- Körperverletzung
Körperverletzung, die widerrechtliche Einwirkung auf den Körper eines andern oder, wie das deutsche Strafgesetzbuch (§ 223 ff.) definiert, das Vergehen desjenigen, der einen andern körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt. Hiernach ist zunächst Widerrechtlichkeit der Handlung erforderlich, weshalb z. B. die Ausübung eines Züchtigungsrechts, sofern nur keine Überschreitung desselben vorliegt, nicht als K. aufgefaßt werden kann. Das Gesetz unterscheidet zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger K. Erstere wird als schwere K. bezeichnet, wenn der Verletzte dadurch ein wichtiges Glied des Körpers, das Sehvermögen auf einem oder beiden Augen, das Gehör, die Sprache oder die Zeugungsfähigkeit verliert, oder in erheblicher Weise dauernd entstellt wird, oder in Siechtum, Lähmung oder Geisteskrankheit verfällt. Tödliche K. oder K. mit tödlichem Ausgang liegt vor, wenn durch eine vorsätzliche K. der Tod des Verletzten herbeigeführt wurde, ohne daß die Tötung beabsichtigt war. Wenn eine vorsätzliche K. mittels einer Waffe, insbes. eines Messers oder eines andern gefährlichen Werkzeuges, oder mittels eines hinterlistigen Überfalles, oder von mehreren gemeinschaftlich, oder mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen wurde (gefährliche K.), soll Gefängnisstrafe bis zu 5 Jahren und nicht unter 2 Monaten eintreten. Übrigens hat das Strafgesetzbuch (§ 367, Ziff. 10) den Gebrauch einer Schuß-, Stich- oder Hiebwaffe oder eines andern gefährlichen Instruments bei einer Schlägerei schon an und für sich, auch ohne daß es zu einer K. gekommen wäre, als strafbar bezeichnet. Die schwere und die tödliche K. werden mit Gefängnis oder Zuchthaus und, wenn eine der erschwerenden Folgen beabsichtigt war, ausschließlich mit Zuchthaus bestraft. Wurde eine solche K. durch eine Schlägerei oder durch einen von mehreren unternommenen Angriff verursacht, so soll jeder, der daran teilgenommen, schon wegen dieser Beteiligung, wofern er nicht etwa ohne sein Verschulden hineingezogen worden, mit Gefängnis bis zu 3 Jahren bestraft werden (Raufhandel, § 227). Traten aber jene erschwerenden Umstände infolge verschiedener einzelner Verletzungen als deren Gesamtresultat ein, so ist gegen jeden, dem auch nur eine dieser Verletzungen zur Last fällt, auf Zuchthausstrafe von 1 bis zu 5 Jahren zu erkennen. Nur beim Vorhandensein mildernder Umstände kann bei der schweren K. auf Gefängnisstrafe nicht unter einem Monat und bei der tödlichen K. nicht unter 3 Monaten heruntergegangen werden. Fehlt es an derartigen erschwerenden Wirkungen, so spricht man von einer leichten oder einfachen K. Das Reichsstrafgesetzbuch bedroht die letztere mit Gefängnis von einem Tage bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark; wurde sie gegen Verwandte aufsteigender Linie begangen, so kann nicht auf Geldstrafe, sondern nur auf Gefängnis nicht unter einem Monat erkannt werden. Besonders streng wird bei Militärpersonen eine K. bestraft, wenn sie gegen einen Vorgesetzten gerichtet ist; hier kann, wenn dies im Felde vorkommt, sogar die Todesstrafe verhängt werden. Auf der andern Seite wird aber auch die K., die gegen einen militärischen Untergebenen verübt wird, mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu 3, die schwere K. mit Zuchthaus bis zu 5 und die tödliche K. mit Zucht hans von 3 bis zu 15 Jahren geahndet. Die von einem Beamten in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Amtes vorsätzlich begangene K. wird als Amtsverbrechen (s. d.) ebenfalls besonders streng bestraft (Strafgesetzbuch, § 340). Zu der vorsätzlichen K. rechnet das Reichsstrafgesetzbuch endlich noch die sogen. Vergiftung (s. d.). Der vorsätzlichen steht die fahrlässige K. gegenüber, die mit Geldstrafe bis zu 900 Mk. oder mit Gefängnis bis zu 2 Jahren bestraft wird. Als straferhöhend wirkt hier der Umstand, daß der Täter zu der Aufmerksamkeit, die er fahrlässigerweise aus den Augen setzte, vermöge seines Amtes, Berufs oder Gewerbes, z. B. als Arzt oder als Apotheker, besonders verpflichtet war. In solchem Fall tritt die Strafverfolgung von Amts wegen ein, während außerdem bei fahrlässigen ebenso wie bei leichten Körperverletzungen ein ausdrücklicher Strafantrag seitens des Verletzten erheischt wird. Auch kann bei leichten Körperverletzungen, die mit solchen, oder bei Beleidigungen, die mit Körperverletzungen auf der Stelle erwidert wurden, und ebenso im umgekehrten Falle für beide Teile oder für einen derselben auf eine leichtere Strafe erkannt oder sogen. Kompensation verfügt, d. h. von einer Bestrafung gänzlich abgesehen werden. Übrigens kann bei jeder K. zur Entschädigung für die etwa dadurch verursachte Arbeitsunfähigkeit, für Kurkosten etc. auf eine an den Verletzten zu zahlende Buße (s. d.) bis zum Betrage von 6000 Mk. auf Antrag des Beschädigten erkannt werden. Durch die Zuerkennung einer Buße werden natürlich weitere Entschädigungsansprüche nicht ausgeschlossen, so verpflichtet das Bürgerliche Gesetzbuch denjenigen zum Schadenersatz, der einen andern, sei es direkt oder indirekt, vorsätzlich oder fahrlässig, verletzt hat (vgl. Haftpflicht, S. 609). Körperverletzungen, die nur auf Antrag bestraft werden, sind vor Gericht im Wege der Privatklage zu verfolgen (s. Privatklage). Vgl. Deutsches Reichsstrafgesetzbuch, § 223–233, 340, 366, 367; Deutsche Strafprozeßordnung, § 414 ff.; Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich, § 97–99, 122, 123, 127, und Günther, Über die Hauptstadien der geschichtlichen Entwickelung des Verbrechens der K. und seiner Bestrafung (Erlang. 1884). – Nach österreichischem Recht liegt das Verbrechen der schweren körperlichen Beschädigung vor, wenn eine Gesundheitsstörung oder Berufsunfähigkeit von mindestens 20tägiger Dauer, eine Geisteszerrüttung oder eine schwere Verletzung die Folge einer in feindseliger Absicht unternommenen Handlung ist; die Strafe ist Kerker von 6 Monaten bis zu einem Jahr, event. bis zu 5 Jahren. Hat aber das Verbrechen eine auffallende Verunstaltung, immerwährendes Siechtum etc. zur Folge gehabt, dann wird schwerer Kerker von 5 bis zu 10 Jahren verhängt. Dolose, aber leichte Körperbeschädigungen werden als Übertretungen mit Arrest von 3 Tagen bis 6 Monaten, kulpose, aber schwere Verletzungen mit Arrest von 1 bis 6 Monaten geahndet (Strafgesetzbuch, § 152 ff., 411, 412, 335).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.