Herzegowina

Herzegowina

Herzegowina (d. h. Herzogtum, türk. Hersek), Gebirgsland im NW. der Balkanhalbinsel (s. Karte »Bosnien und Montenegro«, Bd. 3), das als Sandschak des türkischen Wilajets Bosnien ca. 16,500 qkm (300 QM.) umfaßte und im Altertum einen Teil Illyriens bildete, seit der 1878 erfolgten Okkupation des Landes durch Österreich-Ungarn jedoch als Kreis Mostar mit einem Flächeninhalt von 9119 qkm (165,6 OM.) mit Bosnien vereinigt ist, wogegen zwei südöstliche Bezirke: Nikšić und Piva, an Montenegro abgetreten wurden. Die heutige H. grenzt an Dalmatien, das eigentliche Bosnien, das Limgebiet, Montenegro und stellenweise auch an das Adriatische Meer und wird von den Dinarischen Alpen ganz erfüllt, deren Hauptkamm einen großen, unterhalb Livno beginnenden Bogen bis zum Durmitor in Montenegro bildet und gegen das Meer zu terrassenförmig steil abfällt. Diesem Gebirgsrand, der aus wildromantischen, felsigen, wenig bewaldeten Massen und z. T. aus wüstem Karstgebiet besteht, und der zugleich die Wasserscheide zwischen der Adria und Donau bildet, gehören folgende Gebirge (Planina) an: die Cabulja-Planina (1780 m), die Prenj-Planina (2102 m), die Bjelašnica-Planina (2115 m), Visočica-Planina (1964 m), die Dumoš-Planina (1877 m), der Lebrsnik bei Gacko (1859 m) und die aus Montenegro herüberreichenden Höhenzüge. Innerhalb dieses Bogens erstrecken sich im Innern der H. die Velez-Planina (1969 m) bei Mostar, die Cervanj-Planina (1921 m) und die Bjelasica-Planina (1867 m); im S. endlich sind die höchsten Erhebungen die Sitnica-Planina (1419 m), östlich von Stolac, und die Viduska-Planina (1328 m), westlich von Bilek. Eine wild zerklüftete, rauhe Hochebene dehnt sich zwischen der Narenta und Montenegro aus, einige Fruchtbarkeit zeigt sich in den tiefer gelegenen Gebirgstälern, soz. B. bei Stolac, Ljubinje und Trebinje. Bewässert wird die H. von der Narenta und deren zahlreichen Nebenflüssen (z. T. Schlundflüsse) und von der Trebinjčica, die in die Adria münden, sowie der nordwärts fließenden Drina. Wald und Ackerland besitzt die H. verhältnismäßig wenig, doch produziert sie außer allerlei Getreide auch vorzüglichen Wein und Tabak. Rindvieh- und Pferdezucht sind minder entwickelt, dagegen sind Schafe und Ziegen sehr zahlreich. An Wild ist die H. ungemein reich. Der die heutige H. bildende Kreis Mostar umfaßt 9 Bezirke und zählt (1895) 219,511 Einw., von denen 56,135 Mohammedaner, 74,889 Orientalisch-Orthodoxe und 88,188 römisch-katholischen Glaubens sind. Hauptstadt der H., die von den Staatsbahnlinien Sarajevo-Mostar-Metković und Metković-Trebinje durchschnitten wird, ist Mostar (s. d.).

Geschichte. Im 9. Jahrh. tritt das Land, das im Altertum zur römischen Provinz Dalmatia gehört hatte, unter den Namen Hum oder Zahumlje (auch Chom, Chelm genannt) und Travun (ien) oder Tribunium als besonderes Territorium hervor und war damals von eingewanderten Serben bewohnt. Im 13. Jahrh. teilweise Ungarn, dann Serbien untertänig, kam es 1326 an Bosnien, 1362 an Ungarn und 1382 gänzlich an Tvartko I. von Bosnien, wurde 1440 von Kaiser Friedrich III. zu einem selbständigen deutschen Herzogtum erhoben und der Familie Hranić zu Lehen gegeben. 1448 ward der Großwoiwod Stephan Vukčič mit dem Titel »Herzog vom heil. Sabbas« (»Dux Sancti Sabbae«, so benannt nach dem heil. Erzbischof Sava, dem Landespatron) ausgestattet, wonach sein Gebiet fortan »H.« hieß. 1463 wurde das Land den Türken zinsbar, 1483 der türkischen Herrschaft ganz unterworfen und als Sandschak Hersek zu Bosnien geschlagen. Herzog Stephan trat zum Islam über und hieß fortan Ahmed Hercegović. 1832 ward die H. von Sultan Mahmud als selbständiges Wesirlik dem der Pforte während des bosnischen Aufstandes treu gebliebenen Ali Aga Risvanbegowić, Kapetan von Stolac, unterstellt, der aber 1851 wegen Unbotmäßigkeit auf Befehl Omar Paschas erschossen wurde. 1861 erhob Vukalovic die Fahne des Aufstandes, und es gelang ihm, von der Pforte einige Konzessionen zu erringen. Seit 1865 bildete die H. wieder ein Liwa der Provinz Bosnien. Im Juli 1875 brach, veranlaßt durch den ungeregelten, willkürlichen Steuerdruck der türkischen Beamten, unter der Führung Ljubibratic ' ein Aufstand der christlichen Bevölkerung aus, der, von Montenegro unterstützt, sich auch über einen Teil Bosniens verbreitete und weder von den unzureichenden türkischen Truppen unterdrückt, noch durch die in Aussicht gestellten Verwaltungsreformen etc. beschwichtigt werden konnte. Durch den Artikel 25 der Berliner Kongreßakte von 1878 wurde bestimmt, daß die H., gleich Bosnien, von Österreich besetzt und verwaltet werden sollte; ein schmaler Streifen im Süden kam an Montenegro. Am 31. Juli und 1. Aug. marschierte von Imoski und Vrgorac aus die 18. Infanteriedivision unter Feldmarschallleutnant Iovanovič in die H. ein und bemächtigte sich 4. Aug. der Stadt Mostar und damit der ganzen Provinz. Doch bildeten sich, wie in Bosnien, auch in der nördlichen H. Guerillabanden, die zur Verstärkung der österreichischen Truppen nötigten. Das 5. Armeekorps stellte dann die Ruhe her, als die Bergfestung Klobuk in die Hände der Kaiserlichen fiel (25. Sept.) Als 24. Okt. 1881 in der H. die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, brach hier und im südlichen Dalmatien (Crivosčič) ein neuer Aufstand aus, der 1882 mit Waffengewalt unterdrückt wurde. Seitdem ist die Ruhe in der Bevölkerung nicht wieder gestört worden. Über die jetzigen Verhältnisse vgl. den Artikel »Bosnien«. Vgl. Angerstein, Der Aufstand in der H. (Berl. 1875); »Die Okkupation Bosniens und der H. durch die k. k. Truppen« (amtlich, Wien 1879 bis 1880); Hoernes, Altertümer der H. und der südlichen Teile Bosniens (das. 1882); Sainte-Marie, L'Herzegovine, étude géographique, historique et statistique (Par. 1875). Weiteres s. Bosnien.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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