- Innsbruck
Innsbruck (hierzu der Stadtplan mit Karte der Umgebung von I.), Hauptstadt von Tirol, in schöner Lage, 574 m ü. M., zu beiden Seiten des Inn, unweit der Mündung der Sill, an den Linien Kufstein-Ala der Südbahn und I.-Bregenz der Staatsbahnen, im Mittelpunkt einer weiten Ebene, die im N. von den schroffen Felswänden der Nordtiroler Kalkalpen (Solstein 2641 m, Frauhitt 2272 m), im S. von den Ausläufern der Stubaier und Zillertaler Alpen (Saile 2406 m, Waldrastspitze 2719 m, Patscher Kosel 2248 m) begrenzt wird.
Die Stadt hat breite Straßen und namentlich in den neuen Stadtteilen ansehnliche Gebäude. Über den Inn führen drei eiserne Brücken. Unter den Kirchen ist die bedeutendste die Franziskaner- oder Hofkirche, 1553–63 im Renaissancestil erbaut, mit dem prachtvollen Grabdenkmal Maximilians I. (dessen Leichnam jedoch in Wiener-Neustadt beigesetzt ist), einem Marmorsarkophag mit schönen Reliefs von Alex. Colins und der knieenden Gestalt des Kaisers, umgeben von 28 kolossalen Erzstatuen von berühmten Fürsten und Fürstinnen (s. Tafel »Bildhauerkunst VIII«, Fig. 4). An der linken Seitenwand der Kirche befinden sich das Grabdenkmal Andreas Hofers, daneben die Denkmäler Speckbachers und Haspingers, auf der andern Seite das Monument der in den Befreiungskämpfen von 1796–1809 gefallenen Tiroler. Die sogen. silberne Kapelle enthält die Grabmäler des Erzherzogs Ferdinand (gest. 1595) und seiner Gemahlin Philippine Welser, beide von Alex. Colins. Andre bemerkenswerte Kirchen sind: die Stadtpfarrkirche zu St. Jakob (1721 vollendet) mit Marienbild von L. Cranach und Grabmal des Deutschmeisters Erzherzog Maximilian (gest. 1618), die Universitäts- oder Jesuitenkirche (1640), die Servitenkirche (1614) und die Klosterkirche zur ewigen Anbetung, mit neuem Mosaikbild an der Fassade. Unter den weltlichen Gebäuden zeichnen sich aus: die kaiserliche Burg (1766–70 im Zopfstil umgebaut), mit großem, freskengeschmücktem Saal; die 1425 von Friedrich mit der leeren Tasche erbaute Fürstenburg mit einem schönen gotischen Erker, dessen Dach mit vergoldeten Kupferplatten gedeckt ist (»Goldenes Dachel«); die Ottoburg (von 1234), das Rathaus, das Stadttheater, das Museum, das Landhaus (1728), das Postgebäude (ehemals Palais Thurn und Taxis), das Justizgebäude (1887), die neuen Stadtsäle (für öffentliche Festlichkeiten, 1890 erbaut), das katholische Kasino u. a. In der Mitte der Maria Theresien-Straße befindet sich die Annasäule, zum Andenken an die Räumung des Landes durch die bayrischen und französischen Truppen 1703 errichtet; am südlichen Ende dieser Straße die Triumphpforte (1765 anläßlich der in I. gefeierten Vermählung des nachmaligen Kaisers Leopold II. erbaut); in den Anlagen am Innufer das Standbild Walters von der Vogelweide, auf dem Margaretenplatz ein Brunnen mit der Statue Rudolfs IV., vor den Stadtsälen der Leopoldsbrunnen mit dem Reiterstandbild des Erzherzogs Leopold (gest. 1632). Sehenswert ist ferner der neue Friedhof im W. der Stadt.
I. zählt (1900) 26,866 meist deutsche, kath. Einwohner (darunter 2475 Mann Militär); seit der 1903 erfolgten Vereinigung von Wilten und Pradl mit I. ist die Bewohnerzahl auf 41,108 gestiegen. Als Vororte von I. sind die angrenzenden Orte: Hötting (5693 Einw.) und Mühlau (1017 Einw.) zu betrachten. Die Industrie erstreckt sich auf Baumwollspinnerei und -Weberei, Tuchfabrikation, Samtweberei, Fabrikation von Leibwäsche, Strohhüten, Möbeln, Maschinen, Metallwaren, Glocken, Teigwaren, Kaffeesurrogaten, Essig, Seifen und Kerzen, Bierbrauerei, Glasmalerei, Buchdruckerei u. a. Von Bedeutung ist auch der Handel und während der Sommermonate der Fremdenverkehr. I. ist Stadt mit eignem Gemeindestatut und Sitz der Statthalterei, einer Bezirkshauptmannschaft (für die Umgebung), des Oberlandesgerichts, eines Landesgerichts, der Finanzlandes- und Bezirksdirektion, der Post- und Telegraphendirektion, der Staatsbahndirektion, der Forst- und Domänendirektion, einer Handels- und Gewerbekammer, des Landeskulturrates, des 14. Korpskommandos, des Tiroler Landtags etc. sowie eines deutschen Konsuls. Als Unterrichtsanstalten sind hervorzuheben: die Leopold Franzens-Universität (vom Kaiser Leopold I. 1677 gegründet, 1858 durch die theologische und 1869 durch die medizinische Fakultät vervollständigt, neuerdings mit juristischen Kursen für Italiener; s. unten) mit (1901) 123 Lehrenden und 1019 Studierenden, einer Bibliothek von 160,000 Bänden, einem anatomischen, pathologischen und physiologischen Institut, einem chemischen Laboratorium, einem wegen seiner Alpenflora bekannten botanischen Garten etc.; ein Obergymnasium, eine Oberrealschule, eine Lehrer- und eine Lehrerinnenbildungsanstalt, eine Staatsgewerbeschule und eine Handelsakademie. Klöster gibt es 10, darunter das älteste Kapuzinerkloster in Deutschland (von 1594), ein Kloster der Ursulinerinnen mit höherer Töchterschule, das Prämonstratenser- und das Karmeliterinnenkloster in Wilten. Ferner besteht hier eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, eine Landeshypothekenanstalt, eine Sparkasse, eine städtische Pfandleihanstalt, ein Lagerhaus, ein Landesmuseum (Ferdinandeum) mit reichen Sammlungen von naturgeschichtlichen und Kunstgegenständen, ein städtisches Krankenhaus, eine Landesgebäranstalt (Wilten) und ein von I. v. Sieberer gestiftetes Waisenhaus sowie ein weltliches adliges Damenstift. I. hat Badeanstalten, Gas- und elektrische Beleuchtung. Beliebte Punkte der Umgebung (s. die Karte) sind: Schloß Ambras (s. d.), der Berg Isel (s. d.), die Weiherburg, die Lanser Köpfe (931 m), die beliebte Sommerfrische Igls (870 m, mit Hotels, Pensionen und 264 Einw.) und der Patscher Kosel (2248 m). Eine Dampfstraßenbahn führt von I. nach Hall und zum Berg Isel; von da gehen Lokalbahnen nach Igls und in das Stubaital.
Geschichte. I. ist zwar eine mittelalterliche Schöpfung, steht aber auf einem Boden, der als Ausgangspunkt der Brennerstraße schon in der Römerzeit besiedelt war; südlich von I. lag Veldidena, das heutige Dorf Wilten, eine Hauptniederlassung der Römer in Rätien. Nachdem diese in der Völkerwanderung zerstört worden, erstand 1128 das Prämonstratenserstift Wilten und auf dem Schloßberg von Ambras die Burg der bajoarischen Gaugrafen vom Inntal, als welche uns die Grafen von Andechs im 12. Jahrh. entgegentreten. Zunächst gehörte I., zum erstenmal 1028 urkundlich genannt, zum Kloster Wilten, dann bildete sich unter den Andechs-Meranern an der Fähre über den Inn eine Ansiedelung, und aus der Innüberfahrt wurde eine Innbrücke, woraus Name und Wappen des Ortes entstand. 1232 wurde I. von dem letzten Andechs-Meraner, Herzog Otto, zur Stadt erhoben. Als 1363 Tirol an Österreich kam, wurde I. Landeshauptstadt, und Friedrich mit der leeren Tasche schlug zuerst hier seine bleibende Residenz auf. In der Folge erhielt I. besondern Glanz durch den häufigen Aufenthalt Maximilians I. daselbst und der tirolisch-habsburgischen Fürsten. Ein neuer Aufschwung der Stadt erfolgte im vorigen Jahrhundert. In nationaler Hinsicht zeigte sich in den letzten Jahrzehnten ein stetes Anwachsen der italienischen Bevölkerung in I., das begünstigt wurde durch zahlreiche italienische Studenten an der Universität. Die Umwandlung der seit längerer Zeit an der Universität gehaltenen italienischen Kurse für Rechtshörer in eine selbständige (provisorische) Rechtsfakultät in I. veranlaßte bei deren Eröffnung 3. Nov. 1904 blutige Straßenkämpfe zwischen der italienischen Studentenschaft und der deutschen Bevölkerung der Stadt. Vgl. Zoller, Geschichte und Denkwürdigkeiten der Stadt I. (Innsbr. 1816–25, 2 Bde.); B. Weber, Innsbruck (das. 1838); Probst, Geschichte der Universität in I. (das. 1869); Gwercher, I. und dessen nächste Umgebung (das. 1880); Noë, Illustrierter Führer durch I. (das. 1901); Hirn, Innsbrucks historischer Boden (Wien 1896); Unterkircher, Chronik von I. (Innsbr. 1897).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.