der Gegner Spartas, also auch zuerst auf der der Makedonier, die aber in der Stadt eine Tyrannenherrschaft einrichteten, von der sie erst Aratos 229 befreite. Seitdem gehörte es dem Achäischen Bund an und kam mit ihm nach manchen Wechselfällen 146 unter römische Herrschaft. Mit der äußern Politik stand die innere Geschichte in enger Beziehung. Jede Schwächung der demokratischen Partei nahmen die Oligarchen wahr, um unter ihrer Herrschaft den Anschluß an Athen aufzuheben; sie erreichten dies jedoch immer nur auf kurze Zeit und büßten es dann schwer; um die Verluste im Krieg mit Sparta auszugleichen, waren Leibeigne unter die Bürger aufgenommen und Einwohner benachbarter Städte zur Übersiedelung nach A. gezwungen worden: dieser bunte Hause kannte, wenn er wieder in den Besitz der Macht gelangt war, keine Grenzen und hat z. B. im J. 370 mehrere tausend angeblicher Aristokraten erschlagen (durch den sogen. Skytalismos, Stockprügelei). Im Mittelalter gehörte A. zum Herzogtum Athen; 1383 kam die Stadt durch Kauf an Venedig; 1397 ward sie von den Türken erobert und geplündert, und 1463 fiel sie abermals ihnen zu, die sie mit Ausnahme der wieder unter venezianischer Herrschaft verbrachten Jahre 1686–1716 bis zu dem griechischen Freiheitskrieg besessen haben. Vgl. Schneiderwirth, Geschichte des dorischen A. (Heiligenst. 1865–66, 2 Tle.).

Im heutigen Königreich Griechenland bildet A. einen Nomos mit (1896) 80,700 Einw. und der Hauptstadt Nauplia. Außerdem gehört dazu die Insel Kythira (s. d.). Die Stadt A., in breiter, von dürren Kalkgebirgen umgebener Lehmebene gelegen, Knotenpunkt an der Eisenbahn Korinth-Kalamata, ein lebhafter, freundlicher Ort mit (1896) 9980 (Gemeinde 12,524) Einw., füllt trotz ihrer weitläufigen Bauart kaum die Hälfte des antiken Stadtraumes aus. Auf und am Kegelberg der Larisa (289 m ü. M.), der die Akropolis bildete (s. oben), finden sich noch Reste des Altertums: eine Burg, die neben jüngern auch alte Mauerteile, aus polygonen Werkstücken zusammengesetzt, aufweist, kyklopische Mauern, etwa 60 Sitzreihen des Theaters u.a.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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