Kokainismus, chronischer

Kokainismus, chronischer

Kokainismus, chronischer. Dem gewohnheitsmäßigen Mißbrauch von Kokain fallen gewöhnlich nur Menschen anheim, die vorher bereits Morphinisten waren. In den Südstaaten Nordamerikas verbreitet sich das Schnupfen einer Mischung von Kokain mit Zucker namentlich unter der farbigen Bevölkerung mit merkwürdiger Schnelligkeit und richtet große Verwüstungen an. Die Opfer dieser übeln Gewohnheit enden im Irrenhaus. Das Kokain erzeugt bei dem an dasselbe Gewöhnten ähnliche Gefühle des Wohlbehagens wie das Morphium. Der chronische Kokainmißbrauch, der von den Morphinisten meist ebenso wie der des Morphiums in Form von Einspritzungen unter die Haut geübt wird, hat aber sehr verderbliche und überdies rasch eintretende Folgen. Die Haupterscheinungen sind rapide Abmagerung und das Auftreten eigentümlicher Sinnestäuschungen. Die Kranken meinen, daß Tiere, wie Milben, Käfer, Wanzen, unter ihrer Haut kriechen, hier und da auch, daß sie mit Wasser bespritzt, elektrisiert oder auch gekniffen würden. Auch Gesichts- und Gehörstäuschungen sind nicht selten, namentlich sehen die Kranken häufig dunkle Punkte auf weißen Flächen, die sie dann verschieden deuten. Häufig entsteht aus diesen Täuschungen ein Beeinträchtigungswahn, der sich bis zu Verfolgungsideen oder zur vollständigen Verwirrtheit steigern kann. Die Kranken können dann gemeingefährlich werden. In den leichtern Fällen, in denen keine ausgesprochenen Geistesstörungen sich ausbilden, ist doch eine gewisse geistige Schwäche unverkennbar. Dieselbe äußert sich teils als Gedächtnismangel, namentlich aber auch in einer ganz auffallenden Weitschweifigkeit im schriftlichen und mündlichen Ausdruck. Die Behandlung des Kokainismus besteht in der Entziehung des Mittels. Da bedrohliche Abstinenzerscheinungen gewöhnlich nicht auftreten, so kann sie rasch erfolgen, nur auf den Zirkulationsapparat muß man achten; man läßt die Kranken am besten während der Entziehung im Bett liegen. Die Prognose ist wegen der oft auch nach der Entziehung andauernden psychischen Störungen und wegen der ausgesprochenen Demoralisation der Kranken keine günstige. Rückfälle sind sehr häufig.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kokaīn — (Methylbenzoylekgonin) C17H21NO4 oder Alkaloid der Kokablätter (s. Erythroxylon), findet sich bis zu 0,8 Proz. in der grünen bolivianischen Koka, die aber bei den Indianern sehr beliebt ist und nur in geringer Menge nach Europa gelangt. Billiger… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”