Hogarth

Hogarth

Hogarth (spr. hō-), William, engl. Zeichner, Maler und Kupferstecher, geb. 10. Nov. 1697 in London, gest. 26. Okt. 1764 auf seinem Landgut Chiswick bei London, kam zu einem Goldschmied, Elias Gamble, in die Lehre, bei dem er Wappen, Namenszüge, Halbfiguren und Arabesken auf goldene und silberne Gefäße gravierte. Zugleich besuchte er eine Zeichenakademie, forschte aber bald auf den Straßen und in den Kneipen nach Originalen für seinen satirischen Stift. Um seinen Unterhalt zu erwerben, stach er dabei Etiketten, Wappen und andre Gegenstände und kam dadurch bald mit Buchhändlern in Verbindung. So stach er 13 Blätter zu Aubry de la Motrayes »Travels through Europe etc.« (Lond. 1723), 12 für Butlers »Hudibras« und mehrere für den »Don Quijote«. Hierauf versuchte er sich im Porträtieren und verschaffte sich auch darin, namentlich durch sein Talent zu treffen und Familienbilder gut zu gruppieren, viele Kundschaft. Um diese Zeit wurde er von seiner Wirtin wegen einer Schuld in das Gefängnis gebracht; aus Rache stellte er diese Frau in einer karikierten Zeichnung dar. Der gewonnene Beifall veranlaßte ihn zu einer ähnlichen Darstellung, die auf die Schwärmerin Maria Tosts Bezug hatte (1726). Von dieser Zeit an reiste in ihm der Entschluß, die Torheiten und Gebrechen der Menschen in zusammenhängenden Bilderreihen darzustellen und zu geißeln. Alle seine Arbeiten dieser Art sind ein zusammenhängendes Sittengemälde, ein Spiegel der menschlichen Leidenschaften in geistreicher und witziger Auffassung. Am bedeutendsten sind seine zyklischen Sittenbilder, die, meist in Öl gemalt und in Kupferstich reproduziert, politische und gesellschaftliche Krebsschäden seiner Zeit, mit der absichtlichen, auch in der künstlerischen Darstellung sich äußernden Übertreibung des Satirikers, an den Pranger stellten. Hogarths berühmteste Werke dieser Art sind: The harlot's progress (das Leben einer Buhlerin), 6 Blätter; The rake's progress (das Leben eines Liederlichen), in 8 Blättern; Southwark fair (der Jahrmarkt in Southwark); A modern midnight conversation (die Punschgesellschaft); The distressed poet (der unglückliche Dichter) und Strolling actresses in a barn (die Komödiantinnen in der Scheune). Dabei wollte H. aber auch einen Rang unter den Geschichtsmalern einnehmen; die Satire war ihm jedoch so sehr zur Gewohnheit geworden, daß er seiner Neigung, zu karikieren, wider seinen Willen in seinen ernsthaften Kompositionen freien Lauf ließ, wie dies seine Bilder. der Teich von Bethesda, der barmherzige Samariter u. a. beweisen. Nachdem er wieder ganz die ihm eigentümliche Richtung eingeschlagen, erschienen von ihm: The enraged musician (der wütende Musikant. 1741); The marriage à la mode (die Heirat nach der Mode, 1745), in 6 Blättern (Originalgemälde in der Nationalgalerie zu London); The effects of industry and idleness (die Folgen des Fleißes und des Müßiggangs, 1747); The march to Finchley (der Marsch nach Finchley in Schottland, 1748); The gate of Calais (das Tor von Calais, 1749, eine Satire gegen die Franzosen); The stages of cruelty (die Grade der Grausamkeit, 1751), in 4 Blättern. 1753 gab er seine von seinen Zeitgenossen mit Recht lächerlich gemachte »Zergliederung der Schönheit« (deutsch von Mylius, Berl. 1754) in Druck, worin er die Schlangenlinie als die angenehmste Form für das Auge darstellte und sogar die Linien bestimmen wollte, welche die Form des Schönen enthielten. Hierauf erschienen: Four prints of an election (die Wahl eines Parlamentsmitgliedes, 1755), in 4 Blättern, und The times (die Zeitläufe, 1762), eine beißende Satire auf Pitt. Sein lächerliches Bild: Sigismunde trauert über das Herz des Guiscardo (1757), das der schwach gewordene Kunstter als ein Gegenstück zu einem Bild von Correggio betrachtet sehen wollte, zog ihm viele Kränkungen zu. Die fortwährenden Kämpfe mit seinen zahlreichen Gegnern zerrütteten seine ohnehin schwache Gesundheit und beschleunigten seinen Tod.

Merkwürdige Gemälde Hogarths wurden 1819 in einem Hause zu London entdeckt, wo sie, am Getäfel eines Zimmers befindlich, von H. während seiner Mußestunden in der Zeit der schönsten Blüte seines Geistes gefertigt worden waren. Sie stellen in fünf Abteilungen die Schicksalsgöttin dar, wie sie aus höherer Region ihre günstigen wie ihre unheilbringenden Gaben auf die Bewohner der sublunarischen Welt herabfallen läßt. Ein andres, um dieselbe Zeit wieder entdecktes Werk Hogarths ist eine launige und belebte Darstellung eines Bacchantenzugs. 1825 entdeckte man in London ein drittes Bild: Garrick bei der Probe eines neuen Stückes, mit den Bildnissen der Mrs. Abington, Popes, Macklins, Palmers etc. Das Beste und Unvergänglichste hat H. in Bildnissen (Selbstbildnis, die Schauspielerin Miß Felton und Mrs. Solter, seine Schwester, in der Nationalgalerie zu London, und Garrick und seine Frau im Schlosse zu Windsor) und in Genrefiguren (das Crevettenmädchen in der Londoner Nationalgalerie) geleistet. Hogarths satirische Werke bedürfen eines Kommentars, um in ihren historischen und moralischen Beziehungen erfaßt werden zu können. Noch zu Lebzeiten Hogarths erschienen die »Lettres de Mr.*** (Rouquet) à un de ses amis à Paris, pour lui expliquer les estampes de M. H.« (Par. 1746). Dann gab J. Trusler eine ähnliche Arbeit von größerm Umfang heraus: »H. moralised« (Lond. 1768, mit 76 Kupfern; neue Auflagen 1831 u. 1841). Später erschienen teils als Erklärung, teils als vollständige Kommentare zu Hogarths Werken: Gilpins »Essay on prints«; Nichols' »Biographical anecdotes of W. H.« (2. Aufl. 1782); »H. illustrated by John Ireland« (Lond. 1791, 3 Bde.) und die »Graphic illustrations of H., from pictures, drawings etc.« (das. 1794, 4 Bde., mit 60 Kupfern). Alle diese Kommentatoren übertraf aber G. Chr. Lichtenberg (s. d.) durch seine witzige »Ausführliche Erklärung der Hogarthschen Kupferstiche« (Götting. 1794). Eine schöne Ausgabe von Hogarths Werken nach den von Heath retouchierten Originalplatten erschien unter Nichols' Leitung (Lond. 1820–22); andre Ausgaben erschienen in Leipzig (zuletzt 1886), in verkleinerten Kopien von Riepenhausen (neue Ausg., Götting. 1897, 88 Blätter), mit der Lichtenbergschen Erklärung von Kottenkamp (3. Aufl., Stuttg. 1873, 87 Blätter). Vgl. Sala, William H. (Lond. 1866); J. Beavington-Atkinson in Dohmes »Kunst und Künstler« (Leipz. 1880); Dobson, William II. (neue Ausg. 1898); Benoit, Hogarth (Par. 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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